Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.fielen beide etwas, aber die des verdammten Kutschers stiegen schon bei Er nimmt an Menschen und Sachen -- außer an Pferden und Minna stand eben auf der Schwelle des Ausgangs. Ich erkannte sie fielen beide etwas, aber die des verdammten Kutſchers ſtiegen ſchon bei Er nimmt an Menſchen und Sachen — außer an Pferden und Minna ſtand eben auf der Schwelle des Ausgangs. Ich erkannte ſie <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0174" n="167"/> fielen beide etwas, aber die des verdammten Kutſchers ſtiegen ſchon bei<lb/> dem erſten Weggeld hinter <hi rendition="#aq">Hof.</hi> Nie fahre dieſer mich je mehr. Sein<lb/> erſtes Wort hinter <hi rendition="#aq">Baireuth</hi> war: in ſeiner Gegenwart hätte ſein Herr<lb/> nicht ſo wohlfeil ackordieren dürfen. Allerdings wars zu wenig; über<lb/> 1 <hi rendition="#aq">Carolin</hi> wird verzettelt; und dazu das ſchwere Geld, für welches die<lb n="5"/> gewöhnliche Rechnung 5 fl. für den Tag unbrauchbar wird. — Sein<lb/> Brummen für jede Zahlung mußt ich ihm endlich verweiſen. Nach<lb/> Morgen- und Mittagrechnung war er verdrießlich. Meine Freigebig-<lb/> keit mit Viktualien und jedesmaliger Bezahlung der 2 Mittel-<hi rendition="#aq">Goutées</hi><lb/> der Pferde half wenig. Kurz es war die ganze <hi rendition="#aq">Löbichauer</hi> Zwei da.<lb n="10"/> </p> <p>Er nimmt an Menſchen und Sachen — außer an Pferden und<lb/> Kriegern — keinen Antheil; und nie Gründe in einem Streite. Doch war<lb/> er mir gehorſam und pünktlich; auch ſehr mäßig und nüchtern iſt er.<lb/> Viele Stunden hat mir der Gewinn von einigen Gulden verſäuert.<lb/> Ungeheuer lang bis in die Nacht wäre die Fahrt nach <hi rendition="#aq">Chemnitz</hi> in<lb n="15"/> 1 Tage geweſen. Wir kamen in <hi rendition="#aq">Zwickau</hi> um 6 Uhr abends an, am<lb/> andern Tage bei früher Ausfahrt erſt um 11½ Uhr in <hi rendition="#aq">Chemnitz.</hi><lb/> Indeß war es bei mir <hi rendition="#g">eigner</hi> Entſchluß, da ich doch 3 mal in Gaſt-<lb/> höfen übernachten mußte und zweitens in eine ſchöne Stadt gern im<lb/> Mittagglanze einfahre. „Nöthen will ichs“, ſagte er; aber ich wollte<lb n="20"/> nicht in der Mitternacht erſt ausſteigen. Auch dacht’ ich, wenn ich [in]<lb/><hi rendition="#aq">Freiberg</hi> Nachts bliebe, <hi rendition="#aq">Herdern</hi> länger zu genießen, ging auch aus<lb/> 2 Gründen nicht, erſtlich weil wir erſt um 8 Uhr da anlangten und<lb/> zweitens weil <hi rendition="#aq">Herder</hi> in — Leipzig war. Geſtern Vormittags hatt’ ich<lb/> endlich den ſchönſten Himmel über der ſchönſten Erde und alles glänzte<lb n="25"/> um mich und faſt in mir auch etwas alter Nachſchein. Schon am Sonn-<lb/> abende that ſich mir der Wetter-Himmel weiter auf; nur hing der<lb/> Kutſcher als dicke Wolke darin.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">Minna</hi> ſtand eben auf der Schwelle des Ausgangs. Ich erkannte ſie<lb/> nicht ſogleich. Sie hat eine Kraftgeſtalt gewonnen; blos Haut und<lb n="30"/> Geſichtfarbe haben nicht dein Jugendliches. Da ſie alles maleriſch<lb/> nimmt, bewunderte ſie ſehr meinen jugendlichen Kopf, den ich nun<lb/> ſelber ſchätze. Aber wie kann ich dir nun den Geſprächſtrom, ihre Herz-<lb/> lichkeit, ihre[n] Männerblick, ihr Lieben meiner malen. Kurz es war ein<lb/> ſchöner Sturm der Luſt. <hi rendition="#aq">Minona — Odilien</hi> etwas ähnlich — war eben<lb n="35"/> bei mir, damit ich alles zum Ausziehen berichtige. Erſt will ich mein <hi rendition="#g">im<lb/> Freien</hi> ſtehendes Quartier mit M[inna] beſuchen und dann dieſen Vor-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [167/0174]
fielen beide etwas, aber die des verdammten Kutſchers ſtiegen ſchon bei
dem erſten Weggeld hinter Hof. Nie fahre dieſer mich je mehr. Sein
erſtes Wort hinter Baireuth war: in ſeiner Gegenwart hätte ſein Herr
nicht ſo wohlfeil ackordieren dürfen. Allerdings wars zu wenig; über
1 Carolin wird verzettelt; und dazu das ſchwere Geld, für welches die 5
gewöhnliche Rechnung 5 fl. für den Tag unbrauchbar wird. — Sein
Brummen für jede Zahlung mußt ich ihm endlich verweiſen. Nach
Morgen- und Mittagrechnung war er verdrießlich. Meine Freigebig-
keit mit Viktualien und jedesmaliger Bezahlung der 2 Mittel-Goutées
der Pferde half wenig. Kurz es war die ganze Löbichauer Zwei da. 10
Er nimmt an Menſchen und Sachen — außer an Pferden und
Kriegern — keinen Antheil; und nie Gründe in einem Streite. Doch war
er mir gehorſam und pünktlich; auch ſehr mäßig und nüchtern iſt er.
Viele Stunden hat mir der Gewinn von einigen Gulden verſäuert.
Ungeheuer lang bis in die Nacht wäre die Fahrt nach Chemnitz in 15
1 Tage geweſen. Wir kamen in Zwickau um 6 Uhr abends an, am
andern Tage bei früher Ausfahrt erſt um 11½ Uhr in Chemnitz.
Indeß war es bei mir eigner Entſchluß, da ich doch 3 mal in Gaſt-
höfen übernachten mußte und zweitens in eine ſchöne Stadt gern im
Mittagglanze einfahre. „Nöthen will ichs“, ſagte er; aber ich wollte 20
nicht in der Mitternacht erſt ausſteigen. Auch dacht’ ich, wenn ich [in]
Freiberg Nachts bliebe, Herdern länger zu genießen, ging auch aus
2 Gründen nicht, erſtlich weil wir erſt um 8 Uhr da anlangten und
zweitens weil Herder in — Leipzig war. Geſtern Vormittags hatt’ ich
endlich den ſchönſten Himmel über der ſchönſten Erde und alles glänzte 25
um mich und faſt in mir auch etwas alter Nachſchein. Schon am Sonn-
abende that ſich mir der Wetter-Himmel weiter auf; nur hing der
Kutſcher als dicke Wolke darin.
Minna ſtand eben auf der Schwelle des Ausgangs. Ich erkannte ſie
nicht ſogleich. Sie hat eine Kraftgeſtalt gewonnen; blos Haut und 30
Geſichtfarbe haben nicht dein Jugendliches. Da ſie alles maleriſch
nimmt, bewunderte ſie ſehr meinen jugendlichen Kopf, den ich nun
ſelber ſchätze. Aber wie kann ich dir nun den Geſprächſtrom, ihre Herz-
lichkeit, ihre[n] Männerblick, ihr Lieben meiner malen. Kurz es war ein
ſchöner Sturm der Luſt. Minona — Odilien etwas ähnlich — war eben 35
bei mir, damit ich alles zum Ausziehen berichtige. Erſt will ich mein im
Freien ſtehendes Quartier mit M[inna] beſuchen und dann dieſen Vor-
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(2016-11-22T15:22:18Z)
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Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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