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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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A. Stellung d. Ind. Die Wohlfahrtsfrage. Oeffentl. Maßregeln. §. 34.
denen der eine, M. Livius, daher den Beinamen Salinator er-
hielt, eine Steuer auf das Salz, und zwar in der Weise, daß
die Lieferung des Salzes zu einem nach den verschiedenen Ge-
genden Italiens differirenden Preise verpachtet ward, wobei für
Rom der bisherige Preis innegehalten werden mußte.407)

4) Das Schuldenwesen.

Daß das Schuldenwesen für Rom eine ganz eigenthümliche
sociale408) Bedeutung hatte, bedarf wohl keines nähern Nach-
weises. Für die Gegenwart kann von einer solchen Bedeutung
kaum die Rede sein; es gibt keinen Stand der Gesellschaft, der
heutzutage vorzugsweise dem Loose der Verschuldung ausgesetzt
wäre, oder dem umgekehrt die Verschuldung der andern Klassen
zu gute käme. Ganz anders in Rom; die Schuldfrage war hier
eine durchaus sociale. Die Verschuldung läßt sich hier als eine
Epidemie bezeichnen, der die untern Schichten vermöge ihrer
ungünstigen ökonomischen Situation fast ausschließlich ausge-
setzt waren, und von der nicht Einzelne, sondern der ganze
Stand in furchtbarer Weise und mit periodischer Regelmäßigkeit
heimgesucht ward.

Auf die Frage, wie der Staat sich dieser Thatsache gegen-
über verhielt, können wir durch Verweisung auf frühere Aus-
führungen (S. 77 u. S. 158 u. flg.) antworten; es möge nur
noch ein Zusatz Platz finden, zu dem sich dort nicht die Gelegen-

pretio venibat, in publicum omni sumtu, ademtum privatis. Livius hätte
sich kaum deutlicher ausdrücken können, und die Auffassung des Textes wird
keiner Rechtfertigung bedürfen, es ist aber unglaublich, wie man ihn mißver-
standen und an den Worten gekünstelt und experimentirt hat. S. Dracken-
borch
zu dieser Stelle. Eine Salzsteuer wird schon dem Ancus Martius zu-
geschrieben, Auct. de vir. ill. c. 5, ebenso die erste Einrichtung der Salinen
und das erste Geschenk von Salz an das Volk. Plin. H. N. XXXI, 41.
407) Liv. XXIX, 37. Worauf sich die Behauptung von Ruperti Handb.
der röm. Alterth. 2. Th. S. 838 stützt, daß das Salzmonopol in Italien
aufgehoben worden sei, kann ich nicht einsehen; Belege hat er nicht hinzu-
gefügt.
408) Die politische Seite dieser Frage ist bereits S. 158 berührt.

A. Stellung d. Ind. Die Wohlfahrtsfrage. Oeffentl. Maßregeln. §. 34.
denen der eine, M. Livius, daher den Beinamen Salinator er-
hielt, eine Steuer auf das Salz, und zwar in der Weiſe, daß
die Lieferung des Salzes zu einem nach den verſchiedenen Ge-
genden Italiens differirenden Preiſe verpachtet ward, wobei für
Rom der bisherige Preis innegehalten werden mußte.407)

4) Das Schuldenweſen.

Daß das Schuldenweſen für Rom eine ganz eigenthümliche
ſociale408) Bedeutung hatte, bedarf wohl keines nähern Nach-
weiſes. Für die Gegenwart kann von einer ſolchen Bedeutung
kaum die Rede ſein; es gibt keinen Stand der Geſellſchaft, der
heutzutage vorzugsweiſe dem Looſe der Verſchuldung ausgeſetzt
wäre, oder dem umgekehrt die Verſchuldung der andern Klaſſen
zu gute käme. Ganz anders in Rom; die Schuldfrage war hier
eine durchaus ſociale. Die Verſchuldung läßt ſich hier als eine
Epidemie bezeichnen, der die untern Schichten vermöge ihrer
ungünſtigen ökonomiſchen Situation faſt ausſchließlich ausge-
ſetzt waren, und von der nicht Einzelne, ſondern der ganze
Stand in furchtbarer Weiſe und mit periodiſcher Regelmäßigkeit
heimgeſucht ward.

Auf die Frage, wie der Staat ſich dieſer Thatſache gegen-
über verhielt, können wir durch Verweiſung auf frühere Aus-
führungen (S. 77 u. S. 158 u. flg.) antworten; es möge nur
noch ein Zuſatz Platz finden, zu dem ſich dort nicht die Gelegen-

pretio venibat, in publicum omni sumtu, ademtum privatis. Livius hätte
ſich kaum deutlicher ausdrücken können, und die Auffaſſung des Textes wird
keiner Rechtfertigung bedürfen, es iſt aber unglaublich, wie man ihn mißver-
ſtanden und an den Worten gekünſtelt und experimentirt hat. S. Dracken-
borch
zu dieſer Stelle. Eine Salzſteuer wird ſchon dem Ancus Martius zu-
geſchrieben, Auct. de vir. ill. c. 5, ebenſo die erſte Einrichtung der Salinen
und das erſte Geſchenk von Salz an das Volk. Plin. H. N. XXXI, 41.
407) Liv. XXIX, 37. Worauf ſich die Behauptung von Ruperti Handb.
der röm. Alterth. 2. Th. S. 838 ſtützt, daß das Salzmonopol in Italien
aufgehoben worden ſei, kann ich nicht einſehen; Belege hat er nicht hinzu-
gefügt.
408) Die politiſche Seite dieſer Frage iſt bereits S. 158 berührt.
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[265/0279] A. Stellung d. Ind. Die Wohlfahrtsfrage. Oeffentl. Maßregeln. §. 34. denen der eine, M. Livius, daher den Beinamen Salinator er- hielt, eine Steuer auf das Salz, und zwar in der Weiſe, daß die Lieferung des Salzes zu einem nach den verſchiedenen Ge- genden Italiens differirenden Preiſe verpachtet ward, wobei für Rom der bisherige Preis innegehalten werden mußte. 407) 4) Das Schuldenweſen. Daß das Schuldenweſen für Rom eine ganz eigenthümliche ſociale 408) Bedeutung hatte, bedarf wohl keines nähern Nach- weiſes. Für die Gegenwart kann von einer ſolchen Bedeutung kaum die Rede ſein; es gibt keinen Stand der Geſellſchaft, der heutzutage vorzugsweiſe dem Looſe der Verſchuldung ausgeſetzt wäre, oder dem umgekehrt die Verſchuldung der andern Klaſſen zu gute käme. Ganz anders in Rom; die Schuldfrage war hier eine durchaus ſociale. Die Verſchuldung läßt ſich hier als eine Epidemie bezeichnen, der die untern Schichten vermöge ihrer ungünſtigen ökonomiſchen Situation faſt ausſchließlich ausge- ſetzt waren, und von der nicht Einzelne, ſondern der ganze Stand in furchtbarer Weiſe und mit periodiſcher Regelmäßigkeit heimgeſucht ward. Auf die Frage, wie der Staat ſich dieſer Thatſache gegen- über verhielt, können wir durch Verweiſung auf frühere Aus- führungen (S. 77 u. S. 158 u. flg.) antworten; es möge nur noch ein Zuſatz Platz finden, zu dem ſich dort nicht die Gelegen- 406) 407) Liv. XXIX, 37. Worauf ſich die Behauptung von Ruperti Handb. der röm. Alterth. 2. Th. S. 838 ſtützt, daß das Salzmonopol in Italien aufgehoben worden ſei, kann ich nicht einſehen; Belege hat er nicht hinzu- gefügt. 408) Die politiſche Seite dieſer Frage iſt bereits S. 158 berührt. 406) pretio venibat, in publicum omni sumtu, ademtum privatis. Livius hätte ſich kaum deutlicher ausdrücken können, und die Auffaſſung des Textes wird keiner Rechtfertigung bedürfen, es iſt aber unglaublich, wie man ihn mißver- ſtanden und an den Worten gekünſtelt und experimentirt hat. S. Dracken- borch zu dieſer Stelle. Eine Salzſteuer wird ſchon dem Ancus Martius zu- geſchrieben, Auct. de vir. ill. c. 5, ebenſo die erſte Einrichtung der Salinen und das erſte Geſchenk von Salz an das Volk. Plin. H. N. XXXI, 41.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/279>, abgerufen am 21.11.2024.