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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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So überbietet die Zeile "er wirds wol machen" S. 119 die längsten
Reden der Heldin. An diesen eben stieß ich mich fast überall; fast
überall spricht (auch hinter Ihren spätern Abbreviaturen) Jeanne
viel zu lang -- und viel zu lang sind alle Unterredungen der Fürsten
und ihrer Leute, welche eine öffentliche Aufführung sehr erschweren5
oder ihrer Wirkung berauben. Auch kommt die Handlung mehr
immer nur als vergangen denn als geschehend vor die Seele. Den
Nachtheil des vielen Erzählens müssen Sie durch Abkürzungen
wenigstens mindern. Gegen das Ende hin wächst von selber das
Interesse; um so mehr ist dem Anfange durch forteilende Kürze10
eines zu geben.

Zu einzelnem Lobe und Tadel fehlt mir Zeit und Recht. Wenig-
stens hab' ich, so gut ich gekonnt, hier Ihren Wunsch erfüllt.

Ihr poetischer Genius bleibe Ihnen immer nahe und reiche
Ihnen seine Blumen und Früchte in so manchen Wüsten des Lebens!15

Mit wahrer Hochachtung
Ihr
ergebenster
Jean Paul Fr. Richter
201. An Emanuel.20

Mein alter guter Emanuel! Den Nachtisch meines gestrigen
Tages darf ich doch nicht wieder zum heutigen machen. Geh' ich in
die Harmonie -- wie ich der Nachlesen wegen muß und auch wegen
eines Wortes an Ammon -- so komm ich (nämlich bei Ihnen) zu25
spät und gehe zu spät. Ich will mir unsere Freudenreise nicht so
bänglich zuschneiden, sondern einmal gerade zu um 7 Uhr anlangen
und gemächlich sitzen bis 9. Und dann können Sie es ja auch wieder
so machen. Dank für die Blätter, zu deren Durchblättern mir
nicht Zeit genug blieb.30

202. Stammbuchblatt für Ammon, Grahl und Zeschau.
[Kopie]

Nicht die Gluth allein, sondern die Ausdauer brütet der Welt
die rechten fortlebenden Thaten aus; aber so Manche mit der

So überbietet die Zeile „er wirds wol machen“ S. 119 die längſten
Reden der Heldin. An dieſen eben ſtieß ich mich faſt überall; faſt
überall ſpricht (auch hinter Ihren ſpätern Abbreviaturen) Jeanne
viel zu lang — und viel zu lang ſind alle Unterredungen der Fürſten
und ihrer Leute, welche eine öffentliche Aufführung ſehr erſchweren5
oder ihrer Wirkung berauben. Auch kommt die Handlung mehr
immer nur als vergangen denn als geſchehend vor die Seele. Den
Nachtheil des vielen Erzählens müſſen Sie durch Abkürzungen
wenigſtens mindern. Gegen das Ende hin wächſt von ſelber das
Intereſſe; um ſo mehr iſt dem Anfange durch forteilende Kürze10
eines zu geben.

Zu einzelnem Lobe und Tadel fehlt mir Zeit und Recht. Wenig-
ſtens hab’ ich, ſo gut ich gekonnt, hier Ihren Wunſch erfüllt.

Ihr poetiſcher Genius bleibe Ihnen immer nahe und reiche
Ihnen ſeine Blumen und Früchte in ſo manchen Wüſten des Lebens!15

Mit wahrer Hochachtung
Ihr
ergebenſter
Jean Paul Fr. Richter
201. An Emanuel.20

Mein alter guter Emanuel! Den Nachtiſch meines geſtrigen
Tages darf ich doch nicht wieder zum heutigen machen. Geh’ ich in
die Harmonie — wie ich der Nachleſen wegen muß und auch wegen
eines Wortes an Ammon — ſo komm ich (nämlich bei Ihnen) zu25
ſpät und gehe zu ſpät. Ich will mir unſere Freudenreiſe nicht ſo
bänglich zuſchneiden, ſondern einmal gerade zu um 7 Uhr anlangen
und gemächlich ſitzen bis 9. Und dann können Sie es ja auch wieder
ſo machen. Dank für die Blätter, zu deren Durchblättern mir
nicht Zeit genug blieb.30

202. Stammbuchblatt für Ammon, Grahl und Zeſchau.
[Kopie]

Nicht die Gluth allein, ſondern die Ausdauer brütet der Welt
die rechten fortlebenden Thaten aus; aber ſo Manche mit der

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[75/0080] So überbietet die Zeile „er wirds wol machen“ S. 119 die längſten Reden der Heldin. An dieſen eben ſtieß ich mich faſt überall; faſt überall ſpricht (auch hinter Ihren ſpätern Abbreviaturen) Jeanne viel zu lang — und viel zu lang ſind alle Unterredungen der Fürſten und ihrer Leute, welche eine öffentliche Aufführung ſehr erſchweren 5 oder ihrer Wirkung berauben. Auch kommt die Handlung mehr immer nur als vergangen denn als geſchehend vor die Seele. Den Nachtheil des vielen Erzählens müſſen Sie durch Abkürzungen wenigſtens mindern. Gegen das Ende hin wächſt von ſelber das Intereſſe; um ſo mehr iſt dem Anfange durch forteilende Kürze 10 eines zu geben. Zu einzelnem Lobe und Tadel fehlt mir Zeit und Recht. Wenig- ſtens hab’ ich, ſo gut ich gekonnt, hier Ihren Wunſch erfüllt. Ihr poetiſcher Genius bleibe Ihnen immer nahe und reiche Ihnen ſeine Blumen und Früchte in ſo manchen Wüſten des Lebens! 15 Mit wahrer Hochachtung Ihr ergebenſter Jean Paul Fr. Richter 201. An Emanuel. 20 [Bayreuth, 16. Juli 1816] Mein alter guter Emanuel! Den Nachtiſch meines geſtrigen Tages darf ich doch nicht wieder zum heutigen machen. Geh’ ich in die Harmonie — wie ich der Nachleſen wegen muß und auch wegen eines Wortes an Ammon — ſo komm ich (nämlich bei Ihnen) zu 25 ſpät und gehe zu ſpät. Ich will mir unſere Freudenreiſe nicht ſo bänglich zuſchneiden, ſondern einmal gerade zu um 7 Uhr anlangen und gemächlich ſitzen bis 9. Und dann können Sie es ja auch wieder ſo machen. Dank für die Blätter, zu deren Durchblättern mir nicht Zeit genug blieb. 30 202. Stammbuchblatt für Ammon, Grahl und Zeſchau. [Bayreuth, Mitte Juli 1816] Nicht die Gluth allein, ſondern die Ausdauer brütet der Welt die rechten fortlebenden Thaten aus; aber ſo Manche mit der

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/80>, abgerufen am 17.05.2024.