Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

Bild:
<< vorherige Seite

Frühling wird uns hoff' ich zusammenbringen in Baireut, aber nicht
in Heidelberg; denn meine künftigen Reiselinien ziehen sich seit-
wärts, wahrscheinlich über Stuttgart der Schweiz näher. Wie bin
ich erschrocken, Guter, daß mir deine geliebte Geburtfeier unbewußt
vorübergeflogen! Aber ohne Kalendernoten gings mir von jeher5
mit jeder Feier so und die meiner Frau, den 7ten Juny, behielt ich
zuletzt nur durch den ihr gebührenden Heiligennamen Lucretia.
Aber in meinem Herzen hast du bisher viele 29te Oktober erlebt,
und was Wünsche anlangt, so braucht auch dein reiches keine mehr,
ausgenommen die, welche deine himmlische Mutter für ein --10
fremdes thut, damit dieses komme und deine Brust so seelig erwärme
wie ihres deines Vaters seine. -- Hier grüß' ich beide herzlich; und
bringe auch Schwarz und Daub und Tiedemann und andern
Grüßenden Grüße.15

Dein
Jean Paul Fr. Richter

Wenn ich ohne sonderlichen Witz, ja zuweilen ohne sonderliche
Sprachreinheit schreibe: so bedenke nur, daß ich nicht blos eile,
sondern auch dich liebe.

Nachschrift der Nachschrift: Über Hamlet hast du köstlich und20
genial errathen; wer sich wahnsinnig stellt, wars und wirds und ists.

477. An Israel Enzel in Bayreuth.
[Kopie]

Ich habe nicht den Muth, Sie zu sehen, nachdem Ihnen das
Schicksal in die alte Wunde eine neue geschlagen. Es gibt hier25
keinen Trost als den, daß Sie kein sterbliches Kind verloren, sondern
ein unsterbliches, das nicht unterging sondern nur vorausging und
das doch den kleinen Mai seines Lebens unter lauter Blumen --
und ohne solche Schmerzen wie elterliche sind -- verspielte.30

478. An Otto.

Guten Tag, Alter! Da der zertrümmerte Enzel mein Loosgeld
nicht assignieren kann und ich es selber schicken muß: muß ich es
frankieren? Und trifft es den J. G. Winkler ohne weitere Beischrift?

Frühling wird uns hoff’ ich zuſammenbringen in Baireut, aber nicht
in Heidelberg; denn meine künftigen Reiſelinien ziehen ſich ſeit-
wärts, wahrſcheinlich über Stuttgart der Schweiz näher. Wie bin
ich erſchrocken, Guter, daß mir deine geliebte Geburtfeier unbewußt
vorübergeflogen! Aber ohne Kalendernoten gings mir von jeher5
mit jeder Feier ſo und die meiner Frau, den 7ten Juny, behielt ich
zuletzt nur durch den ihr gebührenden Heiligennamen Lucretia.
Aber in meinem Herzen haſt du bisher viele 29te Oktober erlebt,
und was Wünſche anlangt, ſo braucht auch dein reiches keine mehr,
ausgenommen die, welche deine himmliſche Mutter für ein —10
fremdes thut, damit dieſes komme und deine Bruſt ſo ſeelig erwärme
wie ihres deines Vaters ſeine. — Hier grüß’ ich beide herzlich; und
bringe auch Schwarz und Daub und Tiedemann und andern
Grüßenden Grüße.15

Dein
Jean Paul Fr. Richter

Wenn ich ohne ſonderlichen Witz, ja zuweilen ohne ſonderliche
Sprachreinheit ſchreibe: ſo bedenke nur, daß ich nicht blos eile,
ſondern auch dich liebe.

Nachſchrift der Nachſchrift: Über Hamlet haſt du köſtlich und20
genial errathen; wer ſich wahnſinnig ſtellt, wars und wirds und iſts.

477. An Iſrael Enzel in Bayreuth.
[Kopie]

Ich habe nicht den Muth, Sie zu ſehen, nachdem Ihnen das
Schickſal in die alte Wunde eine neue geſchlagen. Es gibt hier25
keinen Troſt als den, daß Sie kein ſterbliches Kind verloren, ſondern
ein unſterbliches, das nicht unterging ſondern nur vorausging und
das doch den kleinen Mai ſeines Lebens unter lauter Blumen —
und ohne ſolche Schmerzen wie elterliche ſind — verſpielte.30

478. An Otto.

Guten Tag, Alter! Da der zertrümmerte Enzel mein Loosgeld
nicht aſſignieren kann und ich es ſelber ſchicken muß: muß ich es
frankieren? Und trifft es den J. G. Winkler ohne weitere Beiſchrift?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0246" n="239"/>
Frühling wird uns hoff&#x2019; ich zu&#x017F;ammenbringen in <hi rendition="#aq">Baireut,</hi> aber nicht<lb/>
in <hi rendition="#aq">Heidelberg;</hi> denn meine künftigen Rei&#x017F;elinien ziehen &#x017F;ich &#x017F;eit-<lb/>
wärts, wahr&#x017F;cheinlich über Stuttgart der Schweiz näher. Wie bin<lb/>
ich er&#x017F;chrocken, Guter, daß mir deine geliebte Geburtfeier unbewußt<lb/>
vorübergeflogen! Aber ohne Kalendernoten gings mir von jeher<lb n="5"/>
mit jeder Feier &#x017F;o und die meiner Frau, den 7<hi rendition="#sup">ten</hi> Juny, behielt ich<lb/>
zuletzt nur durch den ihr gebührenden Heiligennamen <hi rendition="#aq">Lucretia</hi>.<lb/>
Aber in meinem Herzen ha&#x017F;t du bisher viele 29<hi rendition="#sup">te</hi> Oktober erlebt,<lb/>
und was Wün&#x017F;che anlangt, &#x017F;o braucht auch dein reiches keine mehr,<lb/>
ausgenommen die, welche deine himmli&#x017F;che Mutter für ein &#x2014;<lb n="10"/>
fremdes thut, damit die&#x017F;es komme und deine Bru&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;eelig erwärme<lb/>
wie ihres deines Vaters &#x017F;eine. &#x2014; Hier grüß&#x2019; ich beide herzlich; und<lb/>
bringe auch <hi rendition="#aq">Schwarz</hi> und <hi rendition="#aq">Daub</hi> und <hi rendition="#aq">Tiedemann</hi> und andern<lb/>
Grüßenden Grüße.<lb n="15"/>
</p>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#right">Dein<lb/>
Jean Paul Fr. Richter</hi> </salute>
          </closer><lb/>
          <postscript>
            <p>Wenn ich ohne &#x017F;onderlichen Witz, ja zuweilen ohne &#x017F;onderliche<lb/>
Sprachreinheit &#x017F;chreibe: &#x017F;o bedenke nur, daß ich nicht blos eile,<lb/>
&#x017F;ondern auch dich liebe.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Nach&#x017F;chrift der Nach&#x017F;chrift:</hi> Über <hi rendition="#aq">Hamlet</hi> ha&#x017F;t du kö&#x017F;tlich und<lb n="20"/>
genial errathen; wer &#x017F;ich wahn&#x017F;innig &#x017F;tellt, wars und wirds und i&#x017F;ts.</p>
          </postscript>
        </div>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>477. An <hi rendition="#g">I&#x017F;rael Enzel in Bayreuth.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, Ende Nov. 1818]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Ich habe nicht den Muth, Sie zu &#x017F;ehen, nachdem Ihnen das<lb/>
Schick&#x017F;al in die alte Wunde eine neue ge&#x017F;chlagen. Es gibt hier<lb n="25"/>
keinen Tro&#x017F;t als den, daß Sie kein &#x017F;terbliches Kind verloren, &#x017F;ondern<lb/>
ein un&#x017F;terbliches, das nicht unterging &#x017F;ondern nur vorausging und<lb/>
das doch den kleinen Mai &#x017F;eines Lebens unter lauter Blumen &#x2014;<lb/>
und ohne &#x017F;olche Schmerzen wie elterliche &#x017F;ind &#x2014; ver&#x017F;pielte.<lb n="30"/>
</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>478. An <hi rendition="#g">Otto.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, Ende Nov. 1818]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Guten Tag, Alter! Da der zertrümmerte Enzel mein Loosgeld<lb/>
nicht a&#x017F;&#x017F;ignieren kann und ich es &#x017F;elber &#x017F;chicken muß: muß ich es<lb/>
frankieren? Und trifft es den <hi rendition="#aq">J. G. Winkler</hi> ohne weitere Bei&#x017F;chrift?</p>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0246] Frühling wird uns hoff’ ich zuſammenbringen in Baireut, aber nicht in Heidelberg; denn meine künftigen Reiſelinien ziehen ſich ſeit- wärts, wahrſcheinlich über Stuttgart der Schweiz näher. Wie bin ich erſchrocken, Guter, daß mir deine geliebte Geburtfeier unbewußt vorübergeflogen! Aber ohne Kalendernoten gings mir von jeher 5 mit jeder Feier ſo und die meiner Frau, den 7ten Juny, behielt ich zuletzt nur durch den ihr gebührenden Heiligennamen Lucretia. Aber in meinem Herzen haſt du bisher viele 29te Oktober erlebt, und was Wünſche anlangt, ſo braucht auch dein reiches keine mehr, ausgenommen die, welche deine himmliſche Mutter für ein — 10 fremdes thut, damit dieſes komme und deine Bruſt ſo ſeelig erwärme wie ihres deines Vaters ſeine. — Hier grüß’ ich beide herzlich; und bringe auch Schwarz und Daub und Tiedemann und andern Grüßenden Grüße. 15 Dein Jean Paul Fr. Richter Wenn ich ohne ſonderlichen Witz, ja zuweilen ohne ſonderliche Sprachreinheit ſchreibe: ſo bedenke nur, daß ich nicht blos eile, ſondern auch dich liebe. Nachſchrift der Nachſchrift: Über Hamlet haſt du köſtlich und 20 genial errathen; wer ſich wahnſinnig ſtellt, wars und wirds und iſts. 477. An Iſrael Enzel in Bayreuth. [Bayreuth, Ende Nov. 1818] Ich habe nicht den Muth, Sie zu ſehen, nachdem Ihnen das Schickſal in die alte Wunde eine neue geſchlagen. Es gibt hier 25 keinen Troſt als den, daß Sie kein ſterbliches Kind verloren, ſondern ein unſterbliches, das nicht unterging ſondern nur vorausging und das doch den kleinen Mai ſeines Lebens unter lauter Blumen — und ohne ſolche Schmerzen wie elterliche ſind — verſpielte. 30 478. An Otto. [Bayreuth, Ende Nov. 1818] Guten Tag, Alter! Da der zertrümmerte Enzel mein Loosgeld nicht aſſignieren kann und ich es ſelber ſchicken muß: muß ich es frankieren? Und trifft es den J. G. Winkler ohne weitere Beiſchrift?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/246
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/246>, abgerufen am 21.11.2024.