Von unserem Emanuel red' ich öfter als ich von ihm höre das heisset -- lese. Hat er noch Dinte und Feder und Finger? -- Doch hat er sein Herz; und an dieses immer geliebte bringen Sie meinen Grus.
Und einen ins unten gegenüberstehende Haus an die Ihrigen; denen ich noch den schönen Abend danke. Sagen Sie Ihrem H. Vater, es5 wäre mir weder auf dem höckerigen Vogtländischen Wege hieher noch durch alle Begebenheiten das Faktum aus dem Gedächtnis geschüttelt worden, daß ich bei ihm einen Karpfen gegessen und bei ihm so froh gewesen wie das Fischlein selber, als es noch in einem für dasselbe bessern Wasser als der Brühe schwam.10
Antworten Sie mir bald, meine geliebte Renate, und lauern Sie nicht erst auf meinen Geburtstag. An Ihrem wil ich abends in unserer Zauber- und Dämmerungsstunde an Sie und an alles, was ich nie vergesse, und an Ihre Wünsche denken; und weich und warm wird meine Seele die grösten für Sie thun, wie sie es jezt thut; und wir wollen15 immer sagen und denken: wir verändern uns nicht!
Gute Nacht, Liebe, Gute und grüsse deinen Christoph! --
Richter
407. An Christian Otto.
Weimar d. 28 Feb. 1800.20
Ich stehe vor dem Räthsel und es löset sich nicht. Was ist das, daß ich in diesem Jahre nichts von dir erhalte und erfahre? -- Ich habe[323] mir sogar furchtsame Erklärungen gemacht. Den 6ten gieng ein grosses Paquet eigner und fremder Briefe an dich ab. Auch Emanuel und Friederike sind stum. Und gerade jezt, in der Zeit euerer Ver-25 änderungen, seid ihrs. -- Ich wil aber mein Gefühl und mein Urtheil noch keine Gestalt gewinnen lassen, da das Schiksal so oft mit einem Heer von Zufälligkeiten einen Nebel um die einfachsten Handlungen zu ziehen weis.
Über meine C. hatt' ich einen neuen Straus mit Onkel und Bruder30 auszufechten; und ich erwarte jeden Tag die Siegesnachrichten. Sie wil an dich schreiben, sobald das Ende dieser Kriege es schiklich macht. Beinahe schick' ich dir ihr von ihr selber poussiertes Wachsbild, das sie Herdern gegeben.
Ich leg' einstweilen nur den Jacobischen Brief bei. (Hast du seinen35 gedrukten an Fichte gelesen?) Aus dem Briefe von Fichte meld ich dir
Von unſerem Emanuel red’ ich öfter als ich von ihm höre das heiſſet — leſe. Hat er noch Dinte und Feder und Finger? — Doch hat er ſein Herz; und an dieſes immer geliebte bringen Sie meinen Grus.
Und einen ins unten gegenüberſtehende Haus an die Ihrigen; denen ich noch den ſchönen Abend danke. Sagen Sie Ihrem H. Vater, es5 wäre mir weder auf dem höckerigen Vogtländiſchen Wege hieher noch durch alle Begebenheiten das Faktum aus dem Gedächtnis geſchüttelt worden, daß ich bei ihm einen Karpfen gegeſſen und bei ihm ſo froh geweſen wie das Fiſchlein ſelber, als es noch in einem für daſſelbe beſſern Waſſer als der Brühe ſchwam.10
Antworten Sie mir bald, meine geliebte Renate, und lauern Sie nicht erſt auf meinen Geburtstag. An Ihrem wil ich abends in unſerer Zauber- und Dämmerungsſtunde an Sie und an alles, was ich nie vergeſſe, und an Ihre Wünſche denken; und weich und warm wird meine Seele die gröſten für Sie thun, wie ſie es jezt thut; und wir wollen15 immer ſagen und denken: wir verändern uns nicht!
Gute Nacht, Liebe, Gute und grüſſe deinen Chriſtoph! —
Richter
407. An Chriſtian Otto.
Weimar d. 28 Feb. 1800.20
Ich ſtehe vor dem Räthſel und es löſet ſich nicht. Was iſt das, daß ich in dieſem Jahre nichts von dir erhalte und erfahre? — Ich habe[323] mir ſogar furchtſame Erklärungen gemacht. Den 6ten gieng ein groſſes Paquet eigner und fremder Briefe an dich ab. Auch Emanuel und Friederike ſind ſtum. Und gerade jezt, in der Zeit euerer Ver-25 änderungen, ſeid ihrs. — Ich wil aber mein Gefühl und mein Urtheil noch keine Geſtalt gewinnen laſſen, da das Schikſal ſo oft mit einem Heer von Zufälligkeiten einen Nebel um die einfachſten Handlungen zu ziehen weis.
Über meine C. hatt’ ich einen neuen Straus mit Onkel und Bruder30 auszufechten; und ich erwarte jeden Tag die Siegesnachrichten. Sie wil an dich ſchreiben, ſobald das Ende dieſer Kriege es ſchiklich macht. Beinahe ſchick’ ich dir ihr von ihr ſelber pouſſiertes Wachsbild, das ſie Herdern gegeben.
Ich leg’ einſtweilen nur den Jacobiſchen Brief bei. (Haſt du ſeinen35 gedrukten an Fichte geleſen?) Aus dem Briefe von Fichte meld ich dir
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Von unſerem Emanuel red’ ich öfter als ich von ihm höre das heiſſet
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Herz; und an dieſes immer geliebte bringen Sie meinen Grus.
Und einen ins unten gegenüberſtehende Haus an die Ihrigen; denen
ich noch den ſchönen Abend danke. Sagen Sie Ihrem H. Vater, es 5
wäre mir weder auf dem höckerigen Vogtländiſchen Wege hieher noch
durch alle Begebenheiten das Faktum aus dem Gedächtnis geſchüttelt
worden, daß ich bei ihm einen Karpfen gegeſſen und bei ihm ſo froh
geweſen wie das Fiſchlein ſelber, als es noch in einem für daſſelbe
beſſern Waſſer als der Brühe ſchwam. 10
Antworten Sie mir bald, meine geliebte Renate, und lauern Sie
nicht erſt auf meinen Geburtstag. An Ihrem wil ich abends in unſerer
Zauber- und Dämmerungsſtunde an Sie und an alles, was ich nie
vergeſſe, und an Ihre Wünſche denken; und weich und warm wird
meine Seele die gröſten für Sie thun, wie ſie es jezt thut; und wir wollen 15
immer ſagen und denken: wir verändern uns nicht!
Gute Nacht, Liebe, Gute und grüſſe deinen Chriſtoph! —
Richter
407. An Chriſtian Otto.
Weimar d. 28 Feb. 1800. 20
Ich ſtehe vor dem Räthſel und es löſet ſich nicht. Was iſt das, daß
ich in dieſem Jahre nichts von dir erhalte und erfahre? — Ich habe
mir ſogar furchtſame Erklärungen gemacht. Den 6ten gieng ein
groſſes Paquet eigner und fremder Briefe an dich ab. Auch Emanuel
und Friederike ſind ſtum. Und gerade jezt, in der Zeit euerer Ver- 25
änderungen, ſeid ihrs. — Ich wil aber mein Gefühl und mein Urtheil
noch keine Geſtalt gewinnen laſſen, da das Schikſal ſo oft mit einem
Heer von Zufälligkeiten einen Nebel um die einfachſten Handlungen zu
ziehen weis.
[323]
Über meine C. hatt’ ich einen neuen Straus mit Onkel und Bruder 30
auszufechten; und ich erwarte jeden Tag die Siegesnachrichten. Sie
wil an dich ſchreiben, ſobald das Ende dieſer Kriege es ſchiklich macht.
Beinahe ſchick’ ich dir ihr von ihr ſelber pouſſiertes Wachsbild, das
ſie Herdern gegeben.
Ich leg’ einſtweilen nur den Jacobiſchen Brief bei. (Haſt du ſeinen 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/313>, abgerufen am 18.06.2024.
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