Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts. steht, ungleich geringer als das der römischen Geschichtschreiber,so ist doch die Methode der Benutzung desselben eine andere, der historische Blick ein schärferer geworden. Indem wir nun, was die älteste Geschichte Roms anbetrifft, Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts. ſteht, ungleich geringer als das der römiſchen Geſchichtſchreiber,ſo iſt doch die Methode der Benutzung deſſelben eine andere, der hiſtoriſche Blick ein ſchärferer geworden. Indem wir nun, was die älteſte Geſchichte Roms anbetrifft, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0106" n="88"/><fw place="top" type="header">Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.</fw><lb/> ſteht, ungleich geringer als das der römiſchen Geſchichtſchreiber,<lb/> ſo iſt doch die Methode der Benutzung deſſelben eine andere,<lb/> der hiſtoriſche Blick ein ſchärferer geworden.</p><lb/> <p>Indem wir nun, was die älteſte Geſchichte Roms anbetrifft,<lb/> auf jenen poſitiven Reſultaten der heutigen Wiſſenſchaft fußen,<lb/> beſchränken wir unſere eigne Unterſuchung lediglich auf das<lb/><hi rendition="#g">Recht</hi> der älteſten Zeit. Daß manche der Anſichten, zu denen<lb/> ſie uns führen wird, nur den Werth von mehr oder minder<lb/> wahrſcheinlichen Vermuthungen haben, geſtehe ich bereitwillig<lb/> ein, und Mißtrauen iſt hier gewiß mehr am Platz, als Leicht-<lb/> gläubigkeit. Allein andererſeits bin ich von der Möglichkeit<lb/> einer der Auffaſſung der Römer gegenüber ſich ſelbſtändig ver-<lb/> haltenden Forſchung völlig durchdrungen, ja ich bin überzeugt,<lb/> daß manche der auf dieſem Wege gefundenen Reſultate einen<lb/> höhern Grad hiſtoriſcher Sicherheit in Anſpruch nehmen können,<lb/> als wenn ſie uns durch ſämmtliche römiſche Gewährsmänner<lb/> bezeugt wären. Dies gilt namentlich von den Rechtsanſchau-<lb/> ungen der Urzeit, deren wir uns mit Hülfe der Etymologie be-<lb/> mächtigen können. Die Etymologie iſt eine der beredſten und<lb/> zuverläſſigſten Quellen über die primitiven Anſchauungen der<lb/> Völker; was längſt im Leben abgeſtorben, was aus der Erinne-<lb/> rung des Volks völlig verſchwunden, das bewahrt ſie noch der<lb/> Wißbegier kommender Zeiten auf. Sie iſt eine Darſtellung der<lb/> Urzuſtände in einer Hieroglyphen-Schrift, zu der vielleicht erſt<lb/> nach Jahrtauſenden der Schlüſſel gefunden wird. Die Römer<lb/> verſtanden den hiſtoriſchen Schatz, der in ihrer Sprache aufbe-<lb/> wahrt war, nicht zu heben, die Geheimſchrift, in der die Denk-<lb/> und Sinnes-Weiſe ihrer Vorfahren zu ihnen ſprach, nicht zu<lb/> enträthſeln, während <hi rendition="#g">uns</hi> heutzutage der Zugang zu dieſem<lb/> Schatze offen ſteht. Es iſt vor allem das Erwachen des Sans-<lb/> kritſtudiums und einer auf dieſer Grundlage ſich ſtützenden<lb/> Sprachvergleichung, das den auf eine ſpezielle Sprache gerich-<lb/> teten etymologiſchen Unterſuchungen erſt die wahre Fruchtbar-<lb/> keit und Sicherheit verliehen hat und allen hiſtoriſchen Wiſſen-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0106]
Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
ſteht, ungleich geringer als das der römiſchen Geſchichtſchreiber,
ſo iſt doch die Methode der Benutzung deſſelben eine andere,
der hiſtoriſche Blick ein ſchärferer geworden.
Indem wir nun, was die älteſte Geſchichte Roms anbetrifft,
auf jenen poſitiven Reſultaten der heutigen Wiſſenſchaft fußen,
beſchränken wir unſere eigne Unterſuchung lediglich auf das
Recht der älteſten Zeit. Daß manche der Anſichten, zu denen
ſie uns führen wird, nur den Werth von mehr oder minder
wahrſcheinlichen Vermuthungen haben, geſtehe ich bereitwillig
ein, und Mißtrauen iſt hier gewiß mehr am Platz, als Leicht-
gläubigkeit. Allein andererſeits bin ich von der Möglichkeit
einer der Auffaſſung der Römer gegenüber ſich ſelbſtändig ver-
haltenden Forſchung völlig durchdrungen, ja ich bin überzeugt,
daß manche der auf dieſem Wege gefundenen Reſultate einen
höhern Grad hiſtoriſcher Sicherheit in Anſpruch nehmen können,
als wenn ſie uns durch ſämmtliche römiſche Gewährsmänner
bezeugt wären. Dies gilt namentlich von den Rechtsanſchau-
ungen der Urzeit, deren wir uns mit Hülfe der Etymologie be-
mächtigen können. Die Etymologie iſt eine der beredſten und
zuverläſſigſten Quellen über die primitiven Anſchauungen der
Völker; was längſt im Leben abgeſtorben, was aus der Erinne-
rung des Volks völlig verſchwunden, das bewahrt ſie noch der
Wißbegier kommender Zeiten auf. Sie iſt eine Darſtellung der
Urzuſtände in einer Hieroglyphen-Schrift, zu der vielleicht erſt
nach Jahrtauſenden der Schlüſſel gefunden wird. Die Römer
verſtanden den hiſtoriſchen Schatz, der in ihrer Sprache aufbe-
wahrt war, nicht zu heben, die Geheimſchrift, in der die Denk-
und Sinnes-Weiſe ihrer Vorfahren zu ihnen ſprach, nicht zu
enträthſeln, während uns heutzutage der Zugang zu dieſem
Schatze offen ſteht. Es iſt vor allem das Erwachen des Sans-
kritſtudiums und einer auf dieſer Grundlage ſich ſtützenden
Sprachvergleichung, das den auf eine ſpezielle Sprache gerich-
teten etymologiſchen Unterſuchungen erſt die wahre Fruchtbar-
keit und Sicherheit verliehen hat und allen hiſtoriſchen Wiſſen-
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