Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.thust beiden Unrecht, nicht im Allgemeinen sondern in Rücksicht d. 17ten Jul.15 Dein gutgemeinter Ärger über Sophie -- aber nicht die Liebe- *) Nie werde dieser Brief gedruckt, auch nach meinem Tode; nur Worte über35
einzelne blos an einzelne braucht man nicht auf die Wage zu legen. thuſt beiden Unrecht, nicht im Allgemeinen ſondern in Rückſicht d. 17ten Jul.15 Dein gutgemeinter Ärger über Sophie — aber nicht die Liebe- *) Nie werde dieſer Brief gedruckt, auch nach meinem Tode; nur Worte über35
einzelne blos an einzelne braucht man nicht auf die Wage zu legen. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0226" n="219"/> thuſt beiden Unrecht, nicht im Allgemeinen ſondern in Rückſicht<lb/> meiner. Wie ſoll <hi rendition="#aq">Schlegel</hi> auch nur irgend einen Antheil an mir<lb/> nehmen, da ich ihn immer ohne einen und mit lauter Scherzen be-<lb/> handelt und nicht einmal Abſchied genommen habe, freilich auch<lb/> weil ich und er nie recht bei einander angekommen waren? Ich<lb n="5"/> vergäbe ihm auch jede pedantiſche Geckerei und Glanzſucht, wäre<lb/> nur ſein Innen und Außen nicht ein langes Eisfeld ſelbſüchtiger<lb/> Kälte gegen Menſchen und Wahrheiten und Wärme; er will nichts<lb/> hören [<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">gestrichen:</hi></hi> (nicht einmal Gott)]<note place="foot" n="*)">Nie werde dieſer Brief gedruckt, auch nach meinem Tode; nur Worte über<lb n="35"/> einzelne blos an einzelne braucht man nicht auf die Wage zu legen.</note> als ſich ſelber und im<lb/> Meere der Ewigkeit will er nichts ſehen als ſein Spiegelbild —<lb n="10"/> Übrigens legſt du ſeinem Äußern bei der Waſſerfahrt gewiß mehr<lb/> Anmaßung unter als da war; warum ertrug er denn mein kleines<lb/> Necken ſo lammhaft? —</p><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#aq">d. 17<hi rendition="#sup">ten</hi> Jul.</hi> </hi> </dateline> <lb n="15"/> <p>Dein gutgemeinter Ärger über Sophie — aber nicht die Liebe-<lb/> quelle deſſelben — hat mich halb komiſch ergözt: Laſſe ſie doch die<lb/> Ellbogen aufſtemmen und ſie zärtlich anhören, wen ſie will: was<lb/> geht es uns an? — Ich habe ſelber ſie in der erſten Stunde (was die<lb/> Mutter dem <hi rendition="#aq">Frankfurt</hi> unrichtig zuſchrieb) nicht ſo behandelt und<lb/> gefunden wie ſonſt. Soll ſie denn am alten Hausfreund ihrer Mutter<lb n="20"/> keinen Antheil nehmen? Aber ſeltſam genug hat ſie ihn nie mit<lb/> Einem Worte gegen meine Ausfälle gedeckt; liebt ſie nun auch nur<lb/> mäßig: ſo kann ſie wenig Freude an mir gefunden haben. Freilich<lb/> ſo wie du, konnte nicht ſie mir zum zweiten male vorkommen; denn<lb/> für dich hat die Abweſenheit mich noch mehr erwärmt, für ſie faſt<lb n="25"/> abgekühlt, da ich gar zu wenig Liebe und Nachſicht für andere<lb/> Menſchen bei ihr finde. Zu reden und zu ſchreiben verſucht und ver-<lb/> mag ſie auch nicht ſehr; aber was könnt’ ich ihr vollends ſeit der<lb/> Abreiſe je mehr zu ſchreiben haben? Eine Freundin büßt man leichter<lb/> ein als einen Freund. — Gerade dir entgegengeſetzt, vergeb’ ich ihr<lb n="30"/> 10 mal lieber das Lieben als das Heirathen des <hi rendition="#aq">Schlegel</hi>. Er freilich<lb/> wird, wenn ſie auch nur mit Einem Flügel an ſeinen Spinnenfäden<lb/> klebt, ſie ſo lange darin umdrehen bis er ſie umſtrickt in die Kanker-<lb/> höle ziehen kann; aber einen ihres Charakters und ihrer Begeiſterung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [219/0226]
thuſt beiden Unrecht, nicht im Allgemeinen ſondern in Rückſicht
meiner. Wie ſoll Schlegel auch nur irgend einen Antheil an mir
nehmen, da ich ihn immer ohne einen und mit lauter Scherzen be-
handelt und nicht einmal Abſchied genommen habe, freilich auch
weil ich und er nie recht bei einander angekommen waren? Ich 5
vergäbe ihm auch jede pedantiſche Geckerei und Glanzſucht, wäre
nur ſein Innen und Außen nicht ein langes Eisfeld ſelbſüchtiger
Kälte gegen Menſchen und Wahrheiten und Wärme; er will nichts
hören [gestrichen: (nicht einmal Gott)] *) als ſich ſelber und im
Meere der Ewigkeit will er nichts ſehen als ſein Spiegelbild — 10
Übrigens legſt du ſeinem Äußern bei der Waſſerfahrt gewiß mehr
Anmaßung unter als da war; warum ertrug er denn mein kleines
Necken ſo lammhaft? —
d. 17ten Jul. 15
Dein gutgemeinter Ärger über Sophie — aber nicht die Liebe-
quelle deſſelben — hat mich halb komiſch ergözt: Laſſe ſie doch die
Ellbogen aufſtemmen und ſie zärtlich anhören, wen ſie will: was
geht es uns an? — Ich habe ſelber ſie in der erſten Stunde (was die
Mutter dem Frankfurt unrichtig zuſchrieb) nicht ſo behandelt und
gefunden wie ſonſt. Soll ſie denn am alten Hausfreund ihrer Mutter 20
keinen Antheil nehmen? Aber ſeltſam genug hat ſie ihn nie mit
Einem Worte gegen meine Ausfälle gedeckt; liebt ſie nun auch nur
mäßig: ſo kann ſie wenig Freude an mir gefunden haben. Freilich
ſo wie du, konnte nicht ſie mir zum zweiten male vorkommen; denn
für dich hat die Abweſenheit mich noch mehr erwärmt, für ſie faſt 25
abgekühlt, da ich gar zu wenig Liebe und Nachſicht für andere
Menſchen bei ihr finde. Zu reden und zu ſchreiben verſucht und ver-
mag ſie auch nicht ſehr; aber was könnt’ ich ihr vollends ſeit der
Abreiſe je mehr zu ſchreiben haben? Eine Freundin büßt man leichter
ein als einen Freund. — Gerade dir entgegengeſetzt, vergeb’ ich ihr 30
10 mal lieber das Lieben als das Heirathen des Schlegel. Er freilich
wird, wenn ſie auch nur mit Einem Flügel an ſeinen Spinnenfäden
klebt, ſie ſo lange darin umdrehen bis er ſie umſtrickt in die Kanker-
höle ziehen kann; aber einen ihres Charakters und ihrer Begeiſterung
*) Nie werde dieſer Brief gedruckt, auch nach meinem Tode; nur Worte über 35
einzelne blos an einzelne braucht man nicht auf die Wage zu legen.
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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