Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. heit darbot. Er betrifft einen Fall, den Livius uns aufbewahrthat.409) Im Jahre 403, als die Schuldenlast wieder einmal eine unerträgliche Höhe erreicht habe, berichtet er, habe sich der Staat ins Mittel gelegt, um eine Abtragung der Schulden zu bewirken. Es sei eine Commission zu dem Zweck ernannt, der- selben ein Fonds aus dem Aerar zur Verfügung überwiesen, und sodann ein Theil der Forderungen im Namen des Staats ab- getragen und auf seine Rechnung übernommen, ein anderer da- durch erledigt, daß die Commission einen Accord zwischen Gläu- biger und Schuldner, namentlich durch Abtretung von Sachen gegen billige Taxe zu Stande gebracht habe. So sei zur Zufrie- denheit aller Theile und ohne nennenswerthe Einbuße für den Staat eine ungeheure Schuldenmasse getilgt worden. Die Fürsorge und Beihülfe des Staats beschränkte sich nicht Aus dem bisherigen ergibt sich zur Genüge, daß die Idee 409) Liv. VII, 21. 410) Val. Max. IV, 4 §. 6 u. 10. Front. Stratag. IV, 3 §. 15. Auct.
de vir. illustr. c. 40. (Alimente an die Frau und Kinder des Regulus) ibid. c. 18, 24, 33. (Geschenk eines Hauses, einer Bau-, Begräbnißstelle) Val. Max. V. 1. 1 (Begräbniß auf Kosten des Staats). Mitunter geschah so etwas durch eine öffentliche Collekte des Volks z. B. Auct. de viris illustr. c. 18, 32. Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. heit darbot. Er betrifft einen Fall, den Livius uns aufbewahrthat.409) Im Jahre 403, als die Schuldenlaſt wieder einmal eine unerträgliche Höhe erreicht habe, berichtet er, habe ſich der Staat ins Mittel gelegt, um eine Abtragung der Schulden zu bewirken. Es ſei eine Commiſſion zu dem Zweck ernannt, der- ſelben ein Fonds aus dem Aerar zur Verfügung überwieſen, und ſodann ein Theil der Forderungen im Namen des Staats ab- getragen und auf ſeine Rechnung übernommen, ein anderer da- durch erledigt, daß die Commiſſion einen Accord zwiſchen Gläu- biger und Schuldner, namentlich durch Abtretung von Sachen gegen billige Taxe zu Stande gebracht habe. So ſei zur Zufrie- denheit aller Theile und ohne nennenswerthe Einbuße für den Staat eine ungeheure Schuldenmaſſe getilgt worden. Die Fürſorge und Beihülfe des Staats beſchränkte ſich nicht Aus dem bisherigen ergibt ſich zur Genüge, daß die Idee 409) Liv. VII, 21. 410) Val. Max. IV, 4 §. 6 u. 10. Front. Stratag. IV, 3 §. 15. Auct.
de vir. illustr. c. 40. (Alimente an die Frau und Kinder des Regulus) ibid. c. 18, 24, 33. (Geſchenk eines Hauſes, einer Bau-, Begräbnißſtelle) Val. Max. V. 1. 1 (Begräbniß auf Koſten des Staats). Mitunter geſchah ſo etwas durch eine öffentliche Collekte des Volks z. B. Auct. de viris illustr. c. 18, 32. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0280" n="266"/><fw place="top" type="header">Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. <hi rendition="#aq">II.</hi> Die Grundtriebe. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Freiheitstrieb.</fw><lb/> heit darbot. Er betrifft einen Fall, den Livius uns aufbewahrt<lb/> hat.<note place="foot" n="409)"><hi rendition="#aq">Liv. VII, 21.</hi></note> Im Jahre 403, als die Schuldenlaſt wieder einmal<lb/> eine unerträgliche Höhe erreicht habe, berichtet er, habe ſich der<lb/> Staat ins Mittel gelegt, um eine Abtragung der Schulden zu<lb/> bewirken. Es ſei eine Commiſſion zu dem Zweck ernannt, der-<lb/> ſelben ein Fonds aus dem Aerar zur Verfügung überwieſen, und<lb/> ſodann ein Theil der Forderungen im Namen des Staats ab-<lb/> getragen und auf ſeine Rechnung übernommen, ein anderer da-<lb/> durch erledigt, daß die Commiſſion einen Accord zwiſchen Gläu-<lb/> biger und Schuldner, namentlich durch Abtretung von Sachen<lb/> gegen billige Taxe zu Stande gebracht habe. So ſei zur Zufrie-<lb/> denheit aller Theile und ohne nennenswerthe Einbuße für den<lb/> Staat eine ungeheure Schuldenmaſſe getilgt worden.</p><lb/> <p>Die Fürſorge und Beihülfe des Staats beſchränkte ſich nicht<lb/> einmal auf allgemeine, eine ganze Klaſſe des Volks betreffende<lb/> Maßregeln, ſondern ſtieg mitunter in die engen Kreiſe des in-<lb/> dividuellen Bedürfniſſes hinab. So ſehen wir den Senat nach<lb/> dieſer Seite hin in einer faſt väterlichen Weiſe thätig werden<lb/> z. B. den Töchtern verdienter, aber unbemittelter Männer aus<lb/> Staatsmitteln eine Dos beſtellen, ſich des Hausweſens abwe-<lb/> ſender Beamten annehmen u. ſ. w.<note place="foot" n="410)"><hi rendition="#aq">Val. Max. IV,</hi> 4 §. 6 u. 10. <hi rendition="#aq">Front. Stratag. IV, 3 §. 15. Auct.<lb/> de vir. illustr. c.</hi> 40. (Alimente an die Frau und Kinder des Regulus) <hi rendition="#aq">ibid.<lb/> c. 18, 24, 33.</hi> (Geſchenk eines Hauſes, einer Bau-, Begräbnißſtelle) <hi rendition="#aq">Val.<lb/> Max. V.</hi> 1. 1 (Begräbniß auf Koſten des Staats). Mitunter geſchah ſo<lb/> etwas durch eine öffentliche Collekte des Volks z. B. <hi rendition="#aq">Auct. de viris illustr.<lb/> c. 18, 32.</hi></note></p><lb/> <p>Aus dem bisherigen ergibt ſich zur Genüge, daß die Idee<lb/> von einem indifferenten Verhalten des Staats gegenüber dem<lb/> Individuum durchaus verkehrt iſt, daß alſo, um auf unſere obige<lb/> Frage (S. 240) zurückzukommen, das <hi rendition="#g">Syſtem der ſubjek-<lb/> tiven Freiheit auf dem poſitiven Willen des Staats<lb/> beruhte.</hi></p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [266/0280]
Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
heit darbot. Er betrifft einen Fall, den Livius uns aufbewahrt
hat. 409) Im Jahre 403, als die Schuldenlaſt wieder einmal
eine unerträgliche Höhe erreicht habe, berichtet er, habe ſich der
Staat ins Mittel gelegt, um eine Abtragung der Schulden zu
bewirken. Es ſei eine Commiſſion zu dem Zweck ernannt, der-
ſelben ein Fonds aus dem Aerar zur Verfügung überwieſen, und
ſodann ein Theil der Forderungen im Namen des Staats ab-
getragen und auf ſeine Rechnung übernommen, ein anderer da-
durch erledigt, daß die Commiſſion einen Accord zwiſchen Gläu-
biger und Schuldner, namentlich durch Abtretung von Sachen
gegen billige Taxe zu Stande gebracht habe. So ſei zur Zufrie-
denheit aller Theile und ohne nennenswerthe Einbuße für den
Staat eine ungeheure Schuldenmaſſe getilgt worden.
Die Fürſorge und Beihülfe des Staats beſchränkte ſich nicht
einmal auf allgemeine, eine ganze Klaſſe des Volks betreffende
Maßregeln, ſondern ſtieg mitunter in die engen Kreiſe des in-
dividuellen Bedürfniſſes hinab. So ſehen wir den Senat nach
dieſer Seite hin in einer faſt väterlichen Weiſe thätig werden
z. B. den Töchtern verdienter, aber unbemittelter Männer aus
Staatsmitteln eine Dos beſtellen, ſich des Hausweſens abwe-
ſender Beamten annehmen u. ſ. w. 410)
Aus dem bisherigen ergibt ſich zur Genüge, daß die Idee
von einem indifferenten Verhalten des Staats gegenüber dem
Individuum durchaus verkehrt iſt, daß alſo, um auf unſere obige
Frage (S. 240) zurückzukommen, das Syſtem der ſubjek-
tiven Freiheit auf dem poſitiven Willen des Staats
beruhte.
409) Liv. VII, 21.
410) Val. Max. IV, 4 §. 6 u. 10. Front. Stratag. IV, 3 §. 15. Auct.
de vir. illustr. c. 40. (Alimente an die Frau und Kinder des Regulus) ibid.
c. 18, 24, 33. (Geſchenk eines Hauſes, einer Bau-, Begräbnißſtelle) Val.
Max. V. 1. 1 (Begräbniß auf Koſten des Staats). Mitunter geſchah ſo
etwas durch eine öffentliche Collekte des Volks z. B. Auct. de viris illustr.
c. 18, 32.
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Zitationshilfe: | Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/280>, abgerufen am 17.06.2024. |