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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

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I. Prinz. d. subj. Willens -- Syst. d. Selbsthülfe -- Zeugengeschäft. §. 11.
scheinlich die fünf Zeugen dieses Aktes erst in Folge der Serviani-
schen Verfassung aufgekommen sind, nämlich als Vertreter der
fünf Censusklassen. Worin nun aber auch die älteste Form der
mancipatio bestanden haben möge, das Zeugengeschäft selbst
gehört bereits dem System der Selbsthülfe an, die Function der
Zeugen ist hier auf dieser Bildungsstufe des Rechts ungleich
wesentlicher und unentbehrlicher, als auf den spätern Bildungs-
stufen.

Wenn nämlich der Berechtigte wegen eines vor Zeugen er-
worbenen Rechtes zur Selbsthülfe schreiten mußte, so waren es
die Zeugen, die er zuerst um thätige Mitwirkung angieng, 51)
und letztere erschienen der herrschenden Rechtsansicht nach ver-
pflichtet, dieselbe zu gewähren. Für das spätere Recht, in dem
die Thätigkeit des Zeugen auf ein Aussagen zusammenge-
schrumpft ist, bestimmen die XII Tafeln: 52) qui se sierit testa-
rier libripensve fuerit, ni testimonium fariatur, improbus in-
testabilis esto;
im System der Selbsthülfe wird mithin der-
jenige Zeuge für improbus und intestabilis gegolten haben,
welcher jene thätliche Mitwirkung bei Ausführung des Ge-
schäftes versagte. Daß diese Art der Mitwirkung eventuell vom
Zeugen erwartet und verlangt wurde, soll jetzt näher erwiesen
werden; es möge aber hier an die obige Bemerkung erinnert

und stipulatio = Leihcontrakt. Das aes mit seinen Ableitungen aerarium, aes-
timare
(auf Erz zurückführen d. i. schätzen) sowie das aes militare (der Ge-
treidesold auf Geld reducirt), equestre, hordearium gehört erst einer relativ
spätern Zeit an; Naturallieferungen sind überall das frühste und der Tausch
früher, als der Kauf.
51) Für den Fall, daß ihm Eigenthum bestritten ward, wendete er sich
im spätern Recht mit einer litis denunciatio an den Autor, der es ihm be-
stellt hatte. Der prozessualische Beistand, den letzterer hier zu leisten hat, mag
nur die spätere Form eines ursprünglich materiellen Beistandes, und die litis
denunciatio
im System der Selbsthülfe eine Aufforderung zur materiellen
Beihülfe gewesen sein.
52) Gellius XV. c. 13.

I. Prinz. d. ſubj. Willens — Syſt. d. Selbſthülfe — Zeugengeſchäft. §. 11.
ſcheinlich die fünf Zeugen dieſes Aktes erſt in Folge der Serviani-
ſchen Verfaſſung aufgekommen ſind, nämlich als Vertreter der
fünf Cenſusklaſſen. Worin nun aber auch die älteſte Form der
mancipatio beſtanden haben möge, das Zeugengeſchäft ſelbſt
gehört bereits dem Syſtem der Selbſthülfe an, die Function der
Zeugen iſt hier auf dieſer Bildungsſtufe des Rechts ungleich
weſentlicher und unentbehrlicher, als auf den ſpätern Bildungs-
ſtufen.

Wenn nämlich der Berechtigte wegen eines vor Zeugen er-
worbenen Rechtes zur Selbſthülfe ſchreiten mußte, ſo waren es
die Zeugen, die er zuerſt um thätige Mitwirkung angieng, 51)
und letztere erſchienen der herrſchenden Rechtsanſicht nach ver-
pflichtet, dieſelbe zu gewähren. Für das ſpätere Recht, in dem
die Thätigkeit des Zeugen auf ein Ausſagen zuſammenge-
ſchrumpft iſt, beſtimmen die XII Tafeln: 52) qui se sierit testa-
rier libripensve fuerit, ni testimonium fariatur, improbus in-
testabilis esto;
im Syſtem der Selbſthülfe wird mithin der-
jenige Zeuge für improbus und intestabilis gegolten haben,
welcher jene thätliche Mitwirkung bei Ausführung des Ge-
ſchäftes verſagte. Daß dieſe Art der Mitwirkung eventuell vom
Zeugen erwartet und verlangt wurde, ſoll jetzt näher erwieſen
werden; es möge aber hier an die obige Bemerkung erinnert

und stipulatio = Leihcontrakt. Das aes mit ſeinen Ableitungen aerarium, aes-
timare
(auf Erz zurückführen d. i. ſchätzen) ſowie das aes militare (der Ge-
treideſold auf Geld reducirt), equestre, hordearium gehört erſt einer relativ
ſpätern Zeit an; Naturallieferungen ſind überall das frühſte und der Tauſch
früher, als der Kauf.
51) Für den Fall, daß ihm Eigenthum beſtritten ward, wendete er ſich
im ſpätern Recht mit einer litis denunciatio an den Autor, der es ihm be-
ſtellt hatte. Der prozeſſualiſche Beiſtand, den letzterer hier zu leiſten hat, mag
nur die ſpätere Form eines urſprünglich materiellen Beiſtandes, und die litis
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im Syſtem der Selbſthülfe eine Aufforderung zur materiellen
Beihülfe geweſen ſein.
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[133/0151] I. Prinz. d. ſubj. Willens — Syſt. d. Selbſthülfe — Zeugengeſchäft. §. 11. ſcheinlich die fünf Zeugen dieſes Aktes erſt in Folge der Serviani- ſchen Verfaſſung aufgekommen ſind, nämlich als Vertreter der fünf Cenſusklaſſen. Worin nun aber auch die älteſte Form der mancipatio beſtanden haben möge, das Zeugengeſchäft ſelbſt gehört bereits dem Syſtem der Selbſthülfe an, die Function der Zeugen iſt hier auf dieſer Bildungsſtufe des Rechts ungleich weſentlicher und unentbehrlicher, als auf den ſpätern Bildungs- ſtufen. Wenn nämlich der Berechtigte wegen eines vor Zeugen er- worbenen Rechtes zur Selbſthülfe ſchreiten mußte, ſo waren es die Zeugen, die er zuerſt um thätige Mitwirkung angieng, 51) und letztere erſchienen der herrſchenden Rechtsanſicht nach ver- pflichtet, dieſelbe zu gewähren. Für das ſpätere Recht, in dem die Thätigkeit des Zeugen auf ein Ausſagen zuſammenge- ſchrumpft iſt, beſtimmen die XII Tafeln: 52) qui se sierit testa- rier libripensve fuerit, ni testimonium fariatur, improbus in- testabilis esto; im Syſtem der Selbſthülfe wird mithin der- jenige Zeuge für improbus und intestabilis gegolten haben, welcher jene thätliche Mitwirkung bei Ausführung des Ge- ſchäftes verſagte. Daß dieſe Art der Mitwirkung eventuell vom Zeugen erwartet und verlangt wurde, ſoll jetzt näher erwieſen werden; es möge aber hier an die obige Bemerkung erinnert 50) 51) Für den Fall, daß ihm Eigenthum beſtritten ward, wendete er ſich im ſpätern Recht mit einer litis denunciatio an den Autor, der es ihm be- ſtellt hatte. Der prozeſſualiſche Beiſtand, den letzterer hier zu leiſten hat, mag nur die ſpätere Form eines urſprünglich materiellen Beiſtandes, und die litis denunciatio im Syſtem der Selbſthülfe eine Aufforderung zur materiellen Beihülfe geweſen ſein. 52) Gellius XV. c. 13. 50) und stipulatio = Leihcontrakt. Das aes mit ſeinen Ableitungen aerarium, aes- timare (auf Erz zurückführen d. i. ſchätzen) ſowie das aes militare (der Ge- treideſold auf Geld reducirt), equestre, hordearium gehört erſt einer relativ ſpätern Zeit an; Naturallieferungen ſind überall das frühſte und der Tauſch früher, als der Kauf.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/151>, abgerufen am 23.11.2024.