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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

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Erstes Buch -- Ausgangspunkte des röm. Rechts.
dung, und die ganze Nachkommenschaft war von der Gens aus-
geschlossen. Auch diese Beschränkung des connubium stellt sich
also wieder nicht als eine absolut bindende dar, sondern als
eine solche, der man sich freiwillig unterwarf, um seinen Kin-
dern das Gentilitätsrecht zu sichern. Die Idee des connubium
ist übrigens für die Rechtsanschauung, mit der wir uns hier
beschäftigen, ganz charakterisch. Sie beruht auf jenem horror
alieni,
der die Kehrseite des festen, familienartigen Zusam-
menhaltens bildet, auf jenem Bestreben, alle fremdartigen Ele-
mente fernzuhalten und sich nur aus sich selbst zu ergänzen. 90)
Seiner ursprünglichen Idee nach war das connubium auf die
Mitglieder des Geschlechterstaats beschränkt; über sie hinaus
mußte es selbst stammverwandten Völkern erst verliehen oder
mit ihnen vereinbart werden.

Wo die Familie frei und beweglich ist, kann auch das Ver-
mögen es sein; wo jene gebunden ist, zieht dies für letztere die-
selbe Folge nach sich. Die römische Gentilverfassung war nicht
vereinbar mit der vermögensrechtlichen Freiheit der spätern Zeit,
letztere kann sich erst auf den Trümmern jener gebildet haben.
Sollte die Gens stetig und fest sein, so mußte sie ein festes ma-
terielles Fundament unter sich haben, es mußte eine gewisse
Verbindung zwischen ihr und dem in ihr befindlichen Vermögen
gesichert sein. Wir haben bereits die Sittenpolizei der Gens als
ein Mittel kennen lernen, der Dilapidation des Vermögens
vorzubeugen, aber es war nur von beschränkter Wirksamkeit.
Denn wie, wenn ein Mitglied mit seinem ganzen Vermögen in
eine andere Gens übertreten oder es in seinem Testament Nicht-
mitgliedern zuwenden wollte? War dies unbedingt erlaubt, so

90) Die Beschränkung der Freigelassenen weiblichen Geschlechts, nicht
aus der Gens herauszuheirathen, beruhte auf einem andern Grunde, nämlich
auf dem Interesse der Gens, dieselben in ihrem Hörigkeitsverhältniß zu ihr
zu erhalten. Durch Verheirathung mit einem zu einer andern Gens gehöri-
gen Freigelassenen oder Klienten trat die Freigelassene aus jenem Verbande
heraus. Mitunter wurde dies, d. h. die gentis enuptio, bewilligt.

Erſtes Buch — Ausgangspunkte des röm. Rechts.
dung, und die ganze Nachkommenſchaft war von der Gens aus-
geſchloſſen. Auch dieſe Beſchränkung des connubium ſtellt ſich
alſo wieder nicht als eine abſolut bindende dar, ſondern als
eine ſolche, der man ſich freiwillig unterwarf, um ſeinen Kin-
dern das Gentilitätsrecht zu ſichern. Die Idee des connubium
iſt übrigens für die Rechtsanſchauung, mit der wir uns hier
beſchäftigen, ganz charakteriſch. Sie beruht auf jenem horror
alieni,
der die Kehrſeite des feſten, familienartigen Zuſam-
menhaltens bildet, auf jenem Beſtreben, alle fremdartigen Ele-
mente fernzuhalten und ſich nur aus ſich ſelbſt zu ergänzen. 90)
Seiner urſprünglichen Idee nach war das connubium auf die
Mitglieder des Geſchlechterſtaats beſchränkt; über ſie hinaus
mußte es ſelbſt ſtammverwandten Völkern erſt verliehen oder
mit ihnen vereinbart werden.

Wo die Familie frei und beweglich iſt, kann auch das Ver-
mögen es ſein; wo jene gebunden iſt, zieht dies für letztere die-
ſelbe Folge nach ſich. Die römiſche Gentilverfaſſung war nicht
vereinbar mit der vermögensrechtlichen Freiheit der ſpätern Zeit,
letztere kann ſich erſt auf den Trümmern jener gebildet haben.
Sollte die Gens ſtetig und feſt ſein, ſo mußte ſie ein feſtes ma-
terielles Fundament unter ſich haben, es mußte eine gewiſſe
Verbindung zwiſchen ihr und dem in ihr befindlichen Vermögen
geſichert ſein. Wir haben bereits die Sittenpolizei der Gens als
ein Mittel kennen lernen, der Dilapidation des Vermögens
vorzubeugen, aber es war nur von beſchränkter Wirkſamkeit.
Denn wie, wenn ein Mitglied mit ſeinem ganzen Vermögen in
eine andere Gens übertreten oder es in ſeinem Teſtament Nicht-
mitgliedern zuwenden wollte? War dies unbedingt erlaubt, ſo

90) Die Beſchränkung der Freigelaſſenen weiblichen Geſchlechts, nicht
aus der Gens herauszuheirathen, beruhte auf einem andern Grunde, nämlich
auf dem Intereſſe der Gens, dieſelben in ihrem Hörigkeitsverhältniß zu ihr
zu erhalten. Durch Verheirathung mit einem zu einer andern Gens gehöri-
gen Freigelaſſenen oder Klienten trat die Freigelaſſene aus jenem Verbande
heraus. Mitunter wurde dies, d. h. die gentis enuptio, bewilligt.
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[182/0200] Erſtes Buch — Ausgangspunkte des röm. Rechts. dung, und die ganze Nachkommenſchaft war von der Gens aus- geſchloſſen. Auch dieſe Beſchränkung des connubium ſtellt ſich alſo wieder nicht als eine abſolut bindende dar, ſondern als eine ſolche, der man ſich freiwillig unterwarf, um ſeinen Kin- dern das Gentilitätsrecht zu ſichern. Die Idee des connubium iſt übrigens für die Rechtsanſchauung, mit der wir uns hier beſchäftigen, ganz charakteriſch. Sie beruht auf jenem horror alieni, der die Kehrſeite des feſten, familienartigen Zuſam- menhaltens bildet, auf jenem Beſtreben, alle fremdartigen Ele- mente fernzuhalten und ſich nur aus ſich ſelbſt zu ergänzen. 90) Seiner urſprünglichen Idee nach war das connubium auf die Mitglieder des Geſchlechterſtaats beſchränkt; über ſie hinaus mußte es ſelbſt ſtammverwandten Völkern erſt verliehen oder mit ihnen vereinbart werden. Wo die Familie frei und beweglich iſt, kann auch das Ver- mögen es ſein; wo jene gebunden iſt, zieht dies für letztere die- ſelbe Folge nach ſich. Die römiſche Gentilverfaſſung war nicht vereinbar mit der vermögensrechtlichen Freiheit der ſpätern Zeit, letztere kann ſich erſt auf den Trümmern jener gebildet haben. Sollte die Gens ſtetig und feſt ſein, ſo mußte ſie ein feſtes ma- terielles Fundament unter ſich haben, es mußte eine gewiſſe Verbindung zwiſchen ihr und dem in ihr befindlichen Vermögen geſichert ſein. Wir haben bereits die Sittenpolizei der Gens als ein Mittel kennen lernen, der Dilapidation des Vermögens vorzubeugen, aber es war nur von beſchränkter Wirkſamkeit. Denn wie, wenn ein Mitglied mit ſeinem ganzen Vermögen in eine andere Gens übertreten oder es in ſeinem Teſtament Nicht- mitgliedern zuwenden wollte? War dies unbedingt erlaubt, ſo 90) Die Beſchränkung der Freigelaſſenen weiblichen Geſchlechts, nicht aus der Gens herauszuheirathen, beruhte auf einem andern Grunde, nämlich auf dem Intereſſe der Gens, dieſelben in ihrem Hörigkeitsverhältniß zu ihr zu erhalten. Durch Verheirathung mit einem zu einer andern Gens gehöri- gen Freigelaſſenen oder Klienten trat die Freigelaſſene aus jenem Verbande heraus. Mitunter wurde dies, d. h. die gentis enuptio, bewilligt.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/200>, abgerufen am 23.11.2024.