Sie sich ganz zu einem Pariser, treten Sie dieser glatten Seite des Menschen Vieleks recht nahe und schleifen sich am glatten Stein wie nördlicher am rauhen. Auf der Erde hat alles Werth. Egoismus und Wollust sind die 2 gewöhnlichen Geschenke der Grosstädte; aber Paris giebt mit diesen vielleicht zugleich den Ekel dazu. -- Vor einigen Tagen5 schrieb ich an den Herzog eine erhörte Bitschrift für den Spiz in dessen Namen, weil er mit seiner ganzen Genossenschaft in Stadtarrest gethan war und nicht übers Thor hinaus mit mir solte. Jezt läuft er [203]wieder. -- Der 4te Titan ist nach Berlin, er ist ohne Makel und darin solt Ihr Italien finden. Der 5te reisset die Menschen hin und macht10 sie wüthend durch Historie. -- Der Cottaische Almanach hat sich von mir einen Aufsaz erbettelt, worin ich in einem Schreiben an den Herausgeber meine Ursachen sage, warum ich ihm keinen für seinen Kalender liefern kan. -- Auf Ihre Laufbahn bin ich begierig, wiewohl ich die pariser nicht für die rechte halte. Leben Sie wohl! Bleiben Sie15 mir und sich gut!
R.
Spiz grüst. -- Auch C. -- Himmel! wenn Sie einmal mein blau- äugiges Töchterlein -- mit meiner Frau Näsgen, sonst alles von mir -- sehen werden! Weiter sag ich nichts!20
[Adr.] H. Paul Thieriot (dessen Herrn Bruder ich für alle Mit- theilungen danke) Paris. d. 2. E.
317. An Geheimrat Mayer.
Meiningen d. 22. Sept. 1802 [Mittwoch].
Verehrtester Vater! Eine Freude, die Sie bisher allein hatten,25 theil' ich nun mit Ihnen, die über eine Tochter. Am Montag Mittags um 11 Uhr gab mir und sich meine Caroline die zweite Caroline, eine gesunde, kräftige und schöne. Auch hierin ist noch die Mutter ihr Vor- bild. (Ich schreibe eilig, weil ich jezt an so viele schreibe.) Vielleicht gab es nie einen regelmässigern Körper um eine weibliche Seele als30 meiner Frau ihrer ist. Der Entbindungstag ist so heilig und rührend -- und vielleicht noch mehr -- als der Hochzeittag.
Ich und Caroline bitten nun, daß Sie die Tochter Ihrer Tochter zu Ihrer erheben und ihr geistlicher Vater am Taufstein werden. Sobald meine Frau darf -- was viel später ist als das Können --35 so wird sie diese Bitte an Sie sowie an ihre Tanten wiederholen.
Sie ſich ganz zu einem Pariſer, treten Sie dieſer glatten Seite des Menſchen Vieleks recht nahe und ſchleifen ſich am glatten Stein wie nördlicher am rauhen. Auf der Erde hat alles Werth. Egoiſmus und Wolluſt ſind die 2 gewöhnlichen Geſchenke der Grosſtädte; aber Paris giebt mit dieſen vielleicht zugleich den Ekel dazu. — Vor einigen Tagen5 ſchrieb ich an den Herzog eine erhörte Bitſchrift für den Spiz in deſſen Namen, weil er mit ſeiner ganzen Genoſſenſchaft in Stadtarreſt gethan war und nicht übers Thor hinaus mit mir ſolte. Jezt läuft er [203]wieder. — Der 4te Titan iſt nach Berlin, er iſt ohne Makel und darin ſolt Ihr Italien finden. Der 5te reiſſet die Menſchen hin und macht10 ſie wüthend durch Hiſtorie. — Der Cottaiſche Almanach hat ſich von mir einen Aufſaz erbettelt, worin ich in einem Schreiben an den Herausgeber meine Urſachen ſage, warum ich ihm keinen für ſeinen Kalender liefern kan. — Auf Ihre Laufbahn bin ich begierig, wiewohl ich die pariſer nicht für die rechte halte. Leben Sie wohl! Bleiben Sie15 mir und ſich gut!
R.
Spiz grüſt. — Auch C. — Himmel! wenn Sie einmal mein blau- äugiges Töchterlein — mit meiner Frau Näsgen, ſonſt alles von mir — ſehen werden! Weiter ſag ich nichts!20
[Adr.] H. Paul Thieriot (deſſen Herrn Bruder ich für alle Mit- theilungen danke) Paris. d. 2. E.
317. An Geheimrat Mayer.
Meiningen d. 22. Sept. 1802 [Mittwoch].
Verehrteſter Vater! Eine Freude, die Sie bisher allein hatten,25 theil’ ich nun mit Ihnen, die über eine Tochter. Am Montag Mittags um 11 Uhr gab mir und ſich meine Caroline die zweite Caroline, eine geſunde, kräftige und ſchöne. Auch hierin iſt noch die Mutter ihr Vor- bild. (Ich ſchreibe eilig, weil ich jezt an ſo viele ſchreibe.) Vielleicht gab es nie einen regelmäſſigern Körper um eine weibliche Seele als30 meiner Frau ihrer iſt. Der Entbindungstag iſt ſo heilig und rührend — und vielleicht noch mehr — als der Hochzeittag.
Ich und Caroline bitten nun, daß Sie die Tochter Ihrer Tochter zu Ihrer erheben und ihr geiſtlicher Vater am Taufſtein werden. Sobald meine Frau darf — was viel ſpäter iſt als das Können —35 ſo wird ſie dieſe Bitte an Sie ſowie an ihre Tanten wiederholen.
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nördlicher am rauhen. Auf der Erde hat alles Werth. Egoiſmus und
Wolluſt ſind die 2 gewöhnlichen Geſchenke der Grosſtädte; aber Paris
giebt mit dieſen vielleicht zugleich den Ekel dazu. — Vor einigen Tagen 5
ſchrieb ich an den Herzog eine erhörte Bitſchrift für den Spiz in deſſen
Namen, weil er mit ſeiner ganzen Genoſſenſchaft in Stadtarreſt
gethan war und nicht übers Thor hinaus mit mir ſolte. Jezt läuft er
wieder. — Der 4te Titan iſt nach Berlin, er iſt ohne Makel und darin
ſolt Ihr Italien finden. Der 5te reiſſet die Menſchen hin und macht 10
ſie wüthend durch Hiſtorie. — Der Cottaiſche Almanach hat ſich von
mir einen Aufſaz erbettelt, worin ich in einem Schreiben an den
Herausgeber meine Urſachen ſage, warum ich ihm keinen für ſeinen
Kalender liefern kan. — Auf Ihre Laufbahn bin ich begierig, wiewohl
ich die pariſer nicht für die rechte halte. Leben Sie wohl! Bleiben Sie 15
mir und ſich gut!
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R.
Spiz grüſt. — Auch C. — Himmel! wenn Sie einmal mein blau-
äugiges Töchterlein — mit meiner Frau Näsgen, ſonſt alles von
mir — ſehen werden! Weiter ſag ich nichts! 20
[Adr.] H. Paul Thieriot (deſſen Herrn Bruder ich für alle Mit-
theilungen danke) Paris. d. 2. E.
317. An Geheimrat Mayer.
Meiningen d. 22. Sept. 1802 [Mittwoch].
Verehrteſter Vater! Eine Freude, die Sie bisher allein hatten, 25
theil’ ich nun mit Ihnen, die über eine Tochter. Am Montag Mittags
um 11 Uhr gab mir und ſich meine Caroline die zweite Caroline, eine
geſunde, kräftige und ſchöne. Auch hierin iſt noch die Mutter ihr Vor-
bild. (Ich ſchreibe eilig, weil ich jezt an ſo viele ſchreibe.) Vielleicht
gab es nie einen regelmäſſigern Körper um eine weibliche Seele als 30
meiner Frau ihrer iſt. Der Entbindungstag iſt ſo heilig und rührend —
und vielleicht noch mehr — als der Hochzeittag.
Ich und Caroline bitten nun, daß Sie die Tochter Ihrer Tochter
zu Ihrer erheben und ihr geiſtlicher Vater am Taufſtein werden.
Sobald meine Frau darf — was viel ſpäter iſt als das Können — 35
ſo wird ſie dieſe Bitte an Sie ſowie an ihre Tanten wiederholen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/189>, abgerufen am 17.07.2024.
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