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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Ehe ohne manus. §. 32.
war, 291) so fand ein Eingreifen einer fremden Gewalt in das
römische Haus, wie es eben hinsichtlich der patr. pot. bemerkt
wurde, hier gar nicht Statt. Der Mann übte abgesehen von der
vermögensrechtlichen Seite die Herrschaft über seine Frau wahr-
scheinlich ebenso aus, wie bei einer Frau in manu, 292) und eine
rechtlich begründete Einsprache ihrer Verwandten hatte er in
dieser Beziehung nicht zu besorgen. So erklärt es sich, daß man
vom Standpunkt des spätern Rechts aus die manus als rein ver-
mögensrechtliches
Institut betrachten konnte und unab-
hängig von der Ehe zur Anwendung brachte, 293) so ferner, daß
man bei der Ehe mit manus den Grund des persönlichen
Abhängigkeitsverhältnisses der Frau nicht sowohl in der manus,
als in der Ehe fand.

Die Ehe ohne manus kam also meiner Ansicht nach vorzüg-
lich in zwei Anwendungen vor, einmal nämlich als vorüber-
gehender
Zustand bei einer filia familias; das Institut des
usus gab es in ihre Hand, 294) die manus mit Ablauf Eines
Jahres entstehen zu lassen, die usurpatio durch trinoctium
aber bot ihr das Mittel, sich dagegen zu schützen. Sodann als
dauernder Zustand bei einer bevormundeten Person, wenn
die gesetzlichen Tutoren ihre Zustimmung zur Eingehung einer
Ehe mit manus verweigerten. Sie sicherten sich auf diese Weise
ihre Erbansprüche auf das Vermögen ihrer Mündel, waren
aber durch die Sitte 295) verpflichtet, eine dos zu bestellen. Daß

291) Das wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber doch
aus manchen Gründen, man denke z. B. nur an den ganzen Zweck dieser
Tutel, wie er uns von den Römern selbst bezeugt wird.
292) Zimmern Röm. Rechtsgesch. B. 2 §. 140.
293) Die coemptio fiduciae causa.
294) Einwilligung des Vaters war nicht nöthig (worauf die entgegenge-
setzte Behauptung von Roßbach a. a. O. S. 147 sich stützen will, vermag
ich nicht einzusehen) und selbst der bloße Widerspruch des Vaters schloß
schwerlich den usus aus, aber die patr. pot. bot ihm freilich das Mittel, die
Frau zur nsurpatio zu zwingen.
295) Ich erinnere an die bekannten Vorstellungen der Römer über undo-

A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Ehe ohne manus. §. 32.
war, 291) ſo fand ein Eingreifen einer fremden Gewalt in das
römiſche Haus, wie es eben hinſichtlich der patr. pot. bemerkt
wurde, hier gar nicht Statt. Der Mann übte abgeſehen von der
vermögensrechtlichen Seite die Herrſchaft über ſeine Frau wahr-
ſcheinlich ebenſo aus, wie bei einer Frau in manu, 292) und eine
rechtlich begründete Einſprache ihrer Verwandten hatte er in
dieſer Beziehung nicht zu beſorgen. So erklärt es ſich, daß man
vom Standpunkt des ſpätern Rechts aus die manus als rein ver-
mögensrechtliches
Inſtitut betrachten konnte und unab-
hängig von der Ehe zur Anwendung brachte, 293) ſo ferner, daß
man bei der Ehe mit manus den Grund des perſönlichen
Abhängigkeitsverhältniſſes der Frau nicht ſowohl in der manus,
als in der Ehe fand.

Die Ehe ohne manus kam alſo meiner Anſicht nach vorzüg-
lich in zwei Anwendungen vor, einmal nämlich als vorüber-
gehender
Zuſtand bei einer filia familias; das Inſtitut des
usus gab es in ihre Hand, 294) die manus mit Ablauf Eines
Jahres entſtehen zu laſſen, die usurpatio durch trinoctium
aber bot ihr das Mittel, ſich dagegen zu ſchützen. Sodann als
dauernder Zuſtand bei einer bevormundeten Perſon, wenn
die geſetzlichen Tutoren ihre Zuſtimmung zur Eingehung einer
Ehe mit manus verweigerten. Sie ſicherten ſich auf dieſe Weiſe
ihre Erbanſprüche auf das Vermögen ihrer Mündel, waren
aber durch die Sitte 295) verpflichtet, eine dos zu beſtellen. Daß

291) Das wird zwar nicht ausdrücklich geſagt, ergibt ſich aber doch
aus manchen Gründen, man denke z. B. nur an den ganzen Zweck dieſer
Tutel, wie er uns von den Römern ſelbſt bezeugt wird.
292) Zimmern Röm. Rechtsgeſch. B. 2 §. 140.
293) Die coemptio fiduciae causa.
294) Einwilligung des Vaters war nicht nöthig (worauf die entgegenge-
ſetzte Behauptung von Roßbach a. a. O. S. 147 ſich ſtützen will, vermag
ich nicht einzuſehen) und ſelbſt der bloße Widerſpruch des Vaters ſchloß
ſchwerlich den usus aus, aber die patr. pot. bot ihm freilich das Mittel, die
Frau zur nsurpatio zu zwingen.
295) Ich erinnere an die bekannten Vorſtellungen der Römer über undo-
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[199/0213] A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Ehe ohne manus. §. 32. war, 291) ſo fand ein Eingreifen einer fremden Gewalt in das römiſche Haus, wie es eben hinſichtlich der patr. pot. bemerkt wurde, hier gar nicht Statt. Der Mann übte abgeſehen von der vermögensrechtlichen Seite die Herrſchaft über ſeine Frau wahr- ſcheinlich ebenſo aus, wie bei einer Frau in manu, 292) und eine rechtlich begründete Einſprache ihrer Verwandten hatte er in dieſer Beziehung nicht zu beſorgen. So erklärt es ſich, daß man vom Standpunkt des ſpätern Rechts aus die manus als rein ver- mögensrechtliches Inſtitut betrachten konnte und unab- hängig von der Ehe zur Anwendung brachte, 293) ſo ferner, daß man bei der Ehe mit manus den Grund des perſönlichen Abhängigkeitsverhältniſſes der Frau nicht ſowohl in der manus, als in der Ehe fand. Die Ehe ohne manus kam alſo meiner Anſicht nach vorzüg- lich in zwei Anwendungen vor, einmal nämlich als vorüber- gehender Zuſtand bei einer filia familias; das Inſtitut des usus gab es in ihre Hand, 294) die manus mit Ablauf Eines Jahres entſtehen zu laſſen, die usurpatio durch trinoctium aber bot ihr das Mittel, ſich dagegen zu ſchützen. Sodann als dauernder Zuſtand bei einer bevormundeten Perſon, wenn die geſetzlichen Tutoren ihre Zuſtimmung zur Eingehung einer Ehe mit manus verweigerten. Sie ſicherten ſich auf dieſe Weiſe ihre Erbanſprüche auf das Vermögen ihrer Mündel, waren aber durch die Sitte 295) verpflichtet, eine dos zu beſtellen. Daß 291) Das wird zwar nicht ausdrücklich geſagt, ergibt ſich aber doch aus manchen Gründen, man denke z. B. nur an den ganzen Zweck dieſer Tutel, wie er uns von den Römern ſelbſt bezeugt wird. 292) Zimmern Röm. Rechtsgeſch. B. 2 §. 140. 293) Die coemptio fiduciae causa. 294) Einwilligung des Vaters war nicht nöthig (worauf die entgegenge- ſetzte Behauptung von Roßbach a. a. O. S. 147 ſich ſtützen will, vermag ich nicht einzuſehen) und ſelbſt der bloße Widerſpruch des Vaters ſchloß ſchwerlich den usus aus, aber die patr. pot. bot ihm freilich das Mittel, die Frau zur nsurpatio zu zwingen. 295) Ich erinnere an die bekannten Vorſtellungen der Römer über undo-

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/213>, abgerufen am 21.11.2024.