Ich bitte Sie, mein Rechter, nicht um das ganze Wechseln der 2 Ld. sondern nur vor der Hand um 5 rtl. 5 kr. Kreutz., die Hein- rich auf Einem Wege dem Schuster einhändigen soll. -- Abends5 um 7 Uhr, nicht so? -- Guten Morgen! Leider haben wir Gatten unser Silber versilbert und sind wieder auf den Gold-Etat zurück- gesetzt.
*103. An Ernst Wagner.
Bayreuth d. 6 Mai 180510
Den 25 April erhielt ich Ihr Manuskript. Mein Lob bezieht sich auf das Allgemeine und Besondere, der Tadel nur auf einiges Besondere. Der neu und frei schauende und empfangende Geist -- der frisch vortreibende wie ein Mai, nicht wie ein Herbst -- die weite Um- und Einsicht sogar in die tiefen Holzwürmer-Löcher und15 Windungen am Thronsessel -- und also die rechte Eigenheit ist mein allgemeines Lob, so wie der Kunstsinn neben dem Natursinn. Göthisch-episch und bezaubernd ist der Anfang, besonders der geniale Ab- und Aufzug des Mädchens, und das Ende mit den Zigeu- nern; doch zwischen dieser östlichen und westlichen Aurora ist nachher20 manches blaue Erblassen des Himmels.
Mit Ihren Kräften muß ich denn scharf rechten und umgehen; zumal da sie oft an die Theorie (von Göthe's Meister) gekreutzigt werden. Der Hauptfehler ist die Länge einzelner Gespräche oder gar Antworten. [Folgen einzelne Korrekturen] Das Zigeunerlied25 ist herrlich. Schade, daß von den kommenden Gluthßenen, die ich schon früher gelesen, nicht hier einige noch eintreten. Sie sollten, da der Aufgang eines Autors oft seinen Untergang entscheidet, sogleich in diesen ersten Band mehr Künftiges einpressen und an- stoßen -- denn Interesse wächst mit der Dicke -- und einiges Gegen-30 wärtige von Gesprächen wegschneiden. Sie können ja noch, indem die Presse daran gebiert, daran zeugen. Bedenken Sie, wie man in Tragödien die langweiligen Staatsverhandlungen nur durch Schlag- worte abthut und das Kabinetssekretariat auf Stichworte ein- schränkt.35
102. An Emanuel.
[Bayreuth, 6. Mai 1805]
Ich bitte Sie, mein Rechter, nicht um das ganze Wechſeln der 2 Ld. ſondern nur vor der Hand um 5 rtl. 5 kr. 〈Kreutz.〉, die Hein- rich auf Einem Wege dem Schuſter einhändigen ſoll. — Abends5 um 7 Uhr, nicht ſo? — Guten Morgen! Leider haben wir Gatten unſer Silber verſilbert und ſind wieder auf den Gold-Etat zurück- geſetzt.
*103. An Ernſt Wagner.
Bayreuth d. 6 Mai 180510
Den 25 April erhielt ich Ihr Manuſkript. Mein Lob bezieht ſich auf das Allgemeine und Beſondere, der Tadel nur auf einiges Beſondere. Der neu und frei ſchauende und empfangende Geiſt — der friſch vortreibende wie ein Mai, nicht wie ein Herbſt — die weite Um- und Einſicht ſogar in die tiefen Holzwürmer-Löcher und15 Windungen am Thronſeſſel — und alſo die rechte Eigenheit iſt mein allgemeines Lob, ſo wie der Kunſtſinn neben dem Naturſinn. Göthiſch-epiſch und bezaubernd iſt der Anfang, beſonders der geniale Ab- und Aufzug des Mädchens, und das Ende mit den Zigeu- nern; doch zwiſchen dieſer öſtlichen und weſtlichen Aurora iſt nachher20 manches blaue Erblaſſen des Himmels.
Mit Ihren Kräften muß ich denn ſcharf rechten und umgehen; zumal da ſie oft an die Theorie (von Göthe’s Meiſter) gekreutzigt werden. Der Hauptfehler iſt die Länge einzelner Geſpräche oder gar Antworten. [Folgen einzelne Korrekturen] Das Zigeunerlied25 iſt herrlich. Schade, daß von den kommenden Gluthſzenen, die ich ſchon früher geleſen, nicht hier einige noch eintreten. Sie ſollten, da der Aufgang eines Autors oft ſeinen Untergang entſcheidet, ſogleich in dieſen erſten Band mehr Künftiges einpreſſen und an- ſtoßen — denn Intereſſe wächſt mit der Dicke — und einiges Gegen-30 wärtige von Geſprächen wegſchneiden. Sie können ja noch, indem die Preſſe daran gebiert, daran zeugen. Bedenken Sie, wie man in Tragödien die langweiligen Staatsverhandlungen nur durch Schlag- worte abthut und das Kabinetsſekretariat auf Stichworte ein- ſchränkt.35
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[42/0055]
102. An Emanuel.
[Bayreuth, 6. Mai 1805]
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2 Ld. ſondern nur vor der Hand um 5 rtl. 5 kr. 〈Kreutz.〉, die Hein-
rich auf Einem Wege dem Schuſter einhändigen ſoll. — Abends 5
um 7 Uhr, nicht ſo? — Guten Morgen! Leider haben wir Gatten
unſer Silber verſilbert und ſind wieder auf den Gold-Etat zurück-
geſetzt.
*103. An Ernſt Wagner.
Bayreuth d. 6 Mai 1805 10
Den 25 April erhielt ich Ihr Manuſkript. Mein Lob bezieht
ſich auf das Allgemeine und Beſondere, der Tadel nur auf einiges
Beſondere. Der neu und frei ſchauende und empfangende Geiſt —
der friſch vortreibende wie ein Mai, nicht wie ein Herbſt — die
weite Um- und Einſicht ſogar in die tiefen Holzwürmer-Löcher und 15
Windungen am Thronſeſſel — und alſo die rechte Eigenheit iſt mein
allgemeines Lob, ſo wie der Kunſtſinn neben dem Naturſinn.
Göthiſch-epiſch und bezaubernd iſt der Anfang, beſonders der
geniale Ab- und Aufzug des Mädchens, und das Ende mit den Zigeu-
nern; doch zwiſchen dieſer öſtlichen und weſtlichen Aurora iſt nachher 20
manches blaue Erblaſſen des Himmels.
Mit Ihren Kräften muß ich denn ſcharf rechten und umgehen;
zumal da ſie oft an die Theorie (von Göthe’s Meiſter) gekreutzigt
werden. Der Hauptfehler iſt die Länge einzelner Geſpräche oder
gar Antworten. [Folgen einzelne Korrekturen] Das Zigeunerlied 25
iſt herrlich. Schade, daß von den kommenden Gluthſzenen, die ich
ſchon früher geleſen, nicht hier einige noch eintreten. Sie ſollten,
da der Aufgang eines Autors oft ſeinen Untergang entſcheidet,
ſogleich in dieſen erſten Band mehr Künftiges einpreſſen und an-
ſtoßen — denn Intereſſe wächſt mit der Dicke — und einiges Gegen- 30
wärtige von Geſprächen wegſchneiden. Sie können ja noch, indem
die Preſſe daran gebiert, daran zeugen. Bedenken Sie, wie man in
Tragödien die langweiligen Staatsverhandlungen nur durch Schlag-
worte abthut und das Kabinetsſekretariat auf Stichworte ein-
ſchränkt. 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/55>, abgerufen am 16.02.2025.
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