es ihr nächstens, da sie alles durchgeplättet und die Strümpfe sogar aus Mangel andern Garns mit grobem Zwirn gestopft, an Arbeit, weil der Spitzbuben-Weber ihr erst auf den nächsten Montag die Wolle zum Spinnen verspricht, so oft sie auch darnach gelaufen. Gleichwol lauer' ich ihr scharf auf; sogar neulich über den Verbrauch5 des zweierlei Brodes hatt' ich eine Untersuchung, die aber zu ihrer Rechtfertigung ausfiel. -- Die Kinder behalten die alte Lebens- ordnung in allem; nur daß sie am Morgen blos Brod statt der Semmel bekommen, weil diese nicht blos theuerer und ungesünder (das Neugebackne noch nicht einmal gerechnet), sondern auch weniger10 nahrhaft sind als Rockenbrod, wie du bei dem ersten besten Arzte in Altenburg oder aus der neuesten hallischen Literatur Zeitung und überall erfahren kannst. Und künftig lass' es dabei.
Jeder will die Kinder zu Gaste haben. Sogar bei Fischer mußte Odilie schon 2mal essen, so wie Auguste schon einmal bei mir aß.15
Heute waren Amoene und Paulline bei mir und ich konnte ihnen als Hausvater etwas geben; und eben war Emanuel da. Alle grüßen dich innig; sogar Anna trug mir ihren Gruß auf, da du sie eines Grußes gewürdigt. Sie fegt als wärst du da, und ich nicht.20
An mehreren Tagen, wo ich aus der Harmonie aß, braucht' ich zu den 24 kr. kaum mehr als 4 oder 6 kr. zuzulegen und aus- zugeben den ganzen Tag.
Die arme, arme Dobeneck! --
Doch ich fahre im Frohen fort. Der letzte vortreffliche Brief25 Ludwigs hat mich sehr erfreuet, und ich weiß nun, daß du in der schönsten Seelen-Umgebung wohnst. Meine Weihnachten werd' ich, wie seit Jahren mehrere Feste, mit der alten neblichten dumpfen Feier begehen. Es hängt eine große Nacht über meinem Leben, und vielleicht nur, wenn die Erde unter meinen Füßen weg-30 gestoßen ist (d. h. ich in sie gelegt bin), mag mich die Mitternachts- sonne unter der weggeworfnen Erde stehend, schön anleuchten; -- und das sollte sie, dächt' ich, wol thun können.
Ich sagte oben nicht: der arme Dobeneck.
Schreibe mir, was ich der Magd zu Weihnachten an Geld und35 sonst zu geben habe. -- Kommen wichtige Briefe an dich: sollst du sie haben; andere aber würden, wenn ich nicht ein Paquet für
es ihr nächſtens, da ſie alles durchgeplättet und die Strümpfe ſogar aus Mangel andern Garns mit grobem Zwirn geſtopft, an Arbeit, weil der Spitzbuben-Weber ihr erſt auf den nächſten Montag die Wolle zum Spinnen verſpricht, ſo oft ſie auch darnach gelaufen. Gleichwol lauer’ ich ihr ſcharf auf; ſogar neulich über den Verbrauch5 des zweierlei Brodes hatt’ ich eine Unterſuchung, die aber zu ihrer Rechtfertigung ausfiel. — Die Kinder behalten die alte Lebens- ordnung in allem; nur daß ſie am Morgen blos Brod ſtatt der Semmel bekommen, weil dieſe nicht blos theuerer und ungeſünder (das Neugebackne noch nicht einmal gerechnet), ſondern auch weniger10 nahrhaft ſind als Rockenbrod, wie du bei dem erſten beſten Arzte in Altenburg oder aus der neueſten halliſchen Literatur Zeitung und überall erfahren kannſt. Und künftig laſſ’ es dabei.
Jeder will die Kinder zu Gaſte haben. Sogar bei Fischer mußte Odilie ſchon 2mal eſſen, ſo wie Auguste ſchon einmal bei mir aß.15
Heute waren Amoene und Paulline bei mir und ich konnte ihnen als Hausvater etwas geben; und eben war Emanuel da. Alle grüßen dich innig; ſogar Anna trug mir ihren Gruß auf, da du ſie eines Grußes gewürdigt. Sie fegt als wärſt du da, und ich nicht.20
An mehreren Tagen, wo ich aus der Harmonie aß, braucht’ ich zu den 24 kr. kaum mehr als 4 oder 6 kr. zuzulegen und aus- zugeben den ganzen Tag.
Die arme, arme Dobeneck! —
Doch ich fahre im Frohen fort. Der letzte vortreffliche Brief25 Ludwigs hat mich ſehr erfreuet, und ich weiß nun, daß du in der ſchönſten Seelen-Umgebung wohnſt. Meine Weihnachten werd’ ich, wie ſeit Jahren mehrere Feſte, mit der alten neblichten dumpfen Feier begehen. Es hängt eine große Nacht über meinem Leben, und vielleicht nur, wenn die Erde unter meinen Füßen weg-30 geſtoßen iſt (d. h. ich in ſie gelegt bin), mag mich die Mitternachts- ſonne unter der weggeworfnen Erde ſtehend, ſchön anleuchten; — und das ſollte ſie, dächt’ ich, wol thun können.
Ich ſagte oben nicht: der arme Dobeneck.
Schreibe mir, was ich der Magd zu Weihnachten an Geld und35 ſonſt zu geben habe. — Kommen wichtige Briefe an dich: ſollſt du ſie haben; andere aber würden, wenn ich nicht ein Paquet für
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Wolle zum Spinnen verſpricht, ſo oft ſie auch darnach gelaufen.
Gleichwol lauer’ ich ihr ſcharf auf; ſogar neulich über den Verbrauch 5
des zweierlei Brodes hatt’ ich eine Unterſuchung, die aber zu ihrer
Rechtfertigung ausfiel. — Die Kinder behalten die alte Lebens-
ordnung in allem; nur daß ſie am Morgen blos Brod ſtatt der
Semmel bekommen, weil dieſe nicht blos theuerer und ungeſünder
(das Neugebackne noch nicht einmal gerechnet), ſondern auch weniger 10
nahrhaft ſind als Rockenbrod, wie du bei dem erſten beſten Arzte
in Altenburg oder aus der neueſten halliſchen Literatur Zeitung
und überall erfahren kannſt. Und künftig laſſ’ es dabei.
Jeder will die Kinder zu Gaſte haben. Sogar bei Fischer mußte
Odilie ſchon 2mal eſſen, ſo wie Auguste ſchon einmal bei mir aß. 15
Heute waren Amoene und Paulline bei mir und ich konnte ihnen
als Hausvater etwas geben; und eben war Emanuel da. Alle
grüßen dich innig; ſogar Anna trug mir ihren Gruß auf, da du
ſie eines Grußes gewürdigt. Sie fegt als wärſt du da, und ich
nicht. 20
An mehreren Tagen, wo ich aus der Harmonie aß, braucht’
ich zu den 24 kr. kaum mehr als 4 oder 6 kr. zuzulegen und aus-
zugeben den ganzen Tag.
Die arme, arme Dobeneck! —
Doch ich fahre im Frohen fort. Der letzte vortreffliche Brief 25
Ludwigs hat mich ſehr erfreuet, und ich weiß nun, daß du in der
ſchönſten Seelen-Umgebung wohnſt. Meine Weihnachten werd’
ich, wie ſeit Jahren mehrere Feſte, mit der alten neblichten
dumpfen Feier begehen. Es hängt eine große Nacht über meinem
Leben, und vielleicht nur, wenn die Erde unter meinen Füßen weg- 30
geſtoßen iſt (d. h. ich in ſie gelegt bin), mag mich die Mitternachts-
ſonne unter der weggeworfnen Erde ſtehend, ſchön anleuchten; —
und das ſollte ſie, dächt’ ich, wol thun können.
Ich ſagte oben nicht: der arme Dobeneck.
Schreibe mir, was ich der Magd zu Weihnachten an Geld und 35
ſonſt zu geben habe. — Kommen wichtige Briefe an dich: ſollſt
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/172>, abgerufen am 19.05.2024.
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