Guten Morgen! Gestern auf dem Wege zu dir einige Schritte von deinem Hause sagte mir meine Magd -- neben einem das Meuselsche Bier holenden Kärner gehend -- daß du bei Dob[eneck];5 und so ging ich mit dem Discurszettel und der Weinprobe dorthin. Ich ließ mir ein Kistchen alten Franz aus Bamberg kommen; ver- suche, ob er dir so gut und ächt vorkommt als mir. -- Vielleicht komm' ich morgen abends. Da möcht' ich gern das Kampaner Thal mitnehmen.10
168. An Dr. Ferdinand Beneke in Hamburg.
Bayreuth 15. Okt. 1809
Ihr mich rührender und erfreuender Brief beweiset, wie stark Sie zugleich lieben und verabscheuen; und ich bin froh, nur vom erstern der Gegenstand zu sein. Gegen Fremde -- also auch gegen15 H--r -- bin ich, wenigstens anfangs, nur allgemein und halb-offen (wiewol leider doch zu wenig), weil ich immer mein stilles Wort im nächsten Buche oder Briefe schreiend wieder zu finden fürchte. Wie kommt H. zum Misverständnis von "warmem Verehrer"?20 Wär' ich wirklich dieser mir untergeschobnen Meinung: so hätte mich ja bisher nichts abhalten sondern nur alles anreizen können, sie öffentlich recht stark zu sagen. -- In meinen Büchern liegt, sobald man meine Ironien versteht, meine Meinung offen da; lieber schweige als heuchle ich. In den Daemmerungen, die viel- leicht jetzt heraus sind, werden Sie die Widerlegung der H--r'schen25 Nachricht noch stärker finden.
Ihre Hypothese zur Erklärung ist also die wahre. Was un- moralische Mittel sind, darüber waren von jeher alle poli- tischen wie religiösen Parteien mitten im Zanken eins; nur ob irgend ein Heros der Zeit mit ihnen ein sittliches oder unsittliches30 Ziel verfolge und verfolgen dürfe, darüber gabs Parteien. -- Fast die allgemeine Meinung ists -- aber nicht meine -- daß so wie Vaterlandsliebe auf Kosten der Welt-Liebe, so monarchische oder republikanische Vorsorge für ein bestimmtes Land auf Kosten aller Länder umher gelte ja rechtlich sei. Daher das Gebot, jedes an-35
167. An Otto.
[Bayreuth, 15. Okt. 1809]
Guten Morgen! Geſtern auf dem Wege zu dir einige Schritte von deinem Hauſe ſagte mir meine Magd — neben einem das Meuſelſche Bier holenden Kärner gehend — daß du bei Dob[eneck];5 und ſo ging ich mit dem Discurszettel und der Weinprobe dorthin. Ich ließ mir ein Kiſtchen alten Franz aus Bamberg kommen; ver- ſuche, ob er dir ſo gut und ächt vorkommt als mir. — Vielleicht komm’ ich morgen abends. Da möcht’ ich gern das Kampaner Thal mitnehmen.10
168. An Dr. Ferdinand Beneke in Hamburg.
Bayreuth 15. Okt. 1809
Ihr mich rührender und erfreuender Brief beweiſet, wie ſtark Sie zugleich lieben und verabſcheuen; und ich bin froh, nur vom erſtern der Gegenſtand zu ſein. Gegen Fremde — alſo auch gegen15 H—r — bin ich, wenigſtens anfangs, nur allgemein und halb-offen (wiewol leider doch zu wenig), weil ich immer mein ſtilles Wort im nächſten Buche oder Briefe ſchreiend wieder zu finden fürchte. Wie kommt H. zum Misverſtändnis von „warmem Verehrer“?20 Wär’ ich wirklich dieſer mir untergeſchobnen Meinung: ſo hätte mich ja bisher nichts abhalten ſondern nur alles anreizen können, ſie öffentlich recht ſtark zu ſagen. — In meinen Büchern liegt, ſobald man meine Ironien verſteht, meine Meinung offen da; lieber ſchweige als heuchle ich. In den Daemmerungen, die viel- leicht jetzt heraus ſind, werden Sie die Widerlegung der H—r’ſchen25 Nachricht noch ſtärker finden.
Ihre Hypotheſe zur Erklärung iſt alſo die wahre. Was un- moraliſche Mittel ſind, darüber waren von jeher alle poli- tiſchen wie religiöſen Parteien mitten im Zanken eins; nur ob irgend ein Heros der Zeit mit ihnen ein ſittliches oder unſittliches30 Ziel verfolge und verfolgen dürfe, darüber gabs Parteien. — Faſt die allgemeine Meinung iſts — aber nicht meine — daß ſo wie Vaterlandsliebe auf Koſten der Welt-Liebe, ſo monarchiſche oder republikaniſche Vorſorge für ein beſtimmtes Land auf Koſten aller Länder umher gelte ja rechtlich ſei. Daher das Gebot, jedes an-35
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167. An Otto.
[Bayreuth, 15. Okt. 1809]
Guten Morgen! Geſtern auf dem Wege zu dir einige Schritte
von deinem Hauſe ſagte mir meine Magd — neben einem das
Meuſelſche Bier holenden Kärner gehend — daß du bei Dob[eneck]; 5
und ſo ging ich mit dem Discurszettel und der Weinprobe dorthin.
Ich ließ mir ein Kiſtchen alten Franz aus Bamberg kommen; ver-
ſuche, ob er dir ſo gut und ächt vorkommt als mir. — Vielleicht
komm’ ich morgen abends. Da möcht’ ich gern das Kampaner
Thal mitnehmen. 10
168. An Dr. Ferdinand Beneke in Hamburg.
Bayreuth 15. Okt. 1809
Ihr mich rührender und erfreuender Brief beweiſet, wie ſtark
Sie zugleich lieben und verabſcheuen; und ich bin froh, nur vom
erſtern der Gegenſtand zu ſein. Gegen Fremde — alſo auch gegen 15
H—r — bin ich, wenigſtens anfangs, nur allgemein und halb-offen
(wiewol leider doch zu wenig), weil ich immer mein ſtilles Wort
im nächſten Buche oder Briefe ſchreiend wieder zu finden fürchte.
Wie kommt H. zum Misverſtändnis von „warmem Verehrer“? 20
Wär’ ich wirklich dieſer mir untergeſchobnen Meinung: ſo hätte
mich ja bisher nichts abhalten ſondern nur alles anreizen können,
ſie öffentlich recht ſtark zu ſagen. — In meinen Büchern liegt,
ſobald man meine Ironien verſteht, meine Meinung offen da;
lieber ſchweige als heuchle ich. In den Daemmerungen, die viel-
leicht jetzt heraus ſind, werden Sie die Widerlegung der H—r’ſchen 25
Nachricht noch ſtärker finden.
Ihre Hypotheſe zur Erklärung iſt alſo die wahre. Was un-
moraliſche Mittel ſind, darüber waren von jeher alle poli-
tiſchen wie religiöſen Parteien mitten im Zanken eins; nur ob
irgend ein Heros der Zeit mit ihnen ein ſittliches oder unſittliches 30
Ziel verfolge und verfolgen dürfe, darüber gabs Parteien. — Faſt
die allgemeine Meinung iſts — aber nicht meine — daß ſo wie
Vaterlandsliebe auf Koſten der Welt-Liebe, ſo monarchiſche oder
republikaniſche Vorſorge für ein beſtimmtes Land auf Koſten aller
Länder umher gelte ja rechtlich ſei. Daher das Gebot, jedes an- 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/69>, abgerufen am 16.02.2025.
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