Lieber, Guter! Recht erfreulich war mir ausser Ihrer Hand auch noch das was sie mir anmeldete. Gern theil' ich die Reise -- den un- wahrscheinlichen Fal des Regens ausgenommen --; nur müst' ich5 freilich ungefähr den Tag der Ankunft Ihres H. Schwagers wissen. Himmel! welchen Himmel hätten wir auf der Bahn und am Ziel und oben in der Herkules Keule, die ich in meinen biographischen Be- lustigungen so gut beschrieben, daß ich begierig bin, sie zu sehen.
Aber die gute Friederike müst' ich auf irgend eine Weise dan10 sehen. Mein Geschmak ist zwar durch vielerlei Bekantschaften ver-[390] wöhnt; aber mein Herz nicht. Freilich wie ich den J. P. kenne, so ist eher für sein Nein -- vielleicht auch bei Fr. -- zu wetten. -- Aber lauter Zufälle sind die Winde, die uns im unbestimten Meere des Lebens führen und schieben; und ich ärgere mich, daß ich dieser Regel15 untreu wurde und Ihrer Bitte zu bleiben nicht folgte.
Ihre Bücher bring' ich dan selber. "Der arme Man v. T[oggen- burg]" hat mich bezaubert, zumal im Tagebuch; er ist ein Dichter gegen den Prosaiker Bronner.
Leben Sie wohl, mein guter Bruder, wenn Sie es jezt in der Ein-20 samkeit vermögen! Tausend Dank für tausend Freuden, die Sie mir gaben und die mich am Ende bei meiner Untüchtigkeit zur Erwiederung beschämen! Gute Nacht Guter.
Richter
N. S. Seit ich H. Weissenborn gesprochen, ist freilich aus meinem25 Wunsche nach Cassel einer nach Erfurt geworden, um da 3 liebe Menschen zu finden.
506. An Karl Augustini (Böttiger) in Leipzig.
[Kopie][Weimar, 17. Aug. 1800]
Ihre Phantasie ist eine gut gefülte Montgolfiere, zu der Sie blos30 das Schwerste zu erfinden haben, die Kunst des Lenkens. Wenn Sie auf der durch die Volksmenge unwegsamen Autorbahn weitergehen: so bitt' ich Sie nicht Einen guten Autor nachzuahmen sondern alle, welches so viel ist als keinen -- nicht Portraits zu kopieren sondern Originale, deren jeder Mensch andere in sich trägt, anstat daß sonst35
(*)505. An Friedrich Schlichtegroll in Gotha.
Weimar d. 15. Aug. 1800.
Lieber, Guter! Recht erfreulich war mir auſſer Ihrer Hand auch noch das was ſie mir anmeldete. Gern theil’ ich die Reiſe — den un- wahrſcheinlichen Fal des Regens ausgenommen —; nur müſt’ ich5 freilich ungefähr den Tag der Ankunft Ihres H. Schwagers wiſſen. Himmel! welchen Himmel hätten wir auf der Bahn und am Ziel und oben in der Herkules Keule, die ich in meinen biographiſchen Be- luſtigungen ſo gut beſchrieben, daß ich begierig bin, ſie zu ſehen.
Aber die gute Friederike müſt’ ich auf irgend eine Weiſe dan10 ſehen. Mein Geſchmak iſt zwar durch vielerlei Bekantſchaften ver-[390] wöhnt; aber mein Herz nicht. Freilich wie ich den J. P. kenne, ſo iſt eher für ſein Nein — vielleicht auch bei Fr. — zu wetten. — Aber lauter Zufälle ſind die Winde, die uns im unbeſtimten Meere des Lebens führen und ſchieben; und ich ärgere mich, daß ich dieſer Regel15 untreu wurde und Ihrer Bitte zu bleiben nicht folgte.
Ihre Bücher bring’ ich dan ſelber. „Der arme Man v. T[oggen- burg]“ hat mich bezaubert, zumal im Tagebuch; er iſt ein Dichter gegen den Proſaiker Bronner.
Leben Sie wohl, mein guter Bruder, wenn Sie es jezt in der Ein-20 ſamkeit vermögen! Tauſend Dank für tauſend Freuden, die Sie mir gaben und die mich am Ende bei meiner Untüchtigkeit zur Erwiederung beſchämen! Gute Nacht Guter.
Richter
N. S. Seit ich H. Weiſſenborn geſprochen, iſt freilich aus meinem25 Wunſche nach Cassel einer nach Erfurt geworden, um da 3 liebe Menſchen zu finden.
506. An Karl Auguſtini (Böttiger) in Leipzig.
[Kopie][Weimar, 17. Aug. 1800]
Ihre Phantaſie iſt eine gut gefülte Montgolfiere, zu der Sie blos30 das Schwerſte zu erfinden haben, die Kunſt des Lenkens. Wenn Sie auf der durch die Volksmenge unwegſamen Autorbahn weitergehen: ſo bitt’ ich Sie nicht Einen guten Autor nachzuahmen ſondern alle, welches ſo viel iſt als keinen — nicht Portraits zu kopieren ſondern Originale, deren jeder Menſch andere in ſich trägt, anſtat daß ſonſt35
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(*)505. An Friedrich Schlichtegroll in Gotha.
Weimar d. 15. Aug. 1800.
Lieber, Guter! Recht erfreulich war mir auſſer Ihrer Hand auch
noch das was ſie mir anmeldete. Gern theil’ ich die Reiſe — den un-
wahrſcheinlichen Fal des Regens ausgenommen —; nur müſt’ ich 5
freilich ungefähr den Tag der Ankunft Ihres H. Schwagers wiſſen.
Himmel! welchen Himmel hätten wir auf der Bahn und am Ziel und
oben in der Herkules Keule, die ich in meinen biographiſchen Be-
luſtigungen ſo gut beſchrieben, daß ich begierig bin, ſie zu ſehen.
Aber die gute Friederike müſt’ ich auf irgend eine Weiſe dan 10
ſehen. Mein Geſchmak iſt zwar durch vielerlei Bekantſchaften ver-
wöhnt; aber mein Herz nicht. Freilich wie ich den J. P. kenne, ſo iſt
eher für ſein Nein — vielleicht auch bei Fr. — zu wetten. — Aber
lauter Zufälle ſind die Winde, die uns im unbeſtimten Meere des
Lebens führen und ſchieben; und ich ärgere mich, daß ich dieſer Regel 15
untreu wurde und Ihrer Bitte zu bleiben nicht folgte.
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Ihre Bücher bring’ ich dan ſelber. „Der arme Man v. T[oggen-
burg]“ hat mich bezaubert, zumal im Tagebuch; er iſt ein Dichter
gegen den Proſaiker Bronner.
Leben Sie wohl, mein guter Bruder, wenn Sie es jezt in der Ein- 20
ſamkeit vermögen! Tauſend Dank für tauſend Freuden, die Sie mir
gaben und die mich am Ende bei meiner Untüchtigkeit zur Erwiederung
beſchämen! Gute Nacht Guter.
Richter
N. S. Seit ich H. Weiſſenborn geſprochen, iſt freilich aus meinem 25
Wunſche nach Cassel einer nach Erfurt geworden, um da 3 liebe
Menſchen zu finden.
506. An Karl Auguſtini (Böttiger) in Leipzig.
[Weimar, 17. Aug. 1800]
Ihre Phantaſie iſt eine gut gefülte Montgolfiere, zu der Sie blos 30
das Schwerſte zu erfinden haben, die Kunſt des Lenkens. Wenn Sie
auf der durch die Volksmenge unwegſamen Autorbahn weitergehen:
ſo bitt’ ich Sie nicht Einen guten Autor nachzuahmen ſondern alle,
welches ſo viel iſt als keinen — nicht Portraits zu kopieren ſondern
Originale, deren jeder Menſch andere in ſich trägt, anſtat daß ſonſt 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/383>, abgerufen am 16.06.2024.
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