Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweites Buch. Erster Abschnitt. II. Die Grundtriebe. stisches Licht auf das Verhältniß, in dem sie zum Volk zu stehenglaubten. Einen anderweitigen sprechenden Beleg für die gesunde Be- Andererseits bewährte sich die von den Plebejern errungene Zweites Buch. Erſter Abſchnitt. II. Die Grundtriebe. ſtiſches Licht auf das Verhältniß, in dem ſie zum Volk zu ſtehenglaubten. Einen anderweitigen ſprechenden Beleg für die geſunde Be- Andererſeits bewährte ſich die von den Plebejern errungene <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0112" n="98"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchnitt. <hi rendition="#aq">II.</hi> Die Grundtriebe.</fw><lb/> ſtiſches Licht auf das Verhältniß, in dem ſie zum Volk zu ſtehen<lb/> glaubten.</p><lb/> <p>Einen anderweitigen ſprechenden Beleg für die geſunde Be-<lb/> ſchaffenheit des politiſchen Gleichheitsgefühls der Römer ge-<lb/> währt die Fortdauer der ſervianiſchen Verfaſſung während der<lb/> gegenwärtigen Periode. Dieſelbe war bekanntlich eine Timo-<lb/> kratie, und der Gedanke der Gleichheit kam in ihr in der Weiſe<lb/> zur Anwendung, daß ein jeder in demſelben Maße politiſche<lb/> Rechte auszuüben hatte, in dem er an den Laſten des Staats par-<lb/> ticipirte — ein Grundſatz, der natürlich eine große Ungleichheit<lb/> in den politiſchen Rechten zur Folge hatte. Allerdings beſtanden<lb/> neben den auf dieſer Verfaſſung beruhenden Centuriatcomitien<lb/> auch die auf das Prinzip der Kopfzahl gegründeten Tributco-<lb/> mitien, allein das Uebergewicht des politiſchen Einfluſſes, die<lb/> eigentlich beſtimmende Kraft war doch lange entſchieden auf<lb/> Seiten der erſteren, denn außer der geſetzgebenden Gewalt, die<lb/> beiden gemeinſchaftlich war, und dem Uebergewicht in der Kri-<lb/> minaljurisdiktion beſaßen die Centuriatcomitien ausſchließlich<lb/> das Recht, die curuliſchen Magiſtrate zu wählen, über Krieg<lb/> und Frieden zu entſcheiden.</p><lb/> <p>Andererſeits bewährte ſich die von den Plebejern errungene<lb/> politiſche Gleichheit in glänzender Weiſe daran, daß ſeit Gleich-<lb/> ſtellung der Stände auch dem geringſten Plebejer rechtlich kein<lb/> Hinderniß im Wege ſtand, die höchſten Stufen der Staatsverwal-<lb/> tung zu erklimmen und ſich und ſein Geſchlecht durch eigenes Ver-<lb/> dienſt zu nobilitiren. Der Zuwachs ſeines Vermögens, den er<lb/> durch Sparſamkeit und Betriebſamkeither beigeführt hatte, brachte<lb/> ihn aus einer niedern in eine höhere Cenſusklaſſe, mit dem Ver-<lb/> mögen mehrte ſich ſein politiſcher Einfluß, durch Auszeichnung<lb/> im Felde oder daheim konnte er die Augen des Volkes auf ſich<lb/> ziehn und durch deſſen Gunſt zu den höchſten Ehrenſtellen ge-<lb/> tragen werden. Auch in Rom wie überall beſtimmte nicht per-<lb/> ſönliche Tüchtigkeit allein die Erfolge des Ehrgeizes; auch hier<lb/> übte die Vergangenheit d. h. das Geſchlecht, ſociale Stellung,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0112]
Zweites Buch. Erſter Abſchnitt. II. Die Grundtriebe.
ſtiſches Licht auf das Verhältniß, in dem ſie zum Volk zu ſtehen
glaubten.
Einen anderweitigen ſprechenden Beleg für die geſunde Be-
ſchaffenheit des politiſchen Gleichheitsgefühls der Römer ge-
währt die Fortdauer der ſervianiſchen Verfaſſung während der
gegenwärtigen Periode. Dieſelbe war bekanntlich eine Timo-
kratie, und der Gedanke der Gleichheit kam in ihr in der Weiſe
zur Anwendung, daß ein jeder in demſelben Maße politiſche
Rechte auszuüben hatte, in dem er an den Laſten des Staats par-
ticipirte — ein Grundſatz, der natürlich eine große Ungleichheit
in den politiſchen Rechten zur Folge hatte. Allerdings beſtanden
neben den auf dieſer Verfaſſung beruhenden Centuriatcomitien
auch die auf das Prinzip der Kopfzahl gegründeten Tributco-
mitien, allein das Uebergewicht des politiſchen Einfluſſes, die
eigentlich beſtimmende Kraft war doch lange entſchieden auf
Seiten der erſteren, denn außer der geſetzgebenden Gewalt, die
beiden gemeinſchaftlich war, und dem Uebergewicht in der Kri-
minaljurisdiktion beſaßen die Centuriatcomitien ausſchließlich
das Recht, die curuliſchen Magiſtrate zu wählen, über Krieg
und Frieden zu entſcheiden.
Andererſeits bewährte ſich die von den Plebejern errungene
politiſche Gleichheit in glänzender Weiſe daran, daß ſeit Gleich-
ſtellung der Stände auch dem geringſten Plebejer rechtlich kein
Hinderniß im Wege ſtand, die höchſten Stufen der Staatsverwal-
tung zu erklimmen und ſich und ſein Geſchlecht durch eigenes Ver-
dienſt zu nobilitiren. Der Zuwachs ſeines Vermögens, den er
durch Sparſamkeit und Betriebſamkeither beigeführt hatte, brachte
ihn aus einer niedern in eine höhere Cenſusklaſſe, mit dem Ver-
mögen mehrte ſich ſein politiſcher Einfluß, durch Auszeichnung
im Felde oder daheim konnte er die Augen des Volkes auf ſich
ziehn und durch deſſen Gunſt zu den höchſten Ehrenſtellen ge-
tragen werden. Auch in Rom wie überall beſtimmte nicht per-
ſönliche Tüchtigkeit allein die Erfolge des Ehrgeizes; auch hier
übte die Vergangenheit d. h. das Geſchlecht, ſociale Stellung,
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