Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

Bild:
<< vorherige Seite
309. An Emanuel.

Eilig, da ich todt bin vom Briefstellern.

Eben wil ich das Paquet an Otto schliessen und Ihres kömt. Ich
habe wieder Freude über Ihre Freude an meiner; und so schlägt das5
schöne Echo ewig hin und her. Über das Bier hat Otto etwas zu sagen.
-- Im künftigen Jahre zieh ich entschieden Ihrem Brau- und eignen
Hause näher. -- Meine Frau blüht als wäre sie die Blüte, und nicht
der Stam derselben. Vielleicht schon im September trägt sie ihre
schöne Last schon am Herzen.10

Ich bin Ihnen verdamt viel Geld schuldig und ich wolte, ich könte
es wie meine meisten Schuldner machen, die mich passen lassen. Ich
harre auf Dosen und dergl., um abzutragen. -- Wie der Reichthum
furchtsam macht! Wenn ich nur 150 rtl. im Hause habe: ängstige ich
mich vor Zufällen und sorge, daß es nicht lange. Sonst gieng ich mit15
150 gr. in der Tasche kek durch alle Thore und hatte Mitleiden mit
armen Teufeln, sagte mir aber, sei demüthig. -- Ihr Gedanke über
Versöhnung in Liebe und in Freundschaft steht auch in den Mumien.
Leben Sie wohl, lieber Liebender! Gott gebe Ihnen d. h. andern viel
Freude!20

R.

N. S. Christ[ophs] Schenkung ist ja nur ein 1/4; die 3/4 gehören
den andern? Auch das Lob auf ihn ist Verwechslung. -- Finden nicht
viele die preussischen Feder-Eroberungen unrechtmässig, hingegen die
gallischen Degen-Eroberungen recht? Und doch ergänzt dort die Feder[196]25
den Degen, und hier der Degen die Feder. Ich bin mit diesem west-
phälischen Frieden ganz zufrieden. Ist einmal Krieg nöthig (d. h. ein
Staaten-Laster) so ist der friedliche mir der liebste. -- Als ich den
Brief an die Postmeisterin schrieb, waren warlich noch schöne und
dumme Zeiten. Das Dumme hass' ich jezt bitter und mich dazu.

30
Lieber lieber Emanuel,

Wenn das Verlangen nach einem Briefe von Ihnen meinen Mann überfiel,
dachte ich an meine Schuld, dachte an sie, und machte sie nicht wieder gut -- aber
jezt verzeih ich mir selbst leichter, weil meine Sorgen für die Zukunft wirklich recht
dringend sind, und ich nun einmal so eigensinnig bin, alles was ich für unser liebes35
Wesen bedarf selbst zu arbeiten, so sehr mein Mann mich zu fremder Hülfe treibt.
Ich lebe jezt blos dafür und bin unaussprechlich glüklich.

309. An Emanuel.

Eilig, da ich todt bin vom Briefſtellern.

Eben wil ich das Paquet an Otto ſchlieſſen und Ihres kömt. Ich
habe wieder Freude über Ihre Freude an meiner; und ſo ſchlägt das5
ſchöne Echo ewig hin und her. Über das Bier hat Otto etwas zu ſagen.
— Im künftigen Jahre zieh ich entſchieden Ihrem Brau- und eignen
Hauſe näher. — Meine Frau blüht als wäre ſie die Blüte, und nicht
der Stam derſelben. Vielleicht ſchon im September trägt ſie ihre
ſchöne Laſt ſchon am Herzen.10

Ich bin Ihnen verdamt viel Geld ſchuldig und ich wolte, ich könte
es wie meine meiſten Schuldner machen, die mich paſſen laſſen. Ich
harre auf Doſen und dergl., um abzutragen. — Wie der Reichthum
furchtſam macht! Wenn ich nur 150 rtl. im Hauſe habe: ängſtige ich
mich vor Zufällen und ſorge, daß es nicht lange. Sonſt gieng ich mit15
150 gr. in der Taſche kek durch alle Thore und hatte Mitleiden mit
armen Teufeln, ſagte mir aber, ſei demüthig. — Ihr Gedanke über
Verſöhnung in Liebe und in Freundſchaft ſteht auch in den Mumien.
Leben Sie wohl, lieber Liebender! Gott gebe Ihnen d. h. andern viel
Freude!20

R.

N. S. Christ[ophs] Schenkung iſt ja nur ein ¼; die ¾ gehören
den andern? Auch das Lob auf ihn iſt Verwechslung. — Finden nicht
viele die preuſſiſchen Feder-Eroberungen unrechtmäſſig, hingegen die
galliſchen Degen-Eroberungen recht? Und doch ergänzt dort die Feder[196]25
den Degen, und hier der Degen die Feder. Ich bin mit dieſem weſt-
phäliſchen Frieden ganz zufrieden. Iſt einmal Krieg nöthig (d. h. ein
Staaten-Laſter) ſo iſt der friedliche mir der liebſte. — Als ich den
Brief an die Poſtmeiſterin ſchrieb, waren warlich noch ſchöne und
dumme Zeiten. Das Dumme haſſ’ ich jezt bitter und mich dazu.

30
Lieber lieber Emanuel,

Wenn das Verlangen nach einem Briefe von Ihnen meinen Mann überfiel,
dachte ich an meine Schuld, dachte an ſie, und machte ſie nicht wieder gut — aber
jezt verzeih ich mir ſelbſt leichter, weil meine Sorgen für die Zukunft wirklich recht
dringend ſind, und ich nun einmal ſo eigenſinnig bin, alles was ich für unſer liebes35
Weſen bedarf ſelbſt zu arbeiten, ſo ſehr mein Mann mich zu fremder Hülfe treibt.
Ich lebe jezt blos dafür und bin unausſprechlich glüklich.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0182" n="175"/>
      <div type="letter" n="1">
        <div>
          <head>309. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">M[einingen] d. 10. Sept.</hi> 1802 [Freitag].</hi> </dateline><lb/>
          <p>Eilig, da ich todt bin vom Brief&#x017F;tellern.</p><lb/>
          <p>Eben wil ich das Paquet an <hi rendition="#aq">Otto</hi> &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en und Ihres kömt. Ich<lb/>
habe wieder Freude über Ihre Freude an meiner; und &#x017F;o &#x017F;chlägt das<lb n="5"/>
&#x017F;chöne Echo ewig hin und her. Über das Bier hat <hi rendition="#aq">Otto</hi> etwas zu &#x017F;agen.<lb/>
&#x2014; Im künftigen Jahre zieh ich ent&#x017F;chieden Ihrem Brau- und eignen<lb/>
Hau&#x017F;e näher. &#x2014; Meine Frau blüht als wäre &#x017F;ie die Blüte, und nicht<lb/>
der Stam der&#x017F;elben. Vielleicht &#x017F;chon im September trägt &#x017F;ie ihre<lb/>
&#x017F;chöne La&#x017F;t &#x017F;chon am Herzen.<lb n="10"/>
</p>
          <p>Ich bin Ihnen verdamt viel Geld &#x017F;chuldig und ich wolte, ich könte<lb/>
es wie meine mei&#x017F;ten Schuldner machen, die mich pa&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en. Ich<lb/>
harre auf Do&#x017F;en und dergl., um abzutragen. &#x2014; Wie der Reichthum<lb/>
furcht&#x017F;am macht! Wenn ich nur 150 rtl. im Hau&#x017F;e habe: äng&#x017F;tige ich<lb/>
mich vor Zufällen und &#x017F;orge, daß es nicht lange. Son&#x017F;t gieng ich mit<lb n="15"/>
150 gr. in der Ta&#x017F;che kek durch alle Thore und hatte Mitleiden mit<lb/>
armen Teufeln, &#x017F;agte mir aber, &#x017F;ei demüthig. &#x2014; Ihr Gedanke über<lb/>
Ver&#x017F;öhnung in Liebe und in Freund&#x017F;chaft &#x017F;teht auch in den Mumien.<lb/>
Leben Sie wohl, lieber Liebender! Gott gebe Ihnen d. h. andern viel<lb/>
Freude!<lb n="20"/>
</p>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#right">R.</hi> </salute>
          </closer><lb/>
          <postscript>
            <p>N. S. <hi rendition="#aq">Christ[ophs]</hi> Schenkung i&#x017F;t ja nur ein ¼; die ¾ gehören<lb/>
den andern? Auch das Lob auf ihn i&#x017F;t Verwechslung. &#x2014; Finden nicht<lb/>
viele die preu&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Feder-Eroberungen unrechtmä&#x017F;&#x017F;ig, hingegen die<lb/>
galli&#x017F;chen Degen-Eroberungen recht? Und doch ergänzt dort die Feder<note place="right"><ref target="1922_Bd4_196">[196]</ref></note><lb n="25"/>
den Degen, und hier der Degen die Feder. Ich bin mit die&#x017F;em we&#x017F;t-<lb/>
phäli&#x017F;chen Frieden ganz zufrieden. I&#x017F;t einmal Krieg nöthig (d. h. ein<lb/>
Staaten-La&#x017F;ter) &#x017F;o i&#x017F;t der friedliche mir der lieb&#x017F;te. &#x2014; Als ich den<lb/>
Brief an die Po&#x017F;tmei&#x017F;terin &#x017F;chrieb, waren warlich noch &#x017F;chöne und<lb/>
dumme Zeiten. Das Dumme ha&#x017F;&#x017F;&#x2019; ich jezt bitter und mich dazu.</p>
          </postscript>
        </div>
        <lb n="30"/>
        <div>
          <salute rendition="#smaller"> <hi rendition="#et">Lieber lieber Emanuel,</hi> </salute><lb/>
          <p rendition="#smaller">Wenn das Verlangen nach einem Briefe von Ihnen meinen Mann überfiel,<lb/>
dachte ich an meine Schuld, dachte an &#x017F;ie, und machte &#x017F;ie nicht wieder gut &#x2014; aber<lb/>
jezt verzeih ich mir &#x017F;elb&#x017F;t leichter, weil meine Sorgen für die Zukunft wirklich recht<lb/>
dringend &#x017F;ind, und ich nun einmal &#x017F;o eigen&#x017F;innig bin, alles was ich für un&#x017F;er liebes<lb n="35"/>
We&#x017F;en bedarf &#x017F;elb&#x017F;t zu arbeiten, &#x017F;o &#x017F;ehr mein Mann mich zu fremder Hülfe treibt.<lb/>
Ich lebe jezt blos dafür und bin unaus&#x017F;prechlich glüklich.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0182] 309. An Emanuel. M[einingen] d. 10. Sept. 1802 [Freitag]. Eilig, da ich todt bin vom Briefſtellern. Eben wil ich das Paquet an Otto ſchlieſſen und Ihres kömt. Ich habe wieder Freude über Ihre Freude an meiner; und ſo ſchlägt das 5 ſchöne Echo ewig hin und her. Über das Bier hat Otto etwas zu ſagen. — Im künftigen Jahre zieh ich entſchieden Ihrem Brau- und eignen Hauſe näher. — Meine Frau blüht als wäre ſie die Blüte, und nicht der Stam derſelben. Vielleicht ſchon im September trägt ſie ihre ſchöne Laſt ſchon am Herzen. 10 Ich bin Ihnen verdamt viel Geld ſchuldig und ich wolte, ich könte es wie meine meiſten Schuldner machen, die mich paſſen laſſen. Ich harre auf Doſen und dergl., um abzutragen. — Wie der Reichthum furchtſam macht! Wenn ich nur 150 rtl. im Hauſe habe: ängſtige ich mich vor Zufällen und ſorge, daß es nicht lange. Sonſt gieng ich mit 15 150 gr. in der Taſche kek durch alle Thore und hatte Mitleiden mit armen Teufeln, ſagte mir aber, ſei demüthig. — Ihr Gedanke über Verſöhnung in Liebe und in Freundſchaft ſteht auch in den Mumien. Leben Sie wohl, lieber Liebender! Gott gebe Ihnen d. h. andern viel Freude! 20 R. N. S. Christ[ophs] Schenkung iſt ja nur ein ¼; die ¾ gehören den andern? Auch das Lob auf ihn iſt Verwechslung. — Finden nicht viele die preuſſiſchen Feder-Eroberungen unrechtmäſſig, hingegen die galliſchen Degen-Eroberungen recht? Und doch ergänzt dort die Feder 25 den Degen, und hier der Degen die Feder. Ich bin mit dieſem weſt- phäliſchen Frieden ganz zufrieden. Iſt einmal Krieg nöthig (d. h. ein Staaten-Laſter) ſo iſt der friedliche mir der liebſte. — Als ich den Brief an die Poſtmeiſterin ſchrieb, waren warlich noch ſchöne und dumme Zeiten. Das Dumme haſſ’ ich jezt bitter und mich dazu. [196] 30 Lieber lieber Emanuel, Wenn das Verlangen nach einem Briefe von Ihnen meinen Mann überfiel, dachte ich an meine Schuld, dachte an ſie, und machte ſie nicht wieder gut — aber jezt verzeih ich mir ſelbſt leichter, weil meine Sorgen für die Zukunft wirklich recht dringend ſind, und ich nun einmal ſo eigenſinnig bin, alles was ich für unſer liebes 35 Weſen bedarf ſelbſt zu arbeiten, ſo ſehr mein Mann mich zu fremder Hülfe treibt. Ich lebe jezt blos dafür und bin unausſprechlich glüklich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/182
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/182>, abgerufen am 21.11.2024.