Noch sind Ihre Antworten nicht aus Rudolstadt da, als wäre lezteres -- Bayreuth. So sol denn diese laufen, Lieber. Ich hätte gern eine Zeile Ihres Herzens gelesen -- und ich hoffe, Sie antizipieren Ihre eigne erste Antwort und schreiben mir früher als ich etwas von5 Ihnen bekomme aus -- R. Machen Sie doch einmal -- damit Sie auch zeigen, daß Sie uneigennüzig sein und Ihr Selbst vergessen können -- Ihr Freundes Paar mit lezterem (dem Selbste) bekanter, mit Ihrer Gesundheit im Winter, mit Ihren Visiten, Feten, Freuden, Re- und Evoluzionen und sogar Ihren Hofnungen. Guter Emanuel,10 aus demselben Grunde, warum Sie die fremde Geschichte mit Liebe empfangen und fodern, mus ja Ihr Freund Ihre auch. Ihr Karakter schwebt fast ohne Geschichte vor uns, der Geist entkörpert.
Die Millionen Dinge, die ich zu erzählen habe, sollen Sie in[226] Koburg in Ihrer Stube hören; z. B. daß Emma seit meiner 10tägigen15 Abwesenheit zehnmal stärker geworden und ruhiger und daß alle Prinzipien der Behandlung, Kaltwaschen, Liegenlassen u. s. w. götlich gesiegt. Das zarte Wesen ist nun ein starkes, durch Regeln. Ich tanze sehr mit ihm in der Stube, nur hab' ich die Tänzerin nicht im sondern aufm Arm. -- Hier giebts keine Neuigkeiten als die meiner Brust;20 und diese lass' ich meist zu Ostern verlegen für Spot-Geld. Sagen Sie mir doch einmal scharf und rein Ihre Gefühle bei dem Titan; -- ich sage nicht Urtheile, denn über die Kunst giebts keine; zwar wohl über die Form; aber über den Geist nicht, den nur ein Gefühl um-auf-fasset. -- Was wird eben in Bayreuth, Hof, Wonsiedel,25 Meisterliches für Poesie, Philosophie, Gottheit, Teufelheit gethan? Was thut und macht mein lieber Thieriot? --
Gute Nacht, mein Alter! -- Nur gerade das Bier an Meusel, mit dem Anhang Foderung der Extrapost Sorge. Ich hab ihn belohnt; auch thut er jezt alles, weil ich hinziehe. Adio, Caro.30
Die Schlabrendorf grüsset Sie eben sehr. Ihr Brief gefiel ihr.
d. 16 Febr.
Eben kam Ihr neuester Brief. C. wird fortfahren. Ich grüsse Otto und werde seinen Brief, der nicht ganz so lang war als er ausblieb, umgekehrt beantworten.35
Noch 3 Wochen lang ich mit dem Bier nothdürftig.
d. 15. Febr.
Noch ſind Ihre Antworten nicht aus Rudolſtadt da, als wäre lezteres — Bayreuth. So ſol denn dieſe laufen, Lieber. Ich hätte gern eine Zeile Ihres Herzens geleſen — und ich hoffe, Sie antizipieren Ihre eigne erſte Antwort und ſchreiben mir früher als ich etwas von5 Ihnen bekomme aus — R. Machen Sie doch einmal — damit Sie auch zeigen, daß Sie uneigennüzig ſein und Ihr Selbſt vergeſſen können — Ihr Freundes Paar mit lezterem (dem Selbſte) bekanter, mit Ihrer Geſundheit im Winter, mit Ihren Viſiten, Fêten, Freuden, Re- und Evoluzionen und ſogar Ihren Hofnungen. Guter Emanuel,10 aus demſelben Grunde, warum Sie die fremde Geſchichte mit Liebe empfangen und fodern, mus ja Ihr Freund Ihre auch. Ihr Karakter ſchwebt faſt ohne Geſchichte vor uns, der Geiſt entkörpert.
Die Millionen Dinge, die ich zu erzählen habe, ſollen Sie in[226] Koburg in Ihrer Stube hören; z. B. daß Emma ſeit meiner 10tägigen15 Abweſenheit zehnmal ſtärker geworden und ruhiger und daß alle Prinzipien der Behandlung, Kaltwaſchen, Liegenlaſſen u. ſ. w. götlich geſiegt. Das zarte Weſen iſt nun ein ſtarkes, durch Regeln. Ich tanze ſehr mit ihm in der Stube, nur hab’ ich die Tänzerin nicht im ſondern aufm Arm. — Hier giebts keine Neuigkeiten als die meiner Bruſt;20 und dieſe laſſ’ ich meiſt zu Oſtern verlegen für Spot-Geld. Sagen Sie mir doch einmal ſcharf und rein Ihre Gefühle bei dem Titan; — ich ſage nicht Urtheile, denn über die Kunſt giebts keine; zwar wohl über die Form; aber über den Geiſt nicht, den nur ein Gefühl um-〈auf-〉faſſet. — Was wird eben in Bayreuth, Hof, Wonsiedel,25 Meiſterliches für Poeſie, Philoſophie, Gottheit, Teufelheit gethan? Was thut und macht mein lieber Thieriot? —
Gute Nacht, mein Alter! — Nur gerade das Bier an Meusel, mit dem Anhang 〈Foderung〉 der Extrapoſt 〈Sorge〉. Ich hab ihn belohnt; auch thut er jezt alles, weil ich hinziehe. Adio, Caro.30
Die Schlabrendorf grüſſet Sie eben ſehr. Ihr Brief gefiel ihr.
d. 16 Febr.
Eben kam Ihr neueſter Brief. C. wird fortfahren. Ich grüſſe Otto und werde ſeinen Brief, der nicht ganz ſo lang war als er ausblieb, umgekehrt beantworten.35
Noch 3 Wochen lang ich mit dem Bier nothdürftig.
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gern eine Zeile Ihres Herzens geleſen — und ich hoffe, Sie antizipieren
Ihre eigne erſte Antwort und ſchreiben mir früher als ich etwas von 5
Ihnen bekomme aus — R. Machen Sie doch einmal — damit Sie
auch zeigen, daß Sie uneigennüzig ſein und Ihr Selbſt vergeſſen
können — Ihr Freundes Paar mit lezterem (dem Selbſte) bekanter,
mit Ihrer Geſundheit im Winter, mit Ihren Viſiten, Fêten, Freuden,
Re- und Evoluzionen und ſogar Ihren Hofnungen. Guter Emanuel, 10
aus demſelben Grunde, warum Sie die fremde Geſchichte mit Liebe
empfangen und fodern, mus ja Ihr Freund Ihre auch. Ihr Karakter
ſchwebt faſt ohne Geſchichte vor uns, der Geiſt entkörpert.
Die Millionen Dinge, die ich zu erzählen habe, ſollen Sie in
Koburg in Ihrer Stube hören; z. B. daß Emma ſeit meiner 10tägigen 15
Abweſenheit zehnmal ſtärker geworden und ruhiger und daß alle
Prinzipien der Behandlung, Kaltwaſchen, Liegenlaſſen u. ſ. w. götlich
geſiegt. Das zarte Weſen iſt nun ein ſtarkes, durch Regeln. Ich tanze
ſehr mit ihm in der Stube, nur hab’ ich die Tänzerin nicht im ſondern
aufm Arm. — Hier giebts keine Neuigkeiten als die meiner Bruſt; 20
und dieſe laſſ’ ich meiſt zu Oſtern verlegen für Spot-Geld. Sagen
Sie mir doch einmal ſcharf und rein Ihre Gefühle bei dem Titan;
— ich ſage nicht Urtheile, denn über die Kunſt giebts keine; zwar
wohl über die Form; aber über den Geiſt nicht, den nur ein Gefühl
um-〈auf-〉faſſet. — Was wird eben in Bayreuth, Hof, Wonsiedel, 25
Meiſterliches für Poeſie, Philoſophie, Gottheit, Teufelheit gethan?
Was thut und macht mein lieber Thieriot? —
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Gute Nacht, mein Alter! — Nur gerade das Bier an Meusel,
mit dem Anhang 〈Foderung〉 der Extrapoſt 〈Sorge〉. Ich hab ihn
belohnt; auch thut er jezt alles, weil ich hinziehe. Adio, Caro. 30
Die Schlabrendorf grüſſet Sie eben ſehr. Ihr Brief gefiel ihr.
d. 16 Febr.
Eben kam Ihr neueſter Brief. C. wird fortfahren. Ich grüſſe Otto
und werde ſeinen Brief, der nicht ganz ſo lang war als er ausblieb,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/210>, abgerufen am 16.02.2025.
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