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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

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2. Der Staat -- Rechte ex jure Quiritium. §. 15.
viralgerichtshofe, so liegt es nahe, in diesem Ausdruck eine Hin-
weisung auf die Eigenthümlichkeit dieses ganzen Verhältnisses zu
erblicken. Ein Recht ex jure Quiritium würde also ein nach der
Weise der Quiriten unter den Schutz der Gemeinde gestelltes
Recht sein, ausgezeichnet im System der Selbsthülfe durch Ver-
bot und Erfolglosigkeit des Widerstandes gegen die Selbsthülfe,
im Klagensystem durch den von dem Centumviralgericht als
einer das Volk vertretenden Behörde ertheilten Schutz. 121) Wie
es sich übrigens mit dieser Vermuthung über den Sinn jenes
Ausdrucks auch verhalten möge, für das materielle Resultat der
obigen Ausführung ist dies gleichgültig.


Es bleibt uns jetzt noch ein Punkt übrig, an dem wir gleich-
falls die Wirksamkeit der im bisherigen verfolgten Ideen zu er-
proben hätten, nämlich das Königthum. Dasselbe entspricht nun
zwar nach einer Seite hin dem subjektiven Prinzip, insofern
nämlich die Wahl des Königs sich als ein Vertrag zwischen
Volk und König bezeichnen läßt, allein andererseits reicht es da-
durch über dasselbe hinaus, daß es von vornherein ein Verhält-
niß der Ueber- und Unterordnung begründet und wird daher
am zweckmäßigsten bei Gelegenheit der Wehrverfassung (§. 17)
zu betrachten sein.

Bevor wir den Gegenstand, der uns bisher beschäftigte, ver-
lassen, mögen mir noch einige Bemerkungen über den Werth der
gefundenen Resultate verstattet sein. Dürfen wir sie Resultate
nennen, oder sind sie nicht vielmehr reine Construktionen? Ich

121) Den Schutz des Volks anrufen hieß Quiritare. Varro de ling.
lat. VI. 68. Quiritare dicitur is, qui Quiritum fidem clamans implorat.
Fides Quiritium
darum, weil und insofern das Recht unter dem Schutz der
Quiriten stand, ihre fides also erforderte, daß sie denselben gewährten.
Fides ist daher der stehende Ausdruck s. die Beispiele bei Brissonius de
voc. ac formul. lib. VIII. c.
21.

2. Der Staat — Rechte ex jure Quiritium. §. 15.
viralgerichtshofe, ſo liegt es nahe, in dieſem Ausdruck eine Hin-
weiſung auf die Eigenthümlichkeit dieſes ganzen Verhältniſſes zu
erblicken. Ein Recht ex jure Quiritium würde alſo ein nach der
Weiſe der Quiriten unter den Schutz der Gemeinde geſtelltes
Recht ſein, ausgezeichnet im Syſtem der Selbſthülfe durch Ver-
bot und Erfolgloſigkeit des Widerſtandes gegen die Selbſthülfe,
im Klagenſyſtem durch den von dem Centumviralgericht als
einer das Volk vertretenden Behörde ertheilten Schutz. 121) Wie
es ſich übrigens mit dieſer Vermuthung über den Sinn jenes
Ausdrucks auch verhalten möge, für das materielle Reſultat der
obigen Ausführung iſt dies gleichgültig.


Es bleibt uns jetzt noch ein Punkt übrig, an dem wir gleich-
falls die Wirkſamkeit der im bisherigen verfolgten Ideen zu er-
proben hätten, nämlich das Königthum. Daſſelbe entſpricht nun
zwar nach einer Seite hin dem ſubjektiven Prinzip, inſofern
nämlich die Wahl des Königs ſich als ein Vertrag zwiſchen
Volk und König bezeichnen läßt, allein andererſeits reicht es da-
durch über daſſelbe hinaus, daß es von vornherein ein Verhält-
niß der Ueber- und Unterordnung begründet und wird daher
am zweckmäßigſten bei Gelegenheit der Wehrverfaſſung (§. 17)
zu betrachten ſein.

Bevor wir den Gegenſtand, der uns bisher beſchäftigte, ver-
laſſen, mögen mir noch einige Bemerkungen über den Werth der
gefundenen Reſultate verſtattet ſein. Dürfen wir ſie Reſultate
nennen, oder ſind ſie nicht vielmehr reine Conſtruktionen? Ich

121) Den Schutz des Volks anrufen hieß Quiritare. Varro de ling.
lat. VI. 68. Quiritare dicitur is, qui Quiritum fidem clamans implorat.
Fides Quiritium
darum, weil und inſofern das Recht unter dem Schutz der
Quiriten ſtand, ihre fides alſo erforderte, daß ſie denſelben gewährten.
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voc. ac formul. lib. VIII. c.
21.
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[215/0233] 2. Der Staat — Rechte ex jure Quiritium. §. 15. viralgerichtshofe, ſo liegt es nahe, in dieſem Ausdruck eine Hin- weiſung auf die Eigenthümlichkeit dieſes ganzen Verhältniſſes zu erblicken. Ein Recht ex jure Quiritium würde alſo ein nach der Weiſe der Quiriten unter den Schutz der Gemeinde geſtelltes Recht ſein, ausgezeichnet im Syſtem der Selbſthülfe durch Ver- bot und Erfolgloſigkeit des Widerſtandes gegen die Selbſthülfe, im Klagenſyſtem durch den von dem Centumviralgericht als einer das Volk vertretenden Behörde ertheilten Schutz. 121) Wie es ſich übrigens mit dieſer Vermuthung über den Sinn jenes Ausdrucks auch verhalten möge, für das materielle Reſultat der obigen Ausführung iſt dies gleichgültig. Es bleibt uns jetzt noch ein Punkt übrig, an dem wir gleich- falls die Wirkſamkeit der im bisherigen verfolgten Ideen zu er- proben hätten, nämlich das Königthum. Daſſelbe entſpricht nun zwar nach einer Seite hin dem ſubjektiven Prinzip, inſofern nämlich die Wahl des Königs ſich als ein Vertrag zwiſchen Volk und König bezeichnen läßt, allein andererſeits reicht es da- durch über daſſelbe hinaus, daß es von vornherein ein Verhält- niß der Ueber- und Unterordnung begründet und wird daher am zweckmäßigſten bei Gelegenheit der Wehrverfaſſung (§. 17) zu betrachten ſein. Bevor wir den Gegenſtand, der uns bisher beſchäftigte, ver- laſſen, mögen mir noch einige Bemerkungen über den Werth der gefundenen Reſultate verſtattet ſein. Dürfen wir ſie Reſultate nennen, oder ſind ſie nicht vielmehr reine Conſtruktionen? Ich 121) Den Schutz des Volks anrufen hieß Quiritare. Varro de ling. lat. VI. 68. Quiritare dicitur is, qui Quiritum fidem clamans implorat. Fides Quiritium darum, weil und inſofern das Recht unter dem Schutz der Quiriten ſtand, ihre fides alſo erforderte, daß ſie denſelben gewährten. Fides iſt daher der ſtehende Ausdruck ſ. die Beiſpiele bei Brissonius de voc. ac formul. lib. VIII. c. 21.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/233>, abgerufen am 15.05.2024.