In meinen sehr ernsten Daemmerungen (sie sind die fortgesetzte Friedens Predigt) wirst du mehr für dich finden als in meinen komischen Werken, welche dich, glaub' ich, zu wenig ansprechen wie mich viel. Ich erlaubte Cotta -- sie sind schon vom August 085 bis März 09 geschrieben -- eine Verspätung der Herausgabe bis zur Ostermesse 1810.*) -- Nicht am Verlegen, sondern am Machen deiner opp. omn. fehlts. Cotta nähme sie mit eben so viel Ver- gnügen als du nachher über seine ganze liberale Handlungs Weise haben würdest. Auch eigentlich nicht am Machen deiner Werke10 fehlts; viele sind schon gemacht, so wie deine Briefe, aus denen du geben willst; Pensees a la Pascal (die a la Montaigne weniger) kommen sogleich mit ihrer ganzen besten Form auf die Welt. Du bist wirklich der jetzigen sich selber immer durchsichtiger aushölenden Zeit deine Fülle und Aufopferung schuldig sogar (im Zeitmangel15 durch Krankheit) auf einige Kosten der Form. Schreibe nur nicht zu viele Briefe -- von mir an bis zu Goethe --; mit dem nämlichen Magen, Kopfe, Auge (es ist hier blos vom Körper-Hemmschuh an Apollons oder Psychens Wagen die Rede) hättest du eben so gut 16 Seiten für den Druck, als 4 für Goethe ausarbeiten und20 geben können.
Aber wie Johnson Gespräche über Lesen und Schreiben**) setzte, so du (wahrscheinlich) Briefe über Bücher; -- und in Rücksicht des Genusses habt ihr beide Recht. Schriftstellerei muß man sich zu- letzt zur Pflicht machen; hätt' ich indeß diesen Grundsatz nicht, so25 wüßt ich nichts amüsanteres als Briefe und Gespräche. Du als Präsident und Weltmann und Thee-Geber -- den meisten Arzneien wird Thee nachgetrunken --
d. 24ten
"wirst zum Doppelgenusse des Gesprächs verlockt und genöthigt."30 So werd' ich haben fortfahren wollen. Über Werner bin ich deiner ästhetischen und philosophischen Meinung. Am tollsten wurd' ich über seinen Luther; daß er aus Luther und Elisabeth solche zer-
*) Sie sollen doch schon im jetzigen Meßkatalog stehen.
**)35Aber, hoff' ich, mit Ausnahme der Empfängnis der Kunstwerke und Systeme und mit Ausnahme der Darstellung von deren Lebens- und Seelen- Stellen.
Ich folge jetzt deinem Briefe.
In meinen ſehr ernſten Daemmerungen (ſie ſind die fortgeſetzte Friedens Predigt) wirſt du mehr für dich finden als in meinen komiſchen Werken, welche dich, glaub’ ich, zu wenig anſprechen wie mich viel. Ich erlaubte Cotta — ſie ſind ſchon vom Auguſt 085 bis März 09 geſchrieben — eine Verſpätung der Herausgabe bis zur Oſtermeſſe 1810.*) — Nicht am Verlegen, ſondern am Machen deiner opp. omn. fehlts. Cotta nähme ſie mit eben ſo viel Ver- gnügen als du nachher über ſeine ganze liberale Handlungs Weiſe haben würdeſt. Auch eigentlich nicht am Machen deiner Werke10 fehlts; viele ſind ſchon gemacht, ſo wie deine Briefe, aus denen du geben willſt; Pensées à la Pascal (die à la Montaigne weniger) kommen ſogleich mit ihrer ganzen beſten Form auf die Welt. Du biſt wirklich der jetzigen ſich ſelber immer durchſichtiger aushölenden Zeit deine Fülle und Aufopferung ſchuldig ſogar (im Zeitmangel15 durch Krankheit) auf einige Koſten der Form. Schreibe nur nicht zu viele Briefe — von mir an bis zu Goethe —; mit dem nämlichen Magen, Kopfe, Auge (es iſt hier blos vom Körper-Hemmſchuh an Apollons oder Pſychens Wagen die Rede) hätteſt du eben ſo gut 16 Seiten für den Druck, als 4 für Goethe ausarbeiten und20 geben können.
Aber wie Johnson Geſpräche über Leſen und Schreiben**) ſetzte, ſo du (wahrſcheinlich) Briefe über Bücher; — und in Rückſicht des Genuſſes habt ihr beide Recht. Schriftſtellerei muß man ſich zu- letzt zur Pflicht machen; hätt’ ich indeß dieſen Grundſatz nicht, ſo25 wüßt ich nichts amüſanteres als Briefe und Geſpräche. Du als Präſident und Weltmann und Thée-Geber — den meiſten Arzneien wird Thée nachgetrunken —
d. 24ten
„wirſt zum Doppelgenuſſe des Geſprächs verlockt und genöthigt.“30 So werd’ ich haben fortfahren wollen. Über Werner bin ich deiner äſthetiſchen und philoſophiſchen Meinung. Am tollſten wurd’ ich über ſeinen Luther; daß er aus Luther und Eliſabeth ſolche zer-
*) Sie ſollen doch ſchon im jetzigen Meßkatalog ſtehen.
**)35Aber, hoff’ ich, mit Ausnahme der Empfängnis der Kunſtwerke und Syſteme und mit Ausnahme der Darſtellung von deren Lebens- und Seelen- Stellen.
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Ich folge jetzt deinem Briefe.
In meinen ſehr ernſten Daemmerungen (ſie ſind die fortgeſetzte
Friedens Predigt) wirſt du mehr für dich finden als in meinen
komiſchen Werken, welche dich, glaub’ ich, zu wenig anſprechen wie
mich viel. Ich erlaubte Cotta — ſie ſind ſchon vom Auguſt 08 5
bis März 09 geſchrieben — eine Verſpätung der Herausgabe bis
zur Oſtermeſſe 1810. *) — Nicht am Verlegen, ſondern am Machen
deiner opp. omn. fehlts. Cotta nähme ſie mit eben ſo viel Ver-
gnügen als du nachher über ſeine ganze liberale Handlungs Weiſe
haben würdeſt. Auch eigentlich nicht am Machen deiner Werke 10
fehlts; viele ſind ſchon gemacht, ſo wie deine Briefe, aus denen
du geben willſt; Pensées à la Pascal (die à la Montaigne weniger)
kommen ſogleich mit ihrer ganzen beſten Form auf die Welt. Du
biſt wirklich der jetzigen ſich ſelber immer durchſichtiger aushölenden
Zeit deine Fülle und Aufopferung ſchuldig ſogar (im Zeitmangel 15
durch Krankheit) auf einige Koſten der Form. Schreibe nur nicht
zu viele Briefe — von mir an bis zu Goethe —; mit dem nämlichen
Magen, Kopfe, Auge (es iſt hier blos vom Körper-Hemmſchuh
an Apollons oder Pſychens Wagen die Rede) hätteſt du eben ſo
gut 16 Seiten für den Druck, als 4 für Goethe ausarbeiten und 20
geben können.
Aber wie Johnson Geſpräche über Leſen und Schreiben **) ſetzte,
ſo du (wahrſcheinlich) Briefe über Bücher; — und in Rückſicht des
Genuſſes habt ihr beide Recht. Schriftſtellerei muß man ſich zu-
letzt zur Pflicht machen; hätt’ ich indeß dieſen Grundſatz nicht, ſo 25
wüßt ich nichts amüſanteres als Briefe und Geſpräche. Du als
Präſident und Weltmann und Thée-Geber — den meiſten Arzneien
wird Thée nachgetrunken —
d. 24ten
„wirſt zum Doppelgenuſſe des Geſprächs verlockt und genöthigt.“ 30
So werd’ ich haben fortfahren wollen. Über Werner bin ich deiner
äſthetiſchen und philoſophiſchen Meinung. Am tollſten wurd’ ich
über ſeinen Luther; daß er aus Luther und Eliſabeth ſolche zer-
*) Sie ſollen doch ſchon im jetzigen Meßkatalog ſtehen.
**) Aber, hoff’ ich, mit Ausnahme der Empfängnis der Kunſtwerke und
Syſteme und mit Ausnahme der Darſtellung von deren Lebens- und Seelen-
Stellen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/64>, abgerufen am 16.02.2025.
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