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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

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Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts.
u. s. w. erst durch Schlußfolgerungen ermittelt werden muß.
Innerhalb des Klagensystems standen die garantirten Geschäfte,
möchte ich sagen, in Reih und Glied, während sie früher die
Vorkämpfer gewesen waren, welche der Idee des Staatsschutzes
erst Bahn brechen mußten. Als dies geschehen, als sie das Pri-
vatrecht von seinem Standpunkt des subjektiven Prinzips aus
auf dem natürlichsten Wege mit dem Staat zusammengebracht
hatten, da war ihre Aufgabe beendet, ihre wahre Bedeutung
dahin und konnte in Vergessenheit gerathen. Aber hat die
Sprache, die treue Pflegerin so mancher Reminiscenzen, uns
keine Spur jenes ältesten Dualismus innerhalb des Rechts auf-
bewahrt? Vielleicht steckt eine solche Spur in dem viel bestrit-
tenen Ausdruck jus Quiritium. Einen Anhaltspunkt für diese
Vermuthung gewährt uns die Vindikation und Mancipation
ex jure Quiritium. Ein leerer Zusatz kann dieser Ausdruck bei
der Vindikation 118) nicht gewesen sein, das widerstrebt der Weise
der Römer, ihrer allbekannten Genauigkeit in der Formulirung
der Klagen. Derselbe kann also nicht bloß bedeutet haben, daß
diese Klage nach streng römischem Recht beurtheilt werden solle,
wie hätte er dann bei den andern Klagen des streng römischen
jus civile fehlen können? Er hat eine engere Bedeutung gehabt,
eine höhere Gradation des römischen Rechts selbst aus-
gedrückt, und eine solche hat sich uns ergeben bei den vom Volk
garantirten Rechten. Im Formular des Mancipationstestaments
werden die Quiriten ausdrücklich als testes aufgerufen, bei der
gewöhnlichen Mancipation 119) wird auf das Recht der Quiriten
Bezug genommen. Wenn nun die auf solche Weise erworbenen
Rechte durch eine Vindikation ex jure Quiritium 120) geltend
gemacht werden und zwar geltend gemacht vor dem Centum-

118) Gaj. IV. §. 16.
119) Gaj. I. §. 119.
120) Ob der Zusatz früher bei jeder Vindikation vorkam, ob er nicht in
späterer Zeit, als er seine Bedeutung verloren, hier aufgenommen, dort weg-
gelassen wurde u. s. w., das läßt sich nicht ermitteln.

Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
u. ſ. w. erſt durch Schlußfolgerungen ermittelt werden muß.
Innerhalb des Klagenſyſtems ſtanden die garantirten Geſchäfte,
möchte ich ſagen, in Reih und Glied, während ſie früher die
Vorkämpfer geweſen waren, welche der Idee des Staatsſchutzes
erſt Bahn brechen mußten. Als dies geſchehen, als ſie das Pri-
vatrecht von ſeinem Standpunkt des ſubjektiven Prinzips aus
auf dem natürlichſten Wege mit dem Staat zuſammengebracht
hatten, da war ihre Aufgabe beendet, ihre wahre Bedeutung
dahin und konnte in Vergeſſenheit gerathen. Aber hat die
Sprache, die treue Pflegerin ſo mancher Reminiscenzen, uns
keine Spur jenes älteſten Dualismus innerhalb des Rechts auf-
bewahrt? Vielleicht ſteckt eine ſolche Spur in dem viel beſtrit-
tenen Ausdruck jus Quiritium. Einen Anhaltspunkt für dieſe
Vermuthung gewährt uns die Vindikation und Mancipation
ex jure Quiritium. Ein leerer Zuſatz kann dieſer Ausdruck bei
der Vindikation 118) nicht geweſen ſein, das widerſtrebt der Weiſe
der Römer, ihrer allbekannten Genauigkeit in der Formulirung
der Klagen. Derſelbe kann alſo nicht bloß bedeutet haben, daß
dieſe Klage nach ſtreng römiſchem Recht beurtheilt werden ſolle,
wie hätte er dann bei den andern Klagen des ſtreng römiſchen
jus civile fehlen können? Er hat eine engere Bedeutung gehabt,
eine höhere Gradation des römiſchen Rechts ſelbſt aus-
gedrückt, und eine ſolche hat ſich uns ergeben bei den vom Volk
garantirten Rechten. Im Formular des Mancipationsteſtaments
werden die Quiriten ausdrücklich als testes aufgerufen, bei der
gewöhnlichen Mancipation 119) wird auf das Recht der Quiriten
Bezug genommen. Wenn nun die auf ſolche Weiſe erworbenen
Rechte durch eine Vindikation ex jure Quiritium 120) geltend
gemacht werden und zwar geltend gemacht vor dem Centum-

118) Gaj. IV. §. 16.
119) Gaj. I. §. 119.
120) Ob der Zuſatz früher bei jeder Vindikation vorkam, ob er nicht in
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[214/0232] Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts. u. ſ. w. erſt durch Schlußfolgerungen ermittelt werden muß. Innerhalb des Klagenſyſtems ſtanden die garantirten Geſchäfte, möchte ich ſagen, in Reih und Glied, während ſie früher die Vorkämpfer geweſen waren, welche der Idee des Staatsſchutzes erſt Bahn brechen mußten. Als dies geſchehen, als ſie das Pri- vatrecht von ſeinem Standpunkt des ſubjektiven Prinzips aus auf dem natürlichſten Wege mit dem Staat zuſammengebracht hatten, da war ihre Aufgabe beendet, ihre wahre Bedeutung dahin und konnte in Vergeſſenheit gerathen. Aber hat die Sprache, die treue Pflegerin ſo mancher Reminiscenzen, uns keine Spur jenes älteſten Dualismus innerhalb des Rechts auf- bewahrt? Vielleicht ſteckt eine ſolche Spur in dem viel beſtrit- tenen Ausdruck jus Quiritium. Einen Anhaltspunkt für dieſe Vermuthung gewährt uns die Vindikation und Mancipation ex jure Quiritium. Ein leerer Zuſatz kann dieſer Ausdruck bei der Vindikation 118) nicht geweſen ſein, das widerſtrebt der Weiſe der Römer, ihrer allbekannten Genauigkeit in der Formulirung der Klagen. Derſelbe kann alſo nicht bloß bedeutet haben, daß dieſe Klage nach ſtreng römiſchem Recht beurtheilt werden ſolle, wie hätte er dann bei den andern Klagen des ſtreng römiſchen jus civile fehlen können? Er hat eine engere Bedeutung gehabt, eine höhere Gradation des römiſchen Rechts ſelbſt aus- gedrückt, und eine ſolche hat ſich uns ergeben bei den vom Volk garantirten Rechten. Im Formular des Mancipationsteſtaments werden die Quiriten ausdrücklich als testes aufgerufen, bei der gewöhnlichen Mancipation 119) wird auf das Recht der Quiriten Bezug genommen. Wenn nun die auf ſolche Weiſe erworbenen Rechte durch eine Vindikation ex jure Quiritium 120) geltend gemacht werden und zwar geltend gemacht vor dem Centum- 118) Gaj. IV. §. 16. 119) Gaj. I. §. 119. 120) Ob der Zuſatz früher bei jeder Vindikation vorkam, ob er nicht in ſpäterer Zeit, als er ſeine Bedeutung verloren, hier aufgenommen, dort weg- gelaſſen wurde u. ſ. w., das läßt ſich nicht ermitteln.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/232>, abgerufen am 24.11.2024.