Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

Bild:
<< vorherige Seite

Textes. -- Sage deinem guten Vater noch einmal Dank für ein solches
Doppel-Geschenk. -- (Zu meiner Freude hab' ich noch 3 Komödien zu
lesen.)

Ich bin seit acht Monaten Mitglied der baierschen Akademie ge-
worden; aber die lateinische Aufnahmkarte ist ein lange voraus ge-5
druckter Frachtbrief, in welchem man die Leerräume mit zufälligen
Nachkömmlingen ausfüllt. Noch hab' ich nicht lateinisch gedankt,
erstlich weil ich nicht einmal das ziemlich gemeine Latein des Frachtbriefs
in der Gewalt habe, und zweitens weil ich nach einer so spät nach-
hinkenden Ehre nichts frage, und drittens weil ein allgemeines Lob für10
-- X NN zu keinem individuellen Dankschreiben aufmuntert. --
Himmel! ist oder klingt denn nicht jedes Doktordiplom bestimmt?
Z. B. deines für mich, wiewol das Latein darin weit über das Münchner
hinausstieg und dein Lob meiner noch weiter über mich.

-- Die wenigen entbehrlichen Noten scheinen mir zu sein: Wespen15
123. -- besonders 1099 -- 1157 -- 1352. -- Acharner 698 -- 702 --
Lysistrata 558 (kann ja überall nicht anders sein) -- (Traun kommt in
der Lysistrata ja zu oft hintereinander) --

So wird auch einmal der Olympos als der Sitz der Götter angezeigt.
-- Große Wirkung thut der Gebrauch deutscher Dialekte. -- Aber bitter-20
lingshaft und jünglingshaft thut bei mir schlechte durch das Anpichen
des S sogar an Ableit-Nach- sylben (wie in Gerichtsbarkeit). Noch
niemand hat meine 12 Postskripte nur gelesen, oder gar studiert;
Grammatiker und Weiber nehmen keine Gründe an. Aber die Zeit,
weiß ich, nimmt sie an, die Nachwelt. -- Nur Köppen hat in der25
Münchner L[iteratur] Zeitung im April (denk' ich) etwas Erträgliches
über die Doppelwörter gesagt. -- Er hat auch da den Kometen rezen-
siert und gelobt, aber ohne besondere Gründlichkeit. Noch hab' ich
bei deinem Wortbruche kein gründliches Urtheil über ihn gefunden.
Leihe mir nur wenigstens deine Blätter an Truchses, da mir ein Urtheil30
über ihn jetzo, wo ich (nach Vollendung der 2ten Auflagen der grön-
ländischen Prozesse und der Mumien) den 3ten Theil fortsetze, so ab-
und zuleitend wäre. -- Möge doch der 130 jährige Wein recht viel von
seinem Alter deiner trefflichen Mutter assekuriert haben! Mir könnte
ein solcher eher davon nehmen. -- In der Vorrede zur unsichtbaren Loge35
hab' ich scharfe Worte über die jetzige bellettristische Tobsucht-Sucht
Wahnsüchtelei im Tragischen und Komischen ausgesprochen und mit

Textes. — Sage deinem guten Vater noch einmal Dank für ein ſolches
Doppel-Geſchenk. — (Zu meiner Freude hab’ ich noch 3 Komödien zu
leſen.)

Ich bin ſeit acht Monaten Mitglied der baierſchen Akademie ge-
worden; aber die lateiniſche Aufnahmkarte iſt ein lange voraus ge-5
druckter Frachtbrief, in welchem man die Leerräume mit zufälligen
Nachkömmlingen ausfüllt. Noch hab’ ich nicht lateiniſch gedankt,
erſtlich weil ich nicht einmal das ziemlich gemeine Latein des Frachtbriefs
in der Gewalt habe, und zweitens weil ich nach einer ſo ſpät nach-
hinkenden Ehre nichts frage, und drittens weil ein allgemeines Lob für10
X 〈NN〉 zu keinem individuellen Dankſchreiben aufmuntert. —
Himmel! iſt oder klingt denn nicht jedes Doktordiplom beſtimmt?
Z. B. deines für mich, wiewol das Latein darin weit über das Münchner
hinausſtieg und dein Lob meiner noch weiter über mich.

— Die wenigen entbehrlichen Noten ſcheinen mir zu ſein: Weſpen15
123. — beſonders 1099 — 1157 — 1352. — Acharner 698 — 702 —
Lyſiſtrata 558 (kann ja überall nicht anders ſein) — (Traun kommt in
der Lyſiſtrata ja zu oft hintereinander) —

So wird auch einmal der Olympos als der Sitz der Götter angezeigt.
— Große Wirkung thut der Gebrauch deutſcher Dialekte. — Aber bitter-20
lingshaft und jünglingshaft thut bei mir ſchlechte durch das Anpichen
des S ſogar an Ableit-〈Nach-〉 ſylben (wie in Gerichtsbarkeit). Noch
niemand hat meine 12 Poſtſkripte nur geleſen, oder gar ſtudiert;
Grammatiker und Weiber nehmen keine Gründe an. Aber die Zeit,
weiß ich, nimmt ſie an, die Nachwelt. — Nur Köppen hat in der25
Münchner L[iteratur] Zeitung im April (denk’ ich) etwas Erträgliches
über die Doppelwörter geſagt. — Er hat auch da den Kometen rezen-
ſiert und gelobt, aber ohne beſondere Gründlichkeit. Noch hab’ ich
bei deinem Wortbruche kein gründliches Urtheil über ihn gefunden.
Leihe mir nur wenigſtens deine Blätter an Truchſes, da mir ein Urtheil30
über ihn jetzo, wo ich (nach Vollendung der 2ten Auflagen der grön-
ländiſchen Prozeſſe und der Mumien) den 3ten Theil fortſetze, ſo ab-
und zuleitend wäre. — Möge doch der 130 jährige Wein recht viel von
ſeinem Alter deiner trefflichen Mutter aſſekuriert haben! Mir könnte
ein ſolcher eher davon nehmen. — In der Vorrede zur unſichtbaren Loge35
hab’ ich ſcharfe Worte über die jetzige bellettriſtiſche Tobſucht-Sucht
〈Wahnſüchtelei〉 im Tragiſchen und Komiſchen ausgeſprochen und mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0140" n="133"/>
Textes. &#x2014; Sage deinem guten Vater noch einmal Dank für ein &#x017F;olches<lb/>
Doppel-Ge&#x017F;chenk. &#x2014; (Zu meiner Freude hab&#x2019; ich noch 3 Komödien zu<lb/>
le&#x017F;en.)</p><lb/>
        <p>Ich bin &#x017F;eit acht Monaten Mitglied der baier&#x017F;chen Akademie ge-<lb/>
worden; aber die lateini&#x017F;che Aufnahmkarte i&#x017F;t ein lange voraus ge-<lb n="5"/>
druckter Frachtbrief, in welchem man die Leerräume mit zufälligen<lb/>
Nachkömmlingen ausfüllt. Noch hab&#x2019; ich nicht lateini&#x017F;ch gedankt,<lb/>
er&#x017F;tlich weil ich nicht einmal das ziemlich gemeine Latein des Frachtbriefs<lb/>
in der Gewalt habe, und zweitens weil ich nach einer &#x017F;o &#x017F;pät nach-<lb/>
hinkenden Ehre nichts frage, und drittens weil ein allgemeines Lob für<lb n="10"/>
&#x2014; <hi rendition="#aq">X &#x2329;NN&#x232A;</hi> zu keinem individuellen Dank&#x017F;chreiben aufmuntert. &#x2014;<lb/>
Himmel! i&#x017F;t oder klingt denn nicht jedes Doktordiplom be&#x017F;timmt?<lb/>
Z. B. deines für mich, wiewol das Latein darin weit über das Münchner<lb/>
hinaus&#x017F;tieg und dein Lob meiner noch weiter über mich.</p><lb/>
        <p>&#x2014; Die wenigen entbehrlichen Noten &#x017F;cheinen mir zu &#x017F;ein: We&#x017F;pen<lb n="15"/>
123. &#x2014; be&#x017F;onders 1099 &#x2014; 1157 &#x2014; 1352. &#x2014; Acharner 698 &#x2014; 702 &#x2014;<lb/>
Ly&#x017F;i&#x017F;trata 558 (kann ja überall nicht anders &#x017F;ein) &#x2014; (<hi rendition="#g">Traun</hi> kommt in<lb/>
der Ly&#x017F;i&#x017F;trata ja zu oft hintereinander) &#x2014;</p><lb/>
        <p>So wird auch einmal der Olympos als der Sitz der Götter angezeigt.<lb/>
&#x2014; Große Wirkung thut der Gebrauch deut&#x017F;cher Dialekte. &#x2014; Aber bitter-<lb n="20"/>
lingshaft und jünglingshaft thut bei mir &#x017F;chlechte durch das Anpichen<lb/>
des S &#x017F;ogar an Ableit-&#x2329;Nach-&#x232A; &#x017F;ylben (wie in Gericht<hi rendition="#u">s</hi>barkeit). Noch<lb/>
niemand hat meine 12 Po&#x017F;t&#x017F;kripte nur gele&#x017F;en, oder gar &#x017F;tudiert;<lb/>
Grammatiker und Weiber nehmen keine Gründe an. Aber die Zeit,<lb/>
weiß ich, nimmt &#x017F;ie an, die Nachwelt. &#x2014; Nur <hi rendition="#aq">Köppen</hi> hat in der<lb n="25"/>
Münchner <hi rendition="#aq">L[iteratur] Zeitung</hi> im April (denk&#x2019; ich) etwas Erträgliches<lb/>
über die Doppelwörter ge&#x017F;agt. &#x2014; Er hat auch da den Kometen rezen-<lb/>
&#x017F;iert und gelobt, aber ohne be&#x017F;ondere Gründlichkeit. Noch hab&#x2019; ich<lb/>
bei deinem Wortbruche kein gründliches Urtheil über ihn gefunden.<lb/>
Leihe mir nur wenig&#x017F;tens deine Blätter an Truch&#x017F;es, da mir ein Urtheil<lb n="30"/>
über ihn jetzo, wo ich (nach Vollendung der 2<hi rendition="#sup">ten</hi> Auflagen der grön-<lb/>
ländi&#x017F;chen Proze&#x017F;&#x017F;e und der Mumien) den 3<hi rendition="#sup">ten</hi> Theil fort&#x017F;etze, &#x017F;o ab-<lb/>
und zuleitend wäre. &#x2014; Möge doch der 130 jährige Wein recht viel von<lb/>
&#x017F;einem Alter deiner trefflichen Mutter a&#x017F;&#x017F;ekuriert haben! Mir könnte<lb/>
ein &#x017F;olcher eher davon nehmen. &#x2014; In der Vorrede zur un&#x017F;ichtbaren Loge<lb n="35"/>
hab&#x2019; ich &#x017F;charfe Worte über die jetzige bellettri&#x017F;ti&#x017F;che Tob&#x017F;ucht-Sucht<lb/>
&#x2329;Wahn&#x017F;üchtelei&#x232A; im Tragi&#x017F;chen und Komi&#x017F;chen ausge&#x017F;prochen und mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0140] Textes. — Sage deinem guten Vater noch einmal Dank für ein ſolches Doppel-Geſchenk. — (Zu meiner Freude hab’ ich noch 3 Komödien zu leſen.) Ich bin ſeit acht Monaten Mitglied der baierſchen Akademie ge- worden; aber die lateiniſche Aufnahmkarte iſt ein lange voraus ge- 5 druckter Frachtbrief, in welchem man die Leerräume mit zufälligen Nachkömmlingen ausfüllt. Noch hab’ ich nicht lateiniſch gedankt, erſtlich weil ich nicht einmal das ziemlich gemeine Latein des Frachtbriefs in der Gewalt habe, und zweitens weil ich nach einer ſo ſpät nach- hinkenden Ehre nichts frage, und drittens weil ein allgemeines Lob für 10 — X 〈NN〉 zu keinem individuellen Dankſchreiben aufmuntert. — Himmel! iſt oder klingt denn nicht jedes Doktordiplom beſtimmt? Z. B. deines für mich, wiewol das Latein darin weit über das Münchner hinausſtieg und dein Lob meiner noch weiter über mich. — Die wenigen entbehrlichen Noten ſcheinen mir zu ſein: Weſpen 15 123. — beſonders 1099 — 1157 — 1352. — Acharner 698 — 702 — Lyſiſtrata 558 (kann ja überall nicht anders ſein) — (Traun kommt in der Lyſiſtrata ja zu oft hintereinander) — So wird auch einmal der Olympos als der Sitz der Götter angezeigt. — Große Wirkung thut der Gebrauch deutſcher Dialekte. — Aber bitter- 20 lingshaft und jünglingshaft thut bei mir ſchlechte durch das Anpichen des S ſogar an Ableit-〈Nach-〉 ſylben (wie in Gerichtsbarkeit). Noch niemand hat meine 12 Poſtſkripte nur geleſen, oder gar ſtudiert; Grammatiker und Weiber nehmen keine Gründe an. Aber die Zeit, weiß ich, nimmt ſie an, die Nachwelt. — Nur Köppen hat in der 25 Münchner L[iteratur] Zeitung im April (denk’ ich) etwas Erträgliches über die Doppelwörter geſagt. — Er hat auch da den Kometen rezen- ſiert und gelobt, aber ohne beſondere Gründlichkeit. Noch hab’ ich bei deinem Wortbruche kein gründliches Urtheil über ihn gefunden. Leihe mir nur wenigſtens deine Blätter an Truchſes, da mir ein Urtheil 30 über ihn jetzo, wo ich (nach Vollendung der 2ten Auflagen der grön- ländiſchen Prozeſſe und der Mumien) den 3ten Theil fortſetze, ſo ab- und zuleitend wäre. — Möge doch der 130 jährige Wein recht viel von ſeinem Alter deiner trefflichen Mutter aſſekuriert haben! Mir könnte ein ſolcher eher davon nehmen. — In der Vorrede zur unſichtbaren Loge 35 hab’ ich ſcharfe Worte über die jetzige bellettriſtiſche Tobſucht-Sucht 〈Wahnſüchtelei〉 im Tragiſchen und Komiſchen ausgeſprochen und mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/140
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/140>, abgerufen am 21.11.2024.