Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.ich meine Todes Schlaf-Gruft im Nordpol, wiewohl sie selber einer Ich hoffe, Sie sind mir eine Antwort schuldig, ausser der 2ten auf Sie könten und solten mir 100 Dinge von Otto und Amöne er-5 Einen Wahn, den der Jüngling am schwersten hergiebt, mus Leben Sie wohl, mein Geliebter! Auch schweigend bewahr' ich Ihr Richter d. 22. Aug. Mich freuets nicht so sehr daß ich heute Ihr Blat erhielt N. S. d. 27ten. Ich weis nicht, ob Sie es schon wissen, daß ich jezt ich meine Todes Schlaf-Gruft im Nordpol, wiewohl ſie ſelber einer Ich hoffe, Sie ſind mir eine Antwort ſchuldig, auſſer der 2ten auf Sie könten und ſolten mir 100 Dinge von Otto und Amöne er-5 Einen Wahn, den der Jüngling am ſchwerſten hergiebt, mus Leben Sie wohl, mein Geliebter! Auch ſchweigend bewahr’ ich Ihr Richter d. 22. Aug. Mich freuets nicht ſo ſehr daß ich heute Ihr Blat erhielt N. S. d. 27ten. Ich weis nicht, ob Sie es ſchon wiſſen, daß ich jezt <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0386" n="366"/> ich meine Todes Schlaf-Gruft im Nordpol, wiewohl ſie ſelber einer<lb/> iſt.</p><lb/> <p>Ich hoffe, Sie ſind mir eine Antwort ſchuldig, auſſer der 2<hi rendition="#sup">ten</hi> auf<lb/> dieſes.</p><lb/> <p>Sie könten und ſolten mir 100 Dinge von <hi rendition="#aq">Otto</hi> und <hi rendition="#aq">Amöne</hi> er-<lb n="5"/> <note place="left"><ref target="1922_Bd3_393">[393]</ref></note>zählen, die er vergiſſet oder verſchweigt. Und ſo von <hi rendition="#aq">Renate,</hi> meinem<lb/> lezten weiblichen Herbſtflor in <hi rendition="#aq">Ho<hi rendition="#b">f</hi>.</hi> Wie ein Kind ſehn’ ich mich oft<lb/> nach den alten Schaupläzen, wo ich ſo glüklich und ſo dum war.<lb/> Warum mus gerade ich jezt mit ſo vielem Verſtand behaftet ſein?<lb/> Womit hab ichs verſchuldet? —<lb n="10"/> </p> <p>Einen Wahn, den der Jüngling am ſchwerſten hergiebt, mus<lb/> man doch, um froher im Gebräude [!] des Schikſals mitzudienen,<lb/> am Ende abdanken, ich wil ihn den Kompletierungs- oder Total-<lb/> Wahn nennen. <hi rendition="#g">Halb</hi> — von Halbſtiefeln und halben Feiertagen<lb/> an bis zu den Halbgöttern hinauf — iſt hienieden — nicht alles,<lb n="15"/> das wär’ ein Seegen ſondern wenigſtens — die Hälfte des Thuns;<lb/> denn der andere Reſt iſt gar nur Scherbe und Splitter. Man mus es<lb/> ſich nicht verdrieſſen laſſen, daß man einen Lebensplan, ein Buch, eine<lb/> gute Handlung, ſeine eigne Beſſerung nur halb ausführen kan — alles<lb/> auf der Erde wird unterbrochen und nur Gott macht ſein Ganzes; und<lb n="20"/> man ſol daher in der Schöpfung der Segmente und Stummel und<lb/> Sektoren nicht las werden. Warlich ich ſchafte gern nur Hälften daher<lb/> mit einer — ehelichen; hätt’ ich leztere.</p><lb/> <p>Leben Sie wohl, mein Geliebter! Auch ſchweigend bewahr’ ich Ihr<lb/> Andenken mit ewiger Liebe in mir und in keiner Minute liebt’ ich Sie<lb n="25"/> ſeit unſerer Offenbarung je weniger als in der andern.</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> </salute> </closer><lb/> <postscript> <p>d. 22. Aug. Mich freuets nicht ſo ſehr daß ich heute Ihr Blat erhielt<lb/> als daß ich geſtern meines ſchrieb. Dank, mein Geliebter! <hi rendition="#g">Heß</hi> iſt ein<lb/> kränklich-ſanfter kernig-deutſcher Man; ich lieb’ ihn und ſeine Reiſen<lb n="30"/> ſehr; und er kent und liebt Sie noch mehr. —</p> </postscript><lb/> <postscript> <p>N. S. d. 27<hi rendition="#sup">ten</hi>. Ich weis nicht, ob Sie es ſchon wiſſen, daß ich jezt<lb/> langarmige Hoſen trage und ein ſchwarzes Galakleid mit ſchwarzem<lb/> Samtkragen, wodurch meine Figur ſich ungewöhnlich hebt und zeigt.<lb/> Ich verjünge mich täglich und werde bald, wenn ich nur aus den<lb n="35"/> Dreiſſigern bin, ein Zwanziger werden.</p> </postscript><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [366/0386]
ich meine Todes Schlaf-Gruft im Nordpol, wiewohl ſie ſelber einer
iſt.
Ich hoffe, Sie ſind mir eine Antwort ſchuldig, auſſer der 2ten auf
dieſes.
Sie könten und ſolten mir 100 Dinge von Otto und Amöne er- 5
zählen, die er vergiſſet oder verſchweigt. Und ſo von Renate, meinem
lezten weiblichen Herbſtflor in Hof. Wie ein Kind ſehn’ ich mich oft
nach den alten Schaupläzen, wo ich ſo glüklich und ſo dum war.
Warum mus gerade ich jezt mit ſo vielem Verſtand behaftet ſein?
Womit hab ichs verſchuldet? — 10
[393]Einen Wahn, den der Jüngling am ſchwerſten hergiebt, mus
man doch, um froher im Gebräude [!] des Schikſals mitzudienen,
am Ende abdanken, ich wil ihn den Kompletierungs- oder Total-
Wahn nennen. Halb — von Halbſtiefeln und halben Feiertagen
an bis zu den Halbgöttern hinauf — iſt hienieden — nicht alles, 15
das wär’ ein Seegen ſondern wenigſtens — die Hälfte des Thuns;
denn der andere Reſt iſt gar nur Scherbe und Splitter. Man mus es
ſich nicht verdrieſſen laſſen, daß man einen Lebensplan, ein Buch, eine
gute Handlung, ſeine eigne Beſſerung nur halb ausführen kan — alles
auf der Erde wird unterbrochen und nur Gott macht ſein Ganzes; und 20
man ſol daher in der Schöpfung der Segmente und Stummel und
Sektoren nicht las werden. Warlich ich ſchafte gern nur Hälften daher
mit einer — ehelichen; hätt’ ich leztere.
Leben Sie wohl, mein Geliebter! Auch ſchweigend bewahr’ ich Ihr
Andenken mit ewiger Liebe in mir und in keiner Minute liebt’ ich Sie 25
ſeit unſerer Offenbarung je weniger als in der andern.
Richter
d. 22. Aug. Mich freuets nicht ſo ſehr daß ich heute Ihr Blat erhielt
als daß ich geſtern meines ſchrieb. Dank, mein Geliebter! Heß iſt ein
kränklich-ſanfter kernig-deutſcher Man; ich lieb’ ihn und ſeine Reiſen 30
ſehr; und er kent und liebt Sie noch mehr. —
N. S. d. 27ten. Ich weis nicht, ob Sie es ſchon wiſſen, daß ich jezt
langarmige Hoſen trage und ein ſchwarzes Galakleid mit ſchwarzem
Samtkragen, wodurch meine Figur ſich ungewöhnlich hebt und zeigt.
Ich verjünge mich täglich und werde bald, wenn ich nur aus den 35
Dreiſſigern bin, ein Zwanziger werden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |