Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.noch den markigen Kern. Du soltest ihn frei lesen. (Es ist schwerer die Mich erquikt diese Schreiberei, weil ich keine Seele habe, an die[27] d. 23 Nov.10 Dasmal kanst du mir Glük wünschen, weil ichs habe -- nämlich eine Jezt nur einige Antwort auf deine! Ich schmachte nach einem "Die wunderbare Neujahrnachts-Geselschaft" sende mir wieder Baggesens Schreiberei über den Titan hat mich geärgert, zumal *) Nun fechte man noch meine Autor-Reminißenzen, die eigentlich Oblivionen35
sind, mir an. noch den markigen Kern. Du ſolteſt ihn frei leſen. (Es iſt ſchwerer die Mich erquikt dieſe Schreiberei, weil ich keine Seele habe, an die[27] d. 23 Nov.10 Dasmal kanſt du mir Glük wünſchen, weil ichs habe — nämlich eine Jezt nur einige Antwort auf deine! Ich ſchmachte nach einem „Die wunderbare Neujahrnachts-Geſelſchaft“ ſende mir wieder Baggesens Schreiberei über den Titan hat mich geärgert, zumal *) Nun fechte man noch meine Autor-Reminiſzenzen, die eigentlich Oblivionen35
ſind, mir an. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0029" n="23"/> noch den markigen Kern. Du ſolteſt ihn frei leſen. (Es iſt ſchwerer die<lb/> neueſten Philoſophen ſo unbefangen wie alte zu leſen als umgekehrt<lb/> alte als neue) Sein Unterſchied von dir iſt (glaub ich) daß er das<lb/> Unendliche nicht individualiſiert, was doch immer menſchlicher iſt<lb/> als das Umgekehrte, die Individualität ins Unendliche zu zerlaſſen.<lb n="5"/> </p> <p>Mich erquikt dieſe Schreiberei, weil ich keine Seele habe, an die<note place="right"><ref target="1922_Bd4_27">[27]</ref></note><lb/> ich etwas dergleichen mündlich oder ſchriftlich richten könte, da die<lb/> höchſte philoſophiſche Wilkür ſich ſo ſelten mit religiöſer Entäuſſerung<lb/> zuſammenfindet.</p><lb/> <div> <dateline> <hi rendition="#right">d. 23 Nov.</hi> </dateline> <lb n="10"/> <p>Dasmal kanſt du mir Glük wünſchen, weil ichs habe — nämlich eine<lb/> Verlobte, die Tochter des Geheim[en] Obertribunal Raths Mayer.<note place="foot" n="*)">Nun fechte man noch meine Autor-Reminiſzenzen, die eigentlich Oblivionen<lb n="35"/> ſind, mir an.</note><lb/> Ich kan dir ſie aus Zeitmangel hier nicht malen; ſie hat das was ich<lb/> bisher auf ſo vielen Irwegen aufſuchte und unterſcheidet ſich dadurch<lb/> eben ſcharf von der vorigen <hi rendition="#aq">Caroline.</hi> Im Winter verbrauſ’ ich mich<lb n="15"/> gar hier, und dan zieh’ ich mit ihr in die Ehe und in einen Ort, den ich<lb/> ſelber noch nicht weis.</p><lb/> <p>Jezt nur einige Antwort auf deine! Ich ſchmachte nach einem<lb/> Blätgen aus deiner Lebensgeſchichte; und bitte dich, nur diesmal eine<lb/> Ausnahme mit deinen epiſtolariſchen Moratorien zu machen. —<lb n="20"/> </p> <p>„Die wunderbare Neujahrnachts-Geſelſchaft“ ſende mir wieder<lb/> 1) weil ich ſie jezt für ein anderes Werk brauchen kan 2) weil ich etwas<lb/> darin ändern mus 3) weil ich ſonſt das aus Vergeſſenheit irgend wo<lb/> wiederhole, was ich darin geſagt 4) weil ich dir immer etwas liefern<lb/> wil wie du es brauchſt. Dein Schauder vor der tiefen Perſpektive der<lb n="25"/> langen langen Zeit hat mich unter dem Schreiben und ſchon öfters<lb/> ergriffen; nur nicht ſo ſtark wie dich. Die Unendlichkeit kan ſich der<lb/> Nichtigkeit nie fürchterlicher gegenüberſtellen.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">Baggesens</hi> Schreiberei über den <hi rendition="#aq">Titan</hi> hat mich geärgert, zumal<lb/> da ſie bei ihm wieder aus Aerger über meine an ihn entſtand. Ein<lb n="30"/> Viertels Buch könt’ ich zu ſeiner Widerlegung verſchreiben. Du<lb/> ſcheinſt mir den Geiſt, den ich im Buche widerlegend darſtellen wil,<lb/> mir ſelber zuzuſchreiben. Der zweite Band wird dich ſchwerlich ſchon<lb/> widerlegen, ob ſich hier gleich Roquairols Negerſeele ſchon aufdekt. Da<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0029]
noch den markigen Kern. Du ſolteſt ihn frei leſen. (Es iſt ſchwerer die
neueſten Philoſophen ſo unbefangen wie alte zu leſen als umgekehrt
alte als neue) Sein Unterſchied von dir iſt (glaub ich) daß er das
Unendliche nicht individualiſiert, was doch immer menſchlicher iſt
als das Umgekehrte, die Individualität ins Unendliche zu zerlaſſen. 5
Mich erquikt dieſe Schreiberei, weil ich keine Seele habe, an die
ich etwas dergleichen mündlich oder ſchriftlich richten könte, da die
höchſte philoſophiſche Wilkür ſich ſo ſelten mit religiöſer Entäuſſerung
zuſammenfindet.
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d. 23 Nov. 10
Dasmal kanſt du mir Glük wünſchen, weil ichs habe — nämlich eine
Verlobte, die Tochter des Geheim[en] Obertribunal Raths Mayer. *)
Ich kan dir ſie aus Zeitmangel hier nicht malen; ſie hat das was ich
bisher auf ſo vielen Irwegen aufſuchte und unterſcheidet ſich dadurch
eben ſcharf von der vorigen Caroline. Im Winter verbrauſ’ ich mich 15
gar hier, und dan zieh’ ich mit ihr in die Ehe und in einen Ort, den ich
ſelber noch nicht weis.
Jezt nur einige Antwort auf deine! Ich ſchmachte nach einem
Blätgen aus deiner Lebensgeſchichte; und bitte dich, nur diesmal eine
Ausnahme mit deinen epiſtolariſchen Moratorien zu machen. — 20
„Die wunderbare Neujahrnachts-Geſelſchaft“ ſende mir wieder
1) weil ich ſie jezt für ein anderes Werk brauchen kan 2) weil ich etwas
darin ändern mus 3) weil ich ſonſt das aus Vergeſſenheit irgend wo
wiederhole, was ich darin geſagt 4) weil ich dir immer etwas liefern
wil wie du es brauchſt. Dein Schauder vor der tiefen Perſpektive der 25
langen langen Zeit hat mich unter dem Schreiben und ſchon öfters
ergriffen; nur nicht ſo ſtark wie dich. Die Unendlichkeit kan ſich der
Nichtigkeit nie fürchterlicher gegenüberſtellen.
Baggesens Schreiberei über den Titan hat mich geärgert, zumal
da ſie bei ihm wieder aus Aerger über meine an ihn entſtand. Ein 30
Viertels Buch könt’ ich zu ſeiner Widerlegung verſchreiben. Du
ſcheinſt mir den Geiſt, den ich im Buche widerlegend darſtellen wil,
mir ſelber zuzuſchreiben. Der zweite Band wird dich ſchwerlich ſchon
widerlegen, ob ſich hier gleich Roquairols Negerſeele ſchon aufdekt. Da
*) Nun fechte man noch meine Autor-Reminiſzenzen, die eigentlich Oblivionen 35
ſind, mir an.
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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