Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.
lucendo übersezt haben. Solche Gedichte kan man nicht profanieren Ein herlicher, aus Hessen gebürtiger hier privatisierender 12jähriger ausstreichen blos um Ihnen die Freude eines längeren Lesens nicht zu entziehen, aber nein!] Aber die Allegorie! -- Emma'n solten Sie jezt fröhlich laufen ja singend tanzen sehen *) Schillers ästhetische Abhandlungen, die ich sonst bewunderte, find' ich jezt schön und leer. **) Es ist nur ein künstliches minimum, was gar nicht im Objekte zu sein
braucht; aber wie sollen Sie mich verstehen?
lucendo〉 überſezt haben. Solche Gedichte kan man nicht profanieren Ein herlicher, aus Heſſen gebürtiger hier privatiſierender 12jähriger ausſtreichen blos um Ihnen die Freude eines längeren Leſens nicht zu entziehen, aber nein!] Aber die Allegorie! — Emma’n ſolten Sie jezt fröhlich laufen ja ſingend tanzen ſehen *) Schillers äſthetiſche Abhandlungen, die ich ſonſt bewunderte, find’ ich jezt ſchön und leer. **) Es iſt nur ein künſtliches minimum, was gar nicht im Objekte zu ſein
braucht; aber wie ſollen Sie mich verſtehen? <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><hi rendition="#aq"><pb facs="#f0275" n="263"/> lucendo</hi>〉 überſezt haben. Solche Gedichte kan man nicht profanieren<lb/> wie die Schillerſchen, die zugleich der Menge und ihrem Gegenſaze<lb/> zuſagen; denn jene werden nur geliebt und nur verworfen, nie nach-<lb/> gebetet. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Spazieren</hi></hi> ſchlug ich blos das Loben vor, und er legte <hi rendition="#g">mir</hi><lb/> es auf.<lb n="5"/> </p> <p>Ein herlicher, aus Heſſen gebürtiger hier privatiſierender 12jähriger<lb/> Junge und 4jähriger Geiger erwirbt hier jeden Beifal und — Wunſch,<lb/> daß Sie ihn zu Ihrem Apoſtel annähmen für Geld — wie? Ich hört’<lb/> ihn geigen; freilich ſah ich ihn auch geigen; denn er bewegte ſehr den<lb/> Ober-Arm, was unerlaubt.<lb n="10"/> </p> <note type="editorial">[<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">mit dicken Bogenlinien ausgestrichen:</hi></hi> <hi rendition="#g">Ich wolte mehreres<lb/> ausſtreichen blos um Ihnen die Freude eines <hi rendition="#b">längeren</hi><lb/> Leſens nicht zu entziehen, aber nein!</hi>]</note> <p>Aber die Allegorie!<lb/> Proſa und Poeſie, gerade und bogige Linie und beide einander auf-<lb/> hebend! — Meine „Vorleſungen“ halten erſt auf dem 8<hi rendition="#sup">ten</hi> Druk-<lb n="15"/> Bogen und in der Definizion des Lächerlichen, das — wenn von mir<lb/> gegen Kant und ſeinen Nachdenker Schiller<note place="foot" n="*)">Schillers äſthetiſche Abhandlungen, die ich ſonſt bewunderte, find’ ich jezt<lb/> ſchön und leer.</note> das Erhabne als <hi rendition="#g">ange-<lb n="35"/> wandtes Unendliches</hi> 〈Vernunft〉 definiert iſt — nur ein <hi rendition="#g">ſinliches</hi><lb/> 〈angewandtes〉 <hi rendition="#g">Unverſtändiges</hi> 〈Un-Verſtand〉 〈Endlichkeit〉<note place="foot" n="**)">Es iſt nur ein künſtliches <hi rendition="#aq">minimum,</hi> was gar nicht im Objekte zu ſein<lb/> braucht; aber wie ſollen Sie mich verſtehen?</note><lb/> ſein kan. Ich habe viel zu widerlegen. Das Werk wird ſtark, drängt<lb n="20"/> ſich aber auf einmal mit allen Gliedern ins Sein. Nach dem Kapitel<note place="right"><ref target="1922_Bd4_294">[294]</ref></note><lb/> über die Griechen würden Sie kaum glauben, daß ein Kapitel über<lb/> das Romantiſche kommen könte; allein doch! — Warlich ich nähme<lb/> darein eine ſcharfe <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">benante</hi></hi> 〈benamſete〉 Kritik des Titans von Ihnen<lb/> gegen Geld auf, das Sie bekämen, wenn Sie wolten! Denn ich hätte<lb n="25"/> Gelegenheit einmal über dieſes Werk antiphonierend recht zu reden,<lb/> deſſen Fokus noch nicht einleuchten und einbrennen wil. Freund,<lb/> ſchreibt! — Ihren Anti-Voß ſchrieben einige 〈<hi rendition="#aq">Ortlof</hi>〉 Schloſſern zu.</p><lb/> <p>— <hi rendition="#aq">Emma</hi>’n ſolten Sie jezt fröhlich laufen ja ſingend tanzen ſehen<lb/> nach dem Klavier und reden hören z. B. <hi rendition="#aq">Spiten</hi> ſtat Spiz, Päpä ſtat<lb n="30"/> Papier, Bröd ſtat Brod, <hi rendition="#aq">äh äh</hi> ſtat 2<hi rendition="#sup">er</hi> optiſcher Sachen; vieles aber<lb/> ſpricht ſie korrekt. Sie iſt nun ſo korrekt und herlich und ſonſt, daß ſie<lb/> bei dem Vater ⅓ Tags ſein mus, auch wenn der trefliche arbeitet.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [263/0275]
lucendo〉 überſezt haben. Solche Gedichte kan man nicht profanieren
wie die Schillerſchen, die zugleich der Menge und ihrem Gegenſaze
zuſagen; denn jene werden nur geliebt und nur verworfen, nie nach-
gebetet. Spazieren ſchlug ich blos das Loben vor, und er legte mir
es auf. 5
Ein herlicher, aus Heſſen gebürtiger hier privatiſierender 12jähriger
Junge und 4jähriger Geiger erwirbt hier jeden Beifal und — Wunſch,
daß Sie ihn zu Ihrem Apoſtel annähmen für Geld — wie? Ich hört’
ihn geigen; freilich ſah ich ihn auch geigen; denn er bewegte ſehr den
Ober-Arm, was unerlaubt. 10
Aber die Allegorie!
Proſa und Poeſie, gerade und bogige Linie und beide einander auf-
hebend! — Meine „Vorleſungen“ halten erſt auf dem 8ten Druk- 15
Bogen und in der Definizion des Lächerlichen, das — wenn von mir
gegen Kant und ſeinen Nachdenker Schiller *) das Erhabne als ange- 35
wandtes Unendliches 〈Vernunft〉 definiert iſt — nur ein ſinliches
〈angewandtes〉 Unverſtändiges 〈Un-Verſtand〉 〈Endlichkeit〉 **)
ſein kan. Ich habe viel zu widerlegen. Das Werk wird ſtark, drängt 20
ſich aber auf einmal mit allen Gliedern ins Sein. Nach dem Kapitel
über die Griechen würden Sie kaum glauben, daß ein Kapitel über
das Romantiſche kommen könte; allein doch! — Warlich ich nähme
darein eine ſcharfe benante 〈benamſete〉 Kritik des Titans von Ihnen
gegen Geld auf, das Sie bekämen, wenn Sie wolten! Denn ich hätte 25
Gelegenheit einmal über dieſes Werk antiphonierend recht zu reden,
deſſen Fokus noch nicht einleuchten und einbrennen wil. Freund,
ſchreibt! — Ihren Anti-Voß ſchrieben einige 〈Ortlof〉 Schloſſern zu.
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— Emma’n ſolten Sie jezt fröhlich laufen ja ſingend tanzen ſehen
nach dem Klavier und reden hören z. B. Spiten ſtat Spiz, Päpä ſtat 30
Papier, Bröd ſtat Brod, äh äh ſtat 2er optiſcher Sachen; vieles aber
ſpricht ſie korrekt. Sie iſt nun ſo korrekt und herlich und ſonſt, daß ſie
bei dem Vater ⅓ Tags ſein mus, auch wenn der trefliche arbeitet.
*) Schillers äſthetiſche Abhandlungen, die ich ſonſt bewunderte, find’ ich jezt
ſchön und leer.
**) Es iſt nur ein künſtliches minimum, was gar nicht im Objekte zu ſein
braucht; aber wie ſollen Sie mich verſtehen?
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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