Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.14. An ? [16] [Kopie][Berlin, 29. (?) Okt. 1800]Die Merkels testimonia paupertatis und visa reperta, die er 15. An Karoline Mayer.5 B[erlin] d. 30. Okt. 1800.Schöne Seele! So unpartheiisch und kalt, als hätt' ich Sie nie Jede Liebe fodert eine, und die gröste die gröste. N. sezte durch seine10 Alles was Sie noch von N. sagen, bejahet meine Meinung. "Wer30 *) Denn sie an sich ist kein Verdienst sondern ein Genus; ausser durch Thaten
und Opfer.35 14. An ? [16] [Kopie][Berlin, 29. (?) Okt. 1800]Die 〈Merkels〉 testimonia paupertatis und visa reperta, die er 15. An Karoline Mayer.5 B[erlin] d. 30. Okt. 1800.Schöne Seele! So unpartheiiſch und kalt, als hätt’ ich Sie nie Jede Liebe fodert eine, und die gröſte die gröſte. N. ſezte durch ſeine10 Alles was Sie noch von N. ſagen, bejahet meine Meinung. „Wer30 *) Denn ſie an ſich iſt kein Verdienſt ſondern ein Genus; auſſer durch Thaten
und Opfer.35 <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0018" n="13"/> <div type="letter" n="1"> <head>14. An ? <note place="right"><ref target="1922_Bd4_16">[16]</ref></note></head><lb/> <note type="editorial">[Kopie]</note> <dateline> <hi rendition="#right">[Berlin, 29. (?) Okt. 1800]</hi> </dateline><lb/> <p>Die 〈Merkels〉 <hi rendition="#aq">testimonia paupertatis</hi> und <hi rendition="#aq">visa reperta,</hi> die er<lb/> ſich ſelbſt ausfertigt.</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>15. An <hi rendition="#g">Karoline Mayer.</hi><lb n="5"/> </head> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">B[erlin]</hi> d. 30. Okt. 1800.</hi> </dateline><lb/> <p>Schöne Seele! So unpartheiiſch und kalt, als hätt’ ich Sie nie<lb/> geſehen, wil ich Ihnen die Antwort meines Gewiſſens geben. Sie iſt:<lb/> Sie dürfen ſich trennen und Ihr H. Vater hat Recht.</p><lb/> <p>Jede Liebe fodert eine, und die gröſte die gröſte. N. ſezte durch ſeine<lb n="10"/> Ihre voraus; und hier iſt nur eine zweifache Wahl. Entweder Sie<lb/> ſezen durch die lange Ehe den <hi rendition="#g">Schein</hi> Ihrer Liebe fort — aber dieſe<lb/> lange zerrüttende Heuchelei kan die Moral nicht verlangen, ſondern<lb/> nur verbieten (und das Daſein der Liebe kan ſie nicht gebieten, da<lb/> Neigungen auſſer unſerer Wilkür liegen) ja der Gegenſtand ſelber<lb n="15"/> müſte ſich durch ein ſolches Opfer beleidigt finden — Oder Sie be-<lb/> kennen ihm den bisherigen Schein und die Schwierigkeit der Fort-<lb/> ſezung. Ein Weſen, das dan doch das liebe-beraubte Herz an ſich reiſſen<lb/> könte und das ſeine Befriedigung mit fremder Entbehrung erkaufte,<lb/> handelte in <hi rendition="#g">demſelben</hi> Augenblikke unmoraliſch und ſchiede ſich<lb n="20"/> alſo; denn <hi rendition="#g">einſeitige</hi> Liebe ertheilt keine Rechte<note place="foot" n="*)">Denn ſie an ſich iſt kein Verdienſt ſondern ein Genus; auſſer durch Thaten<lb/> und Opfer.<lb n="35"/> </note>; wie ſchlim wäre<lb/> ſonſt jede ſchöne Geſtalt daran! Blos einmal hatten Sie <hi rendition="#g">gefehlt</hi> —<lb/> und jeder Fehler zieht ſo lange Verwirrungen durch das Leben — daß<lb/> Sie nämlich nicht anfangs Ihr Herz dem N. gezeigt wie es war,<lb/> ſondern daß Sie ihn blos zum Arzte Ihres Herzens d. h. als Mittel<lb n="25"/> brauchten. Sie können kein Wort zu halten brauchen, das eine halbe<lb/> Unwahrheit war und das eine fortdauernde fodert. Wenn die Ehe ge-<lb/> ſchieden werden kan: ſo mus die Liebe noch leichter geſchieden werden<lb/> können.</p><lb/> <p>Alles was Sie noch von N. ſagen, bejahet meine Meinung. „Wer<lb n="30"/> feſt auf der Erde klebt und auf ihr ſeine Seeligkeit erwartet“ warlich<note place="right"><ref target="1922_Bd4_17">[17]</ref></note><lb/> dieſer verträgt eben leichter den Verluſt der ſchönern Seele als dieſe<lb/> den ewigen der hohen Liebe, ohne welche die Erde eine abgemähte Aue<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [13/0018]
14. An ?
[Berlin, 29. (?) Okt. 1800]
Die 〈Merkels〉 testimonia paupertatis und visa reperta, die er
ſich ſelbſt ausfertigt.
15. An Karoline Mayer. 5
B[erlin] d. 30. Okt. 1800.
Schöne Seele! So unpartheiiſch und kalt, als hätt’ ich Sie nie
geſehen, wil ich Ihnen die Antwort meines Gewiſſens geben. Sie iſt:
Sie dürfen ſich trennen und Ihr H. Vater hat Recht.
Jede Liebe fodert eine, und die gröſte die gröſte. N. ſezte durch ſeine 10
Ihre voraus; und hier iſt nur eine zweifache Wahl. Entweder Sie
ſezen durch die lange Ehe den Schein Ihrer Liebe fort — aber dieſe
lange zerrüttende Heuchelei kan die Moral nicht verlangen, ſondern
nur verbieten (und das Daſein der Liebe kan ſie nicht gebieten, da
Neigungen auſſer unſerer Wilkür liegen) ja der Gegenſtand ſelber 15
müſte ſich durch ein ſolches Opfer beleidigt finden — Oder Sie be-
kennen ihm den bisherigen Schein und die Schwierigkeit der Fort-
ſezung. Ein Weſen, das dan doch das liebe-beraubte Herz an ſich reiſſen
könte und das ſeine Befriedigung mit fremder Entbehrung erkaufte,
handelte in demſelben Augenblikke unmoraliſch und ſchiede ſich 20
alſo; denn einſeitige Liebe ertheilt keine Rechte *); wie ſchlim wäre
ſonſt jede ſchöne Geſtalt daran! Blos einmal hatten Sie gefehlt —
und jeder Fehler zieht ſo lange Verwirrungen durch das Leben — daß
Sie nämlich nicht anfangs Ihr Herz dem N. gezeigt wie es war,
ſondern daß Sie ihn blos zum Arzte Ihres Herzens d. h. als Mittel 25
brauchten. Sie können kein Wort zu halten brauchen, das eine halbe
Unwahrheit war und das eine fortdauernde fodert. Wenn die Ehe ge-
ſchieden werden kan: ſo mus die Liebe noch leichter geſchieden werden
können.
Alles was Sie noch von N. ſagen, bejahet meine Meinung. „Wer 30
feſt auf der Erde klebt und auf ihr ſeine Seeligkeit erwartet“ warlich
dieſer verträgt eben leichter den Verluſt der ſchönern Seele als dieſe
den ewigen der hohen Liebe, ohne welche die Erde eine abgemähte Aue
[17]
*) Denn ſie an ſich iſt kein Verdienſt ſondern ein Genus; auſſer durch Thaten
und Opfer. 35
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |