Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.und -- Napoleons, ein Feind aller Wunder, Geister, ein etc. etc. pro- -- Ach wie viel hätt' ich nun erst zu antworten! -- Das Unken Im künftigen Monat bin ich in Regensburg. Lieber sollt' ich *) Er selber behält sich den Alleinhandel des Neuerns vor: so schreibt35
er blos mit lateinischen Buchstaben -- kein ph, kein ß, kein th sondern Tat, Rat, muss, mü sen, dass. und — Napoleons, ein Feind aller Wunder, Geiſter, ein ꝛc. ꝛc. pro- — Ach wie viel hätt’ ich nun erſt zu antworten! — Das Unken Im künftigen Monat bin ich in Regensburg. Lieber ſollt’ ich *) Er ſelber behält ſich den Alleinhandel des Neuerns vor: ſo ſchreibt35
er blos mit lateiniſchen Buchſtaben — kein ph, kein ß, kein th ſondern Tât, Rât, muſſ, mü ſen, daſſ. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0074" n="69"/> und — <hi rendition="#aq">Napoleons,</hi> ein Feind aller Wunder, Geiſter, ein ꝛc. ꝛc. pro-<lb/> ſaiſcher Proſaiſt, wie man „poetiſche Poeten“ hat. Wie die Männ-<lb/> chen aus Hollundermark am Kopfe mit Blei bedachet, ſo können Sie<lb/> ihn heute ſo oft aufſtellen (nämlich widerlegen) als Sie wollen,<lb/> morgen ſteht das Männchen doch wieder auf dem ſchweren Kopfe.<lb n="5"/> Übrigens iſt er nur im Schreiben biſſig — daher ich zuletzt kein<lb/> Handbriefchen mehr von ihm annahm —, aber im Leben und<lb/> Sprechen ſanft, gemäßigt und von vielen Seiten ſeines Gemüths<lb/> ſehr achtbar. Er hat zwar Kenntniſſe mehrer Sprachen, aber nirgend<lb/> tiefe, ſondern mäßige, doch nicht ſeichte ... Nur Ihnen zu Liebe<lb n="10"/> ſchrieb ich dieſe langweilige Nachricht. Übrigens aber ſteht Ihnen<lb/> das Nennen ſeines Namen frei; ſeine Unſichtbarkeit hat er durch<lb/> ſeine perſönlichen Anſpielungen verwirkt.<note place="foot" n="*)">Er ſelber behält ſich den Alleinhandel des Neuerns vor: ſo ſchreibt<lb n="35"/> er blos mit lateiniſchen Buchſtaben — kein <hi rendition="#aq">ph,</hi> kein ß, kein <hi rendition="#aq">th</hi> ſondern<lb/><hi rendition="#aq">Tât, Rât, muſſ, mü ſen, daſſ.</hi></note></p><lb/> <p>— Ach wie viel hätt’ ich nun erſt zu antworten! — Das Unken<lb/> der deutſchen Sprache (die <hi rendition="#aq">ungs,</hi> wovon uns im Lateiniſchen das<lb n="15"/> einzige <hi rendition="#aq">quincunx</hi> ſo auffällt) werf’ ich, aber mit beſcheidener Frei-<lb/> heit und mit eben ſo hoher Ehrfurcht für Wirkung, Ausdruck und<lb/> Dichtkunſt als für Sprache, in allen meinen Werken heraus (zumal<lb/> in den künftigen <hi rendition="#aq">op. omn.</hi>), ſo auch Fremdwörter; nur aber ſolche<lb/> nicht wie z. B. Antike, um welche ſich ein ganzer Bienenſchwarm<lb n="20"/> nicht anders zu erſetzender Nebenbegriffe hängt. Statt Ihres<lb/> „<hi rendition="#g">Höchſtſchön</hi>“ oder „<hi rendition="#g">Denkſchönbild</hi>“ für „<hi rendition="#g">Ideal</hi>“ würd’ ich<lb/> lieber Höchſtbild oder <hi rendition="#g">Höchſtdenkbild</hi> vorſchlagen, da es ja Ideale<lb/> auch im Wiſſen, Handeln und Teufeln gibt. Der Dichter muß am<lb/> meiſten das Ohr ſchonen und kann alſo ſchwer ſagen, z. B. die „Hoffe“<lb n="25"/> (warum nicht lieber Hoffnis); weniger hat es nöthig und mehr kann<lb/> wagen und einführen der Wiſſenſchafter, der Scherzmacher.</p><lb/> <p>Im künftigen Monat bin ich in <hi rendition="#aq">Regensburg.</hi> Lieber ſollt’ ich<lb/> zu Ihnen reiſen als Sie zu mir, da ich in Ihrem Sprachſchatzberg-<lb/> werke nur den Haſpel drehen kann, Sie aber das Erz finden und<lb n="30"/> födern. Beſſer reiſeten Sie vielmehr nach <hi rendition="#aq">Freiberg</hi> zum trefflichen<lb/><hi rendition="#aq">Werner,</hi> welcher (ſeltſam genug) für die vorige Allegorie zugleich<lb/> das Bildliche und das Unbildliche hergab; denn ich brachte einmal<lb/> einen ganzen Abend mit ihm im Zuhören ſeiner Abhandlung über<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [69/0074]
und — Napoleons, ein Feind aller Wunder, Geiſter, ein ꝛc. ꝛc. pro-
ſaiſcher Proſaiſt, wie man „poetiſche Poeten“ hat. Wie die Männ-
chen aus Hollundermark am Kopfe mit Blei bedachet, ſo können Sie
ihn heute ſo oft aufſtellen (nämlich widerlegen) als Sie wollen,
morgen ſteht das Männchen doch wieder auf dem ſchweren Kopfe. 5
Übrigens iſt er nur im Schreiben biſſig — daher ich zuletzt kein
Handbriefchen mehr von ihm annahm —, aber im Leben und
Sprechen ſanft, gemäßigt und von vielen Seiten ſeines Gemüths
ſehr achtbar. Er hat zwar Kenntniſſe mehrer Sprachen, aber nirgend
tiefe, ſondern mäßige, doch nicht ſeichte ... Nur Ihnen zu Liebe 10
ſchrieb ich dieſe langweilige Nachricht. Übrigens aber ſteht Ihnen
das Nennen ſeines Namen frei; ſeine Unſichtbarkeit hat er durch
ſeine perſönlichen Anſpielungen verwirkt. *)
— Ach wie viel hätt’ ich nun erſt zu antworten! — Das Unken
der deutſchen Sprache (die ungs, wovon uns im Lateiniſchen das 15
einzige quincunx ſo auffällt) werf’ ich, aber mit beſcheidener Frei-
heit und mit eben ſo hoher Ehrfurcht für Wirkung, Ausdruck und
Dichtkunſt als für Sprache, in allen meinen Werken heraus (zumal
in den künftigen op. omn.), ſo auch Fremdwörter; nur aber ſolche
nicht wie z. B. Antike, um welche ſich ein ganzer Bienenſchwarm 20
nicht anders zu erſetzender Nebenbegriffe hängt. Statt Ihres
„Höchſtſchön“ oder „Denkſchönbild“ für „Ideal“ würd’ ich
lieber Höchſtbild oder Höchſtdenkbild vorſchlagen, da es ja Ideale
auch im Wiſſen, Handeln und Teufeln gibt. Der Dichter muß am
meiſten das Ohr ſchonen und kann alſo ſchwer ſagen, z. B. die „Hoffe“ 25
(warum nicht lieber Hoffnis); weniger hat es nöthig und mehr kann
wagen und einführen der Wiſſenſchafter, der Scherzmacher.
Im künftigen Monat bin ich in Regensburg. Lieber ſollt’ ich
zu Ihnen reiſen als Sie zu mir, da ich in Ihrem Sprachſchatzberg-
werke nur den Haſpel drehen kann, Sie aber das Erz finden und 30
födern. Beſſer reiſeten Sie vielmehr nach Freiberg zum trefflichen
Werner, welcher (ſeltſam genug) für die vorige Allegorie zugleich
das Bildliche und das Unbildliche hergab; denn ich brachte einmal
einen ganzen Abend mit ihm im Zuhören ſeiner Abhandlung über
*) Er ſelber behält ſich den Alleinhandel des Neuerns vor: ſo ſchreibt 35
er blos mit lateiniſchen Buchſtaben — kein ph, kein ß, kein th ſondern
Tât, Rât, muſſ, mü ſen, daſſ.
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(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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