Nims nicht übel, daß ich mir das Vergnügen, dein Büchlein über meines mehr als einmal und vernünftiger als das erstemal zu lesen, heute diesen Morgen nicht abbreche und daß ich es dir erst mit meiner[79]5 Antwort und Danksagung darauf übergebe. Adieu Lieber!
114. An Christian Otto.
[Hof, 22. Mai 1795]
Sende mir doch den Brief von Roltsch durch Überbringer[i]n. Ich hab ihn gestern mehr überschauet als überlesen, weil er in die10 Schule kam.
115. An Christian Otto.
Hof. d. 22 Mai 95.
Mein lieber Otto,
Du bezahlest unter allen Lesern meine Novitäten am theuersten --15 mit deiner Zeit und deiner Kraft, da du mir fast eben so viel zurük- schreibst als ich hin und da du jezt eben so sehr von Arbeiten angefallen bist als ich. Dafür solst du das Recht haben -- welches ich mir auch nehme und nehmen werde -- daß du deine Werke an mich, zu jeder Stunde auf eine Stunde, zum Gebrauche fodern darfst. Ich hab es20 unterstrichen, weil ich leider merke, daß du mir bisher so unter [der] Hand fast alles dein Eigenthum -- stiehlst; aber sei so gut und schicke mir wieder: 1. das über die Weiber -- 2. das alte über Fälbel -- 3. das Alte über den Hesperus -- 4. das neuere über Fixle[i]n -- und 5. das neueste hier, das ich schon morgen haben mus bei meinem25 Umarbeiten.
Ich bekomme allemal, das weis ich voraus, durch deine Urtheile über meine ernsthaften Skripturen eine sonderbare bittersüsse weh- müthige Stimmung, die aus der Freude über dich und deinen steigenden Werth, aus der Liebe zu deiner Liebe und gegen deine Moralität und30 aus der Freude über mich, aber auch aus dem Gefühle wie wenig noch meine Seele ist wie sie sein solte zusammenklingt. Ich bin dan unaus- sprechlich gerührt und vol Vorwürfe gegen mich und vol guter Ent- schlüsse. Hätt ich gestern geschrieben, so hättest du ein Freudelisches Klaglibel gegen den bösen Dämon in mir erhalten. Mein Hesperus35
113. An Chriſtian Otto.
[Hof, 21. Mai 1795]
Nims nicht übel, daß ich mir das Vergnügen, dein Büchlein über meines mehr als einmal und vernünftiger als das erſtemal zu leſen, heute dieſen Morgen nicht abbreche und daß ich es dir erſt mit meiner[79]5 Antwort und Dankſagung darauf übergebe. Adieu Lieber!
114. An Chriſtian Otto.
[Hof, 22. Mai 1795]
Sende mir doch den Brief von Roltſch durch Überbringer[i]n. Ich hab ihn geſtern mehr überſchauet als überleſen, weil er in die10 Schule kam.
115. An Chriſtian Otto.
Hof. d. 22 Mai 95.
Mein lieber Otto,
Du bezahleſt unter allen Leſern meine Novitäten am theuerſten —15 mit deiner Zeit und deiner Kraft, da du mir faſt eben ſo viel zurük- ſchreibſt als ich hin und da du jezt eben ſo ſehr von Arbeiten angefallen biſt als ich. Dafür ſolſt du das Recht haben — welches ich mir auch nehme und nehmen werde — daß du deine Werke an mich, zu jeder Stunde auf eine Stunde, zum Gebrauche fodern darfſt. Ich hab es20 unterſtrichen, weil ich leider merke, daß du mir bisher ſo unter [der] Hand faſt alles dein Eigenthum — ſtiehlſt; aber ſei ſo gut und ſchicke mir wieder: 1. das über die Weiber — 2. das alte über Fälbel — 3. das Alte über den Hesperus — 4. das neuere über Fixle[i]n — und 5. das neueſte hier, das ich ſchon morgen haben mus bei meinem25 Umarbeiten.
Ich bekomme allemal, das weis ich voraus, durch deine Urtheile über meine ernſthaften Skripturen eine ſonderbare bitterſüſſe weh- müthige Stimmung, die aus der Freude über dich und deinen ſteigenden Werth, aus der Liebe zu deiner Liebe und gegen deine Moralität und30 aus der Freude über mich, aber auch aus dem Gefühle wie wenig noch meine Seele iſt wie ſie ſein ſolte zuſammenklingt. Ich bin dan unaus- ſprechlich gerührt und vol Vorwürfe gegen mich und vol guter Ent- ſchlüſſe. Hätt ich geſtern geſchrieben, ſo hätteſt du ein Freudeliſches Klaglibel gegen den böſen Dämon in mir erhalten. Mein Hesperus35
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[85/0095]
113. An Chriſtian Otto.
[Hof, 21. Mai 1795]
Nims nicht übel, daß ich mir das Vergnügen, dein Büchlein über
meines mehr als einmal und vernünftiger als das erſtemal zu leſen,
heute dieſen Morgen nicht abbreche und daß ich es dir erſt mit meiner 5
Antwort und Dankſagung darauf übergebe. Adieu Lieber!
[79]
114. An Chriſtian Otto.
[Hof, 22. Mai 1795]
Sende mir doch den Brief von Roltſch durch Überbringer[i]n.
Ich hab ihn geſtern mehr überſchauet als überleſen, weil er in die 10
Schule kam.
115. An Chriſtian Otto.
Hof. d. 22 Mai 95.
Mein lieber Otto,
Du bezahleſt unter allen Leſern meine Novitäten am theuerſten — 15
mit deiner Zeit und deiner Kraft, da du mir faſt eben ſo viel zurük-
ſchreibſt als ich hin und da du jezt eben ſo ſehr von Arbeiten angefallen
biſt als ich. Dafür ſolſt du das Recht haben — welches ich mir auch
nehme und nehmen werde — daß du deine Werke an mich, zu jeder
Stunde auf eine Stunde, zum Gebrauche fodern darfſt. Ich hab es 20
unterſtrichen, weil ich leider merke, daß du mir bisher ſo unter [der]
Hand faſt alles dein Eigenthum — ſtiehlſt; aber ſei ſo gut und ſchicke
mir wieder: 1. das über die Weiber — 2. das alte über Fälbel —
3. das Alte über den Hesperus — 4. das neuere über Fixle[i]n —
und 5. das neueſte hier, das ich ſchon morgen haben mus bei meinem 25
Umarbeiten.
Ich bekomme allemal, das weis ich voraus, durch deine Urtheile
über meine ernſthaften Skripturen eine ſonderbare bitterſüſſe weh-
müthige Stimmung, die aus der Freude über dich und deinen ſteigenden
Werth, aus der Liebe zu deiner Liebe und gegen deine Moralität und 30
aus der Freude über mich, aber auch aus dem Gefühle wie wenig noch
meine Seele iſt wie ſie ſein ſolte zuſammenklingt. Ich bin dan unaus-
ſprechlich gerührt und vol Vorwürfe gegen mich und vol guter Ent-
ſchlüſſe. Hätt ich geſtern geſchrieben, ſo hätteſt du ein Freudeliſches
Klaglibel gegen den böſen Dämon in mir erhalten. Mein Hesperus 35
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/95>, abgerufen am 16.02.2025.
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