Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

Bild:
<< vorherige Seite

Formen, Philosophien, Fürsten und 10,000 Dinge ab: so mögen
alte Sprach-Gleichmäßigkeiten auch daran kommen.

Nicht der Dichter, wie Sie mir schreiben, scheint mir am leich-
testen Ihre so wichtigen Sprach-Umwälzungen einführen zu können
-- denn er hängt von der Gewalt des ästhetischen Augenblicks ab5
und ein Wort z. B. wie "prachtig" könnte ein ganzes Bild zer-
stören -- sondern ein Weltweiser, Naturlehrer u. s. w.

Leben Sie nicht blos wol, sondern lange!

Ihr
Jean Paul Fr. Richter
10

N. S. Verzeihen [Sie] meinen Einschluß, den ich als Antwort
an Maler Meier erst seit dem 25 July -- 1810 schuldig bin.

519. An Dr. Brendel in Erlangen.
[Konzept]

Ich komme mit allerlei, wenigstens dreierlei Bitten zu Ihnen.15
Die erste (Ihnen schon in Erlangen ins Ohr gesagte) thu' [ich]
um meine Rechnung für das Valet-Nachtmahl bei Toussaint, dem
bei seiner Wärme nichts zu wünschen gewesen wäre als die Länge
einer kalten Thomas Nacht. Die zweite betrift Ihr Klub-Bier;
Klub-Leim hätt' ich geschrieben, wäre Erlangen Bayreuth. Ob20
ich gleich der Kunst, dort stets fröhlich gewesen und geworden zu
sein, die eine Hälfte der Heilkräftekunst meines Körpers ver-
danke, der zwar nie ein Krankenbette, aber doch eine Krankenviertel-
stunde kennt: so gehört doch die andere Hälfte, welche sogar alle
Krankenminuten wegstrich, dem Doppelbiere des Klubs an. Daher25
wünscht' ich 1 oder 2 Eimer davon hier in meinem Keller [zu]
haben, wenn das Wetter, der Klub und Sie, oder Mehmel oder
Toussaint (denn ich weiß nicht, wem unter Ihnen dreien ich mit
der Bitte am wenigsten beschwerlich falle) es erlauben wollten. Je-
der Geld-Preis, um welchen ich meinen Erlanger Leib wieder erstehe30
oder auferwecke, ist mir gleichgültig (und diese geschwärzte Charte sei
eine Charte blanche). -- Meine dritte Bitte ist, alle meine Freunde
und Abend[ge]nossen von mir zu grüßen, so wie Ihren H. Grafen.
H. Prof. Mehmel sagen Sie außer dem Gruße noch: "ich dächte dar-

Formen, Philoſophien, Fürſten und 10,000 Dinge ab: ſo mögen
alte Sprach-Gleichmäßigkeiten auch daran kommen.

Nicht der Dichter, wie Sie mir ſchreiben, ſcheint mir am leich-
teſten Ihre ſo wichtigen Sprach-Umwälzungen einführen zu können
— denn er hängt von der Gewalt des äſthetiſchen Augenblicks ab5
und ein Wort z. B. wie „prachtig“ könnte ein ganzes Bild zer-
ſtören — ſondern ein Weltweiſer, Naturlehrer u. ſ. w.

Leben Sie nicht blos wol, ſondern lange!

Ihr
Jean Paul Fr. Richter
10

N. S. Verzeihen [Sie] meinen Einſchluß, den ich als Antwort
an Maler Meier erſt ſeit dem 25 July — 1810 ſchuldig bin.

519. An Dr. Brendel in Erlangen.
[Konzept]

Ich komme mit allerlei, wenigſtens dreierlei Bitten zu Ihnen.15
Die erſte (Ihnen ſchon in Erlangen ins Ohr geſagte) thu’ [ich]
um meine Rechnung für das Valet-Nachtmahl bei Toussaint, dem
bei ſeiner Wärme nichts zu wünſchen geweſen wäre als die Länge
einer kalten Thomas Nacht. Die zweite betrift Ihr Klub-Bier;
Klub-Leim hätt’ ich geſchrieben, wäre Erlangen Bayreuth. Ob20
ich gleich der Kunſt, dort ſtets fröhlich geweſen und geworden zu
ſein, die eine Hälfte der Heilkräfte〈kunſt〉 meines Körpers ver-
danke, der zwar nie ein Krankenbette, aber doch eine Krankenviertel-
ſtunde kennt: ſo gehört doch die andere Hälfte, welche ſogar alle
Krankenminuten wegſtrich, dem Doppelbiere des Klubs an. Daher25
wünſcht’ ich 1 oder 2 Eimer davon hier in meinem Keller [zu]
haben, wenn das Wetter, der Klub und Sie, oder Mehmel oder
Toussaint (denn ich weiß nicht, wem unter Ihnen dreien ich mit
der Bitte am wenigſten beſchwerlich falle) es erlauben wollten. Je-
der Geld-Preis, um welchen ich meinen Erlanger Leib wieder erſtehe30
oder auferwecke, iſt mir gleichgültig (und dieſe geſchwärzte Charte ſei
eine Charte blanche). — Meine dritte Bitte iſt, alle meine Freunde
und Abend[ge]noſſen von mir zu grüßen, ſo wie Ihren H. Grafen.
H. Prof. Mehmel ſagen Sie außer dem Gruße noch: „ich dächte dar-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0228" n="215"/>
Formen, Philo&#x017F;ophien, Für&#x017F;ten und 10,000 Dinge ab: &#x017F;o mögen<lb/>
alte Sprach-Gleichmäßigkeiten auch daran kommen.</p><lb/>
        <p>Nicht der Dichter, wie Sie mir &#x017F;chreiben, &#x017F;cheint mir am leich-<lb/>
te&#x017F;ten Ihre &#x017F;o wichtigen Sprach-Umwälzungen einführen zu können<lb/>
&#x2014; denn er hängt von der Gewalt des ä&#x017F;theti&#x017F;chen Augenblicks ab<lb n="5"/>
und ein Wort z. B. wie &#x201E;prachtig&#x201C; könnte ein ganzes Bild zer-<lb/>
&#x017F;tören &#x2014; &#x017F;ondern ein Weltwei&#x017F;er, Naturlehrer u. &#x017F;. w.</p><lb/>
        <p>Leben Sie nicht blos wol, &#x017F;ondern lange!</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Ihr<lb/>
Jean Paul Fr. Richter</hi> <lb n="10"/>
          </salute>
        </closer>
        <postscript>
          <p>N. S. Verzeihen [Sie] meinen Ein&#x017F;chluß, den ich als Antwort<lb/>
an Maler Meier er&#x017F;t &#x017F;eit dem 25 July &#x2014; 1810 &#x017F;chuldig bin.</p>
        </postscript>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>519. An <hi rendition="#g">Dr. Brendel in Erlangen.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Konzept]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 2. (?) Aug. 1811]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Ich komme mit allerlei, wenig&#x017F;tens dreierlei Bitten zu Ihnen.<lb n="15"/>
Die er&#x017F;te (Ihnen &#x017F;chon in <hi rendition="#aq">Erlangen</hi> ins Ohr ge&#x017F;agte) thu&#x2019; [ich]<lb/>
um meine Rechnung für das Valet-Nachtmahl bei <hi rendition="#aq">Toussaint,</hi> dem<lb/>
bei &#x017F;einer Wärme nichts zu wün&#x017F;chen gewe&#x017F;en wäre als die Länge<lb/>
einer kalten Thomas Nacht. Die zweite betrift Ihr Klub-Bier;<lb/>
Klub-Leim hätt&#x2019; ich ge&#x017F;chrieben, wäre <hi rendition="#aq">Erlangen Bayreuth.</hi> Ob<lb n="20"/>
ich gleich der Kun&#x017F;t, dort &#x017F;tets fröhlich gewe&#x017F;en und geworden zu<lb/>
&#x017F;ein, die eine Hälfte der Heilkräfte&#x2329;kun&#x017F;t&#x232A; meines Körpers ver-<lb/>
danke, der zwar nie ein Krankenbette, aber doch eine Krankenviertel-<lb/>
&#x017F;tunde kennt: &#x017F;o gehört doch die andere Hälfte, welche &#x017F;ogar alle<lb/>
Krankenminuten weg&#x017F;trich, dem Doppelbiere des Klubs an. Daher<lb n="25"/>
wün&#x017F;cht&#x2019; ich 1 oder 2 Eimer davon hier in meinem Keller [zu]<lb/>
haben, wenn das Wetter, der Klub und Sie, oder <hi rendition="#aq">Mehmel</hi> oder<lb/><hi rendition="#aq">Toussaint</hi> (denn ich weiß nicht, wem unter Ihnen dreien ich mit<lb/>
der Bitte am wenig&#x017F;ten be&#x017F;chwerlich falle) es erlauben wollten. Je-<lb/>
der Geld-Preis, um welchen ich meinen Erlanger Leib wieder er&#x017F;tehe<lb n="30"/>
oder auferwecke, i&#x017F;t mir gleichgültig (und die&#x017F;e ge&#x017F;chwärzte <hi rendition="#aq">Charte</hi> &#x017F;ei<lb/>
eine <hi rendition="#aq">Charte blanche</hi>). &#x2014; Meine dritte Bitte i&#x017F;t, alle meine Freunde<lb/>
und Abend[ge]no&#x017F;&#x017F;en von mir zu grüßen, &#x017F;o wie Ihren H. Grafen.<lb/>
H. Prof. <hi rendition="#aq">Mehmel</hi> &#x017F;agen Sie außer dem Gruße noch: &#x201E;ich dächte dar-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0228] Formen, Philoſophien, Fürſten und 10,000 Dinge ab: ſo mögen alte Sprach-Gleichmäßigkeiten auch daran kommen. Nicht der Dichter, wie Sie mir ſchreiben, ſcheint mir am leich- teſten Ihre ſo wichtigen Sprach-Umwälzungen einführen zu können — denn er hängt von der Gewalt des äſthetiſchen Augenblicks ab 5 und ein Wort z. B. wie „prachtig“ könnte ein ganzes Bild zer- ſtören — ſondern ein Weltweiſer, Naturlehrer u. ſ. w. Leben Sie nicht blos wol, ſondern lange! Ihr Jean Paul Fr. Richter 10 N. S. Verzeihen [Sie] meinen Einſchluß, den ich als Antwort an Maler Meier erſt ſeit dem 25 July — 1810 ſchuldig bin. 519. An Dr. Brendel in Erlangen. [Bayreuth, 2. (?) Aug. 1811] Ich komme mit allerlei, wenigſtens dreierlei Bitten zu Ihnen. 15 Die erſte (Ihnen ſchon in Erlangen ins Ohr geſagte) thu’ [ich] um meine Rechnung für das Valet-Nachtmahl bei Toussaint, dem bei ſeiner Wärme nichts zu wünſchen geweſen wäre als die Länge einer kalten Thomas Nacht. Die zweite betrift Ihr Klub-Bier; Klub-Leim hätt’ ich geſchrieben, wäre Erlangen Bayreuth. Ob 20 ich gleich der Kunſt, dort ſtets fröhlich geweſen und geworden zu ſein, die eine Hälfte der Heilkräfte〈kunſt〉 meines Körpers ver- danke, der zwar nie ein Krankenbette, aber doch eine Krankenviertel- ſtunde kennt: ſo gehört doch die andere Hälfte, welche ſogar alle Krankenminuten wegſtrich, dem Doppelbiere des Klubs an. Daher 25 wünſcht’ ich 1 oder 2 Eimer davon hier in meinem Keller [zu] haben, wenn das Wetter, der Klub und Sie, oder Mehmel oder Toussaint (denn ich weiß nicht, wem unter Ihnen dreien ich mit der Bitte am wenigſten beſchwerlich falle) es erlauben wollten. Je- der Geld-Preis, um welchen ich meinen Erlanger Leib wieder erſtehe 30 oder auferwecke, iſt mir gleichgültig (und dieſe geſchwärzte Charte ſei eine Charte blanche). — Meine dritte Bitte iſt, alle meine Freunde und Abend[ge]noſſen von mir zu grüßen, ſo wie Ihren H. Grafen. H. Prof. Mehmel ſagen Sie außer dem Gruße noch: „ich dächte dar-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/228
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/228>, abgerufen am 26.11.2024.