Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32. Leben des Einzelnen und einen Einfluß auf dasselbe zu gewäh-ren, wie er ihr nicht häufig zu Theil geworden ist. Wir haben es hier also mit einem Institut der Sitte zu 325) Darauf weisen nicht bloß die Ausdrücke propinqui, amici, cognati u. s. w. hin, sondern hinsichtlich des Verwandtengerichts über die Ehefrau in manu verstand es sich von selbst, daß man die Verwandten von ihrer Seite, also die Cognaten nicht übergehen konnte. 326) Mitunter sogar fern stehende Personen von Rang z. B. August bei
Seneca de clement. c. 15. Ja bei Val. Max. V. 9, 1 wurde ein großer Theil des Senats zugezogen. Nach Klenze in der Zeitsch. VI. S. 31 "ge- winnt das ganze Hausgericht erst eine feste Gestalt durch feste Regeln über die Berufung der Richter." Als ob es sich hier um etwas Festes, um ein Rechtsinstitut handelte! A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32. Leben des Einzelnen und einen Einfluß auf daſſelbe zu gewäh-ren, wie er ihr nicht häufig zu Theil geworden iſt. Wir haben es hier alſo mit einem Inſtitut der Sitte zu 325) Darauf weiſen nicht bloß die Ausdrücke propinqui, amici, cognati u. ſ. w. hin, ſondern hinſichtlich des Verwandtengerichts über die Ehefrau in manu verſtand es ſich von ſelbſt, daß man die Verwandten von ihrer Seite, alſo die Cognaten nicht übergehen konnte. 326) Mitunter ſogar fern ſtehende Perſonen von Rang z. B. Auguſt bei
Seneca de clement. c. 15. Ja bei Val. Max. V. 9, 1 wurde ein großer Theil des Senats zugezogen. Nach Klenze in der Zeitſch. VI. S. 31 „ge- winnt das ganze Hausgericht erſt eine feſte Geſtalt durch feſte Regeln über die Berufung der Richter.“ Als ob es ſich hier um etwas Feſtes, um ein Rechtsinſtitut handelte! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0231" n="217"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">A.</hi> Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32.</fw><lb/> Leben des Einzelnen und einen Einfluß auf daſſelbe zu gewäh-<lb/> ren, wie er ihr nicht häufig zu Theil geworden iſt.</p><lb/> <p>Wir haben es hier alſo mit einem Inſtitut der Sitte zu<lb/> thun, und die Unbeſtimmtheit und Biegſamkeit, die wir oben<lb/> (§. 25) als den Charakterzug der Sitte haben kennen lernen,<lb/> äußert ſich hier in mannichfacher Weiſe. Theils nämlich hin-<lb/> ſichtlich des <hi rendition="#g">Begriffs</hi> der Familie, es iſt nicht der juriſtiſche,<lb/> der der Agnaten, ſondern der der natürlichen Familie, <note place="foot" n="325)">Darauf weiſen nicht bloß die Ausdrücke <hi rendition="#aq">propinqui, amici, cognati</hi><lb/> u. ſ. w. hin, ſondern hinſichtlich des Verwandtengerichts über die Ehefrau <hi rendition="#aq">in<lb/> manu</hi> verſtand es ſich von ſelbſt, daß man die Verwandten von <hi rendition="#g">ihrer</hi> Seite,<lb/> alſo die Cognaten nicht übergehen konnte.</note> der<lb/> Kreis der <hi rendition="#g">Bluts</hi>verwandten, ja ſo wenig iſt dieſer Kreis abge-<lb/> ſchloſſen, daß auch die nähern Freunde <note place="foot" n="326)">Mitunter ſogar fern ſtehende Perſonen von Rang z. B. Auguſt bei<lb/><hi rendition="#aq">Seneca de clement. c.</hi> 15. Ja bei <hi rendition="#aq">Val. Max. V.</hi> 9, 1 wurde ein großer<lb/> Theil des Senats zugezogen. Nach Klenze in der Zeitſch. <hi rendition="#aq">VI.</hi> S. 31 „ge-<lb/> winnt das ganze Hausgericht erſt eine <hi rendition="#g">feſte</hi> Geſtalt durch <hi rendition="#g">feſte</hi> Regeln über<lb/> die Berufung der Richter.“ Als ob es ſich hier um etwas <hi rendition="#g">Feſtes</hi>, um ein<lb/><hi rendition="#g">Rechts</hi>inſtitut handelte!</note> zu ihm hinzugezogen<lb/> werden. Man könnte ſagen: es iſt die <hi rendition="#g">ethiſche Umgebung<lb/> des Subjekts</hi>, der Umkreis, innerhalb deſſen ſeine ſittlich<lb/> häusliche Exiſtenz ihre Wurzeln treibt, der Chor, der, wie<lb/> im griechiſchen Drama, ihn durch Billigung und Mißbilligung<lb/> bei ſeinen Handlungen beſtimmen ſoll, und von deſſen Gunſt<lb/> oder Ungunſt, Beiſtand oder Theilnahmloſigkeit die Behaglich-<lb/> keit ſeiner Exiſtenz abhängt. Wer dieſen Chor mit bildet, ob<lb/> alle Verwandte, oder nur bis zu einem gewiſſen Grade, ob<lb/> auch die Freunde u. ſ. w., darüber hat die Sitte keine Norm;<lb/> möge der Einzelne im einzelnen Fall ſelbſt beſtimmen, wen er<lb/> zu den <hi rendition="#aq">propinqui, necessarii, amici</hi> u. ſ. w. rechnet. Die Un-<lb/> beſtimmtheit des Inſtituts äußert ſich ferner darin, daß die un-<lb/> terlaſſene Zuziehung jener Perſonen in Fällen, wo dieſelbe hätte<lb/> Statt finden ſollen, bald als arger Verſtoß gegen die Sitte all-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [217/0231]
A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32.
Leben des Einzelnen und einen Einfluß auf daſſelbe zu gewäh-
ren, wie er ihr nicht häufig zu Theil geworden iſt.
Wir haben es hier alſo mit einem Inſtitut der Sitte zu
thun, und die Unbeſtimmtheit und Biegſamkeit, die wir oben
(§. 25) als den Charakterzug der Sitte haben kennen lernen,
äußert ſich hier in mannichfacher Weiſe. Theils nämlich hin-
ſichtlich des Begriffs der Familie, es iſt nicht der juriſtiſche,
der der Agnaten, ſondern der der natürlichen Familie, 325) der
Kreis der Blutsverwandten, ja ſo wenig iſt dieſer Kreis abge-
ſchloſſen, daß auch die nähern Freunde 326) zu ihm hinzugezogen
werden. Man könnte ſagen: es iſt die ethiſche Umgebung
des Subjekts, der Umkreis, innerhalb deſſen ſeine ſittlich
häusliche Exiſtenz ihre Wurzeln treibt, der Chor, der, wie
im griechiſchen Drama, ihn durch Billigung und Mißbilligung
bei ſeinen Handlungen beſtimmen ſoll, und von deſſen Gunſt
oder Ungunſt, Beiſtand oder Theilnahmloſigkeit die Behaglich-
keit ſeiner Exiſtenz abhängt. Wer dieſen Chor mit bildet, ob
alle Verwandte, oder nur bis zu einem gewiſſen Grade, ob
auch die Freunde u. ſ. w., darüber hat die Sitte keine Norm;
möge der Einzelne im einzelnen Fall ſelbſt beſtimmen, wen er
zu den propinqui, necessarii, amici u. ſ. w. rechnet. Die Un-
beſtimmtheit des Inſtituts äußert ſich ferner darin, daß die un-
terlaſſene Zuziehung jener Perſonen in Fällen, wo dieſelbe hätte
Statt finden ſollen, bald als arger Verſtoß gegen die Sitte all-
325) Darauf weiſen nicht bloß die Ausdrücke propinqui, amici, cognati
u. ſ. w. hin, ſondern hinſichtlich des Verwandtengerichts über die Ehefrau in
manu verſtand es ſich von ſelbſt, daß man die Verwandten von ihrer Seite,
alſo die Cognaten nicht übergehen konnte.
326) Mitunter ſogar fern ſtehende Perſonen von Rang z. B. Auguſt bei
Seneca de clement. c. 15. Ja bei Val. Max. V. 9, 1 wurde ein großer
Theil des Senats zugezogen. Nach Klenze in der Zeitſch. VI. S. 31 „ge-
winnt das ganze Hausgericht erſt eine feſte Geſtalt durch feſte Regeln über
die Berufung der Richter.“ Als ob es ſich hier um etwas Feſtes, um ein
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