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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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dachte nicht, daß ich ohne deinen Schreibhanddruck ins neue Jahr
übertreten würde. Hätt' ich nicht immer so sehr gehofft, ich hätte
schon im alten geklagt.

Unerwartet zogen die Eistage dieses mal vor meiner Lunge und
meinem Herzen vorbei, ohne beide feindselig zu berühren. Ende5
künftiger Woche werden noch einige Schneetage nachkommen;
und dann wird diese russische Einquartierung friedlich vorüber sein.
Kleine Wetterstiche muß man in diesem winterlichen Franken nicht
achten.

Von deinem zweiten Bande des Shakespear's ist mir noch nichts10
zugekommen. -- Dein Todesurtheil über die Ahnfrau unterschreib'
ich nicht nur, ich unterstreich' es mit rother Blut- und byzantinischer
Kaiserdinte. Blos mehre Blitze der Sprache ausgenommen, ist
mir diese Ahnfrau eine erbärmliche Scheintodte, die nicht einmal in
den gemeinen Schauder vor einer Leiche versetzt. --15

Deine frühere Frage über das Bockblut bei Diamanten hab' ich
richtig beantwortet; ich fand in Lessings antiquarischen Briefen
B. 11 der opp. S. 241 die Stelle aus Plinius wieder: hircino
sanguine, eoque recenti calidoque, macerata (adamas).
20


Endlich hat das Gestern mein Sehnen gestillt und mir die alten
Freuden wiedergegeben, du Treuester! Wahrlich, in meiner Wolke
dacht' ich oft dich oder eines von deinen Eltern gestorben. Doch
dieß mal hatte nur eine Gast-Freude den Knoten des Schauspiels
geknüpft und eine andere ihn gelöset.25

Jetzt will ich dir antworten mit vieler Vernunft; nur werde jedes
Durcheinander erlaubt!

Um des Himmels Willen überarbeite dich nicht, um etwan eine
Reise machen zu können -- die dann am Ende leicht über die Leben-
digen hinaus gehen könnte. Nicht einmal einer Reise, sondern nur30
einer Beschleunigung derselben wegen willst du dir den Körper und
am Ende auch ein Buch*) verderben, welche beide doch länger dauern

*) Nach 10 Jahren ist dir gleichgültig, ob die Reise früher gewesen, aber
nicht, ob dadurch das Buch weniger gut geworden.

dachte nicht, daß ich ohne deinen Schreibhanddruck ins neue Jahr
übertreten würde. Hätt’ ich nicht immer ſo ſehr gehofft, ich hätte
ſchon im alten geklagt.

Unerwartet zogen die Eistage dieſes mal vor meiner Lunge und
meinem Herzen vorbei, ohne beide feindſelig zu berühren. Ende5
künftiger Woche werden noch einige Schneetage nachkommen;
und dann wird dieſe ruſſiſche Einquartierung friedlich vorüber ſein.
Kleine Wetterſtiche muß man in dieſem winterlichen Franken nicht
achten.

Von deinem zweiten Bande des Shakeſpear’s iſt mir noch nichts10
zugekommen. — Dein Todesurtheil über die Ahnfrau unterſchreib’
ich nicht nur, ich unterſtreich’ es mit rother Blut- und byzantiniſcher
Kaiſerdinte. Blos mehre Blitze der Sprache ausgenommen, iſt
mir dieſe Ahnfrau eine erbärmliche Scheintodte, die nicht einmal in
den gemeinen Schauder vor einer Leiche verſetzt. —15

Deine frühere Frage über das Bockblut bei Diamanten hab’ ich
richtig beantwortet; ich fand in Leſſings antiquariſchen Briefen
B. 11 der opp. S. 241 die Stelle aus Plinius wieder: hircino
sanguine, eoque recenti calidoque, macerata (adamas).
20


Endlich hat das Geſtern mein Sehnen geſtillt und mir die alten
Freuden wiedergegeben, du Treueſter! Wahrlich, in meiner Wolke
dacht’ ich oft dich oder eines von deinen Eltern geſtorben. Doch
dieß mal hatte nur eine Gaſt-Freude den Knoten des Schauſpiels
geknüpft und eine andere ihn gelöſet.25

Jetzt will ich dir antworten mit vieler Vernunft; nur werde jedes
Durcheinander erlaubt!

Um des Himmels Willen überarbeite dich nicht, um etwan eine
Reiſe machen zu können — die dann am Ende leicht über die Leben-
digen hinaus gehen könnte. Nicht einmal einer Reiſe, ſondern nur30
einer Beſchleunigung derſelben wegen willſt du dir den Körper und
am Ende auch ein Buch*) verderben, welche beide doch länger dauern

*) Nach 10 Jahren iſt dir gleichgültig, ob die Reiſe früher geweſen, aber
nicht, ob dadurch das Buch weniger gut geworden.
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[247/0254] dachte nicht, daß ich ohne deinen Schreibhanddruck ins neue Jahr übertreten würde. Hätt’ ich nicht immer ſo ſehr gehofft, ich hätte ſchon im alten geklagt. Unerwartet zogen die Eistage dieſes mal vor meiner Lunge und meinem Herzen vorbei, ohne beide feindſelig zu berühren. Ende 5 künftiger Woche werden noch einige Schneetage nachkommen; und dann wird dieſe ruſſiſche Einquartierung friedlich vorüber ſein. Kleine Wetterſtiche muß man in dieſem winterlichen Franken nicht achten. Von deinem zweiten Bande des Shakeſpear’s iſt mir noch nichts 10 zugekommen. — Dein Todesurtheil über die Ahnfrau unterſchreib’ ich nicht nur, ich unterſtreich’ es mit rother Blut- und byzantiniſcher Kaiſerdinte. Blos mehre Blitze der Sprache ausgenommen, iſt mir dieſe Ahnfrau eine erbärmliche Scheintodte, die nicht einmal in den gemeinen Schauder vor einer Leiche verſetzt. — 15 Deine frühere Frage über das Bockblut bei Diamanten hab’ ich richtig beantwortet; ich fand in Leſſings antiquariſchen Briefen B. 11 der opp. S. 241 die Stelle aus Plinius wieder: hircino sanguine, eoque recenti calidoque, macerata (adamas). 20 d. 7. Jenn. Endlich hat das Geſtern mein Sehnen geſtillt und mir die alten Freuden wiedergegeben, du Treueſter! Wahrlich, in meiner Wolke dacht’ ich oft dich oder eines von deinen Eltern geſtorben. Doch dieß mal hatte nur eine Gaſt-Freude den Knoten des Schauſpiels geknüpft und eine andere ihn gelöſet. 25 Jetzt will ich dir antworten mit vieler Vernunft; nur werde jedes Durcheinander erlaubt! Um des Himmels Willen überarbeite dich nicht, um etwan eine Reiſe machen zu können — die dann am Ende leicht über die Leben- digen hinaus gehen könnte. Nicht einmal einer Reiſe, ſondern nur 30 einer Beſchleunigung derſelben wegen willſt du dir den Körper und am Ende auch ein Buch *) verderben, welche beide doch länger dauern *) Nach 10 Jahren iſt dir gleichgültig, ob die Reiſe früher geweſen, aber nicht, ob dadurch das Buch weniger gut geworden.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/254>, abgerufen am 22.11.2024.