Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

Bild:
<< vorherige Seite

dir mein bestes Kapitel, das vom Lilar-Sontag, das für mich, den
[28]Instrumentenmacher, selber ein Stimhammer ist, nicht gefallen: so
kan ich für den Titan wenig von dir hoffen, eher für ein anderes nahes
Werk, was mehr in der Siebenkäsischen Manier ist.

Reinholds herliche, das Gebäude aus dem Grunde heraufschraubende5
und erschütternde Rezension des Schellingschen Idealismus hab' ich
mit Entzücken immer wiederholt. Wenn giebt er denn seine philo-
sophische Geschichte?

Mein jeziges Leben hat mich ziemlich vom Märzfelde der Philosophie
weggeführt. --10

Mit Freuden hör' ich von deinen Anstalten zu einer neuen Auflage
des Woldemars. Aber wenn komt dein Alwil ganz?

Begnüge dich mit diesem Brieflein, das sehr von der Jahrszeit und
dem sandigen Geburtsort an sich trägt. Grüsse die Jüngerinnen deines
Herzens. --15

Stolbergs Peripetie nehm' ich von der moralischen Seite hier in
Schuz; und ich begreife nicht, was den guten aber rohen Voß zu
seiner Intoleranz berechtigt.

Lebe wohl, mein Geliebter! Sei mir noch gut und -- schreibe mir
bald--igst!20

Richter

N. S. Ich finde in der ersten Hälfte meines Briefs das alte
Schwazen wieder; aber die Freundschaft mus es erlauben: sag' ich
nicht, wenn ich zu dir eintrete, heute ist herliches Wetter, ob ich gleich
weis, daß du es ohne mich weist?25

Meine Adresse: neue Friedrichsstrasse N. 22.

38. An Geheimrat Mayer.

Hier, geliebtester Vater, ist das mütterliche Ja, zu welchem das
Ihrige das schöne Muster gab. Nun fehlt meinem Glük nichts als der30
-- Frühling. Möge der Himmel Ihnen die goldnen Tage zurükgeben,
die Sie unter zwei Menschen austeilten.

Ihr ewig dankbarer Sohn Richter.

dir mein beſtes Kapitel, das vom Lilar-Sontag, das für mich, den
[28]Inſtrumentenmacher, ſelber ein Stimhammer iſt, nicht gefallen: ſo
kan ich für den Titan wenig von dir hoffen, eher für ein anderes nahes
Werk, was mehr in der Siebenkäſiſchen Manier iſt.

Reinholds herliche, das Gebäude aus dem Grunde heraufſchraubende5
und erſchütternde Rezenſion des Schellingſchen Idealiſmus hab’ ich
mit Entzücken immer wiederholt. Wenn giebt er denn ſeine philo-
ſophiſche Geſchichte?

Mein jeziges Leben hat mich ziemlich vom Märzfelde der Philoſophie
weggeführt. —10

Mit Freuden hör’ ich von deinen Anſtalten zu einer neuen Auflage
des Woldemars. Aber wenn komt dein Alwil ganz?

Begnüge dich mit dieſem Brieflein, das ſehr von der Jahrszeit und
dem ſandigen Geburtsort an ſich trägt. Grüſſe die Jüngerinnen deines
Herzens. —15

Stolbergs Peripetie nehm’ ich von der moraliſchen Seite hier in
Schuz; und ich begreife nicht, was den guten aber rohen Voß zu
ſeiner Intoleranz berechtigt.

Lebe wohl, mein Geliebter! Sei mir noch gut und — ſchreibe mir
bald—igſt!20

Richter

N. S. Ich finde in der erſten Hälfte meines Briefs das alte
Schwazen wieder; aber die Freundſchaft mus es erlauben: ſag’ ich
nicht, wenn ich zu dir eintrete, heute iſt herliches Wetter, ob ich gleich
weis, daß du es ohne mich weiſt?25

Meine Adreſſe: neue Friedrichsſtraſſe N. 22.

38. An Geheimrat Mayer.

Hier, geliebteſter Vater, iſt das mütterliche Ja, zu welchem das
Ihrige das ſchöne Muſter gab. Nun fehlt meinem Glük nichts als der30
— Frühling. Möge der Himmel Ihnen die goldnen Tage zurükgeben,
die Sie unter zwei Menſchen austeilten.

Ihr ewig dankbarer Sohn Richter.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0030" n="24"/>
dir mein be&#x017F;tes Kapitel, das vom Lilar-Sontag, das für mich, den<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd4_28">[28]</ref></note>In&#x017F;trumentenmacher, &#x017F;elber ein Stimhammer i&#x017F;t, nicht gefallen: &#x017F;o<lb/>
kan ich für den Titan wenig von dir hoffen, eher für ein anderes nahes<lb/>
Werk, was mehr in der Siebenkä&#x017F;i&#x017F;chen Manier i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Reinholds herliche, das Gebäude aus dem Grunde herauf&#x017F;chraubende<lb n="5"/>
und er&#x017F;chütternde Rezen&#x017F;ion des Schelling&#x017F;chen Ideali&#x017F;mus hab&#x2019; ich<lb/>
mit Entzücken immer wiederholt. Wenn giebt er denn &#x017F;eine philo-<lb/>
&#x017F;ophi&#x017F;che Ge&#x017F;chichte?</p><lb/>
          <p>Mein jeziges Leben hat mich ziemlich vom Märzfelde der Philo&#x017F;ophie<lb/>
weggeführt. &#x2014;<lb n="10"/>
</p>
          <p>Mit Freuden hör&#x2019; ich von deinen An&#x017F;talten zu einer neuen Auflage<lb/>
des <hi rendition="#aq">Woldemars.</hi> Aber wenn komt dein <hi rendition="#aq">Alwil</hi> ganz?</p><lb/>
          <p>Begnüge dich mit die&#x017F;em Brieflein, das &#x017F;ehr von der Jahrszeit und<lb/>
dem &#x017F;andigen Geburtsort an &#x017F;ich trägt. Grü&#x017F;&#x017F;e die Jüngerinnen deines<lb/>
Herzens. &#x2014;<lb n="15"/>
</p>
          <p><hi rendition="#aq">Stolbergs</hi> Peripetie nehm&#x2019; ich von der morali&#x017F;chen Seite hier in<lb/>
Schuz; und ich begreife nicht, was den <hi rendition="#g">guten</hi> aber <hi rendition="#g">rohen</hi> <hi rendition="#aq">Voß</hi> zu<lb/>
&#x017F;einer Intoleranz berechtigt.</p><lb/>
          <p>Lebe wohl, mein Geliebter! Sei mir noch gut und &#x2014; &#x017F;chreibe mir<lb/>
bald&#x2014;ig&#x017F;t!<lb n="20"/>
</p>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> </salute>
          </closer><lb/>
          <postscript>
            <p>N. S. Ich finde in der er&#x017F;ten Hälfte meines Briefs das alte<lb/>
Schwazen wieder; aber die Freund&#x017F;chaft mus es erlauben: &#x017F;ag&#x2019; ich<lb/>
nicht, wenn ich zu dir eintrete, heute i&#x017F;t herliches Wetter, ob ich gleich<lb/>
weis, daß du es ohne mich wei&#x017F;t?<lb n="25"/>
</p>
            <p>Meine Adre&#x017F;&#x017F;e: neue Friedrichs&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e N. 22.</p>
          </postscript>
        </div><lb/>
        <div type="letter" n="1">
          <head>38. An <hi rendition="#g">Geheimrat Mayer.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Berlin</hi> d. 26 Nov. 1800.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Hier, geliebte&#x017F;ter Vater, i&#x017F;t das mütterliche Ja, zu welchem das<lb/>
Ihrige das &#x017F;chöne Mu&#x017F;ter gab. Nun fehlt meinem Glük nichts als der<lb n="30"/>
&#x2014; Frühling. Möge der Himmel Ihnen die goldnen Tage zurükgeben,<lb/>
die Sie unter zwei Men&#x017F;chen austeilten.</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#right">Ihr ewig dankbarer Sohn Richter.</hi> </salute>
          </closer>
        </div>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0030] dir mein beſtes Kapitel, das vom Lilar-Sontag, das für mich, den Inſtrumentenmacher, ſelber ein Stimhammer iſt, nicht gefallen: ſo kan ich für den Titan wenig von dir hoffen, eher für ein anderes nahes Werk, was mehr in der Siebenkäſiſchen Manier iſt. [28] Reinholds herliche, das Gebäude aus dem Grunde heraufſchraubende 5 und erſchütternde Rezenſion des Schellingſchen Idealiſmus hab’ ich mit Entzücken immer wiederholt. Wenn giebt er denn ſeine philo- ſophiſche Geſchichte? Mein jeziges Leben hat mich ziemlich vom Märzfelde der Philoſophie weggeführt. — 10 Mit Freuden hör’ ich von deinen Anſtalten zu einer neuen Auflage des Woldemars. Aber wenn komt dein Alwil ganz? Begnüge dich mit dieſem Brieflein, das ſehr von der Jahrszeit und dem ſandigen Geburtsort an ſich trägt. Grüſſe die Jüngerinnen deines Herzens. — 15 Stolbergs Peripetie nehm’ ich von der moraliſchen Seite hier in Schuz; und ich begreife nicht, was den guten aber rohen Voß zu ſeiner Intoleranz berechtigt. Lebe wohl, mein Geliebter! Sei mir noch gut und — ſchreibe mir bald—igſt! 20 Richter N. S. Ich finde in der erſten Hälfte meines Briefs das alte Schwazen wieder; aber die Freundſchaft mus es erlauben: ſag’ ich nicht, wenn ich zu dir eintrete, heute iſt herliches Wetter, ob ich gleich weis, daß du es ohne mich weiſt? 25 Meine Adreſſe: neue Friedrichsſtraſſe N. 22. 38. An Geheimrat Mayer. Berlin d. 26 Nov. 1800. Hier, geliebteſter Vater, iſt das mütterliche Ja, zu welchem das Ihrige das ſchöne Muſter gab. Nun fehlt meinem Glük nichts als der 30 — Frühling. Möge der Himmel Ihnen die goldnen Tage zurükgeben, die Sie unter zwei Menſchen austeilten. Ihr ewig dankbarer Sohn Richter.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/30
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/30>, abgerufen am 24.11.2024.