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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. A. Im allgem.
ihr stehen und für die sie nur den technisch-nothwendigen Stell-
vertreter abgibt, sei es ein geschlossener Kreis von Individuen
(universitas personarum) oder eine unbestimmte Vielheit (uni-
versitas bonorum,
bei einem Hospital z. B. die Kranken, bei
einer Kunstanstalt die Kunstfreunde). Sie ist (wenigstens ihrer
privatrechtlichen Bedeutung nach) nur ein technisches In-
strument, um den Mangel der Bestimmtheit der Subjecte un-
schädlich zu machen.513)

Für den zweiten oben genannten Fall der subjectiven Con-
currenz (der solidarischen Berechtigung) bieten uns die solida-
rischen Obligationen im engern Sinn und die Correalobligatio-
nen ein bekanntes Beispiel. Die Structurfrage lautet hier so:
haben wir uns das Verhältniß als zwei Obligationen mit
demselben Inhalt oder als Eine Obligation mit zwei Sub-
jecten vorzustellen?

Als Beispiel für die Bestimmung des Gegenstandes des
Rechts nenne ich das Erbrecht und die Obligation, da für beide
die Ansichten vorzugsweise auseinander gehen. Ist dort die
Masse der einzelnen Rechtsverhältnisse oder die niedergeschlagene
vermögensrechtliche Persönlichkeit des Erblassers der Gegen-
stand? Ist es hier der Schuldner, dessen Wille, oder die zukünf-
tige Handlung desselben? Auch für den Inhalt kann die Obli-
gation uns insofern ein Beispiel darbieten, als man gefragt
hat, ob das Recht des Gläubigers auf die Handlung oder deren
Geldwerth gehe? Bei den Servituten streitet man ebenfalls über
die Bestimmung des Inhalts, nämlich ob sie abgelöste Eigen-
thumsbefugnisse oder bloß Beschränkungen des Eigenthums
enthalten.

Zur Frage von der Structur der Rechte gehört auch das
Accessionsverhältniß derselben zu andern Rechten, so z. B. die

513) Auch bei der hered. jac. fungirt sie in dieser Weise, auch hier näm-
lich ist das Subject noch unbestimmt, auch hier also ist sie nur ein Mittelglied
zwischen der physischen Person und dem Vermögen.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. A. Im allgem.
ihr ſtehen und für die ſie nur den techniſch-nothwendigen Stell-
vertreter abgibt, ſei es ein geſchloſſener Kreis von Individuen
(universitas personarum) oder eine unbeſtimmte Vielheit (uni-
versitas bonorum,
bei einem Hospital z. B. die Kranken, bei
einer Kunſtanſtalt die Kunſtfreunde). Sie iſt (wenigſtens ihrer
privatrechtlichen Bedeutung nach) nur ein techniſches In-
ſtrument, um den Mangel der Beſtimmtheit der Subjecte un-
ſchädlich zu machen.513)

Für den zweiten oben genannten Fall der ſubjectiven Con-
currenz (der ſolidariſchen Berechtigung) bieten uns die ſolida-
riſchen Obligationen im engern Sinn und die Correalobligatio-
nen ein bekanntes Beiſpiel. Die Structurfrage lautet hier ſo:
haben wir uns das Verhältniß als zwei Obligationen mit
demſelben Inhalt oder als Eine Obligation mit zwei Sub-
jecten vorzuſtellen?

Als Beiſpiel für die Beſtimmung des Gegenſtandes des
Rechts nenne ich das Erbrecht und die Obligation, da für beide
die Anſichten vorzugsweiſe auseinander gehen. Iſt dort die
Maſſe der einzelnen Rechtsverhältniſſe oder die niedergeſchlagene
vermögensrechtliche Perſönlichkeit des Erblaſſers der Gegen-
ſtand? Iſt es hier der Schuldner, deſſen Wille, oder die zukünf-
tige Handlung deſſelben? Auch für den Inhalt kann die Obli-
gation uns inſofern ein Beiſpiel darbieten, als man gefragt
hat, ob das Recht des Gläubigers auf die Handlung oder deren
Geldwerth gehe? Bei den Servituten ſtreitet man ebenfalls über
die Beſtimmung des Inhalts, nämlich ob ſie abgelöſte Eigen-
thumsbefugniſſe oder bloß Beſchränkungen des Eigenthums
enthalten.

Zur Frage von der Structur der Rechte gehört auch das
Acceſſionsverhältniß derſelben zu andern Rechten, ſo z. B. die

513) Auch bei der hered. jac. fungirt ſie in dieſer Weiſe, auch hier näm-
lich iſt das Subject noch unbeſtimmt, auch hier alſo iſt ſie nur ein Mittelglied
zwiſchen der phyſiſchen Perſon und dem Vermögen.
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[394/0100] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. A. Im allgem. ihr ſtehen und für die ſie nur den techniſch-nothwendigen Stell- vertreter abgibt, ſei es ein geſchloſſener Kreis von Individuen (universitas personarum) oder eine unbeſtimmte Vielheit (uni- versitas bonorum, bei einem Hospital z. B. die Kranken, bei einer Kunſtanſtalt die Kunſtfreunde). Sie iſt (wenigſtens ihrer privatrechtlichen Bedeutung nach) nur ein techniſches In- ſtrument, um den Mangel der Beſtimmtheit der Subjecte un- ſchädlich zu machen. 513) Für den zweiten oben genannten Fall der ſubjectiven Con- currenz (der ſolidariſchen Berechtigung) bieten uns die ſolida- riſchen Obligationen im engern Sinn und die Correalobligatio- nen ein bekanntes Beiſpiel. Die Structurfrage lautet hier ſo: haben wir uns das Verhältniß als zwei Obligationen mit demſelben Inhalt oder als Eine Obligation mit zwei Sub- jecten vorzuſtellen? Als Beiſpiel für die Beſtimmung des Gegenſtandes des Rechts nenne ich das Erbrecht und die Obligation, da für beide die Anſichten vorzugsweiſe auseinander gehen. Iſt dort die Maſſe der einzelnen Rechtsverhältniſſe oder die niedergeſchlagene vermögensrechtliche Perſönlichkeit des Erblaſſers der Gegen- ſtand? Iſt es hier der Schuldner, deſſen Wille, oder die zukünf- tige Handlung deſſelben? Auch für den Inhalt kann die Obli- gation uns inſofern ein Beiſpiel darbieten, als man gefragt hat, ob das Recht des Gläubigers auf die Handlung oder deren Geldwerth gehe? Bei den Servituten ſtreitet man ebenfalls über die Beſtimmung des Inhalts, nämlich ob ſie abgelöſte Eigen- thumsbefugniſſe oder bloß Beſchränkungen des Eigenthums enthalten. Zur Frage von der Structur der Rechte gehört auch das Acceſſionsverhältniß derſelben zu andern Rechten, ſo z. B. die 513) Auch bei der hered. jac. fungirt ſie in dieſer Weiſe, auch hier näm- lich iſt das Subject noch unbeſtimmt, auch hier alſo iſt ſie nur ein Mittelglied zwiſchen der phyſiſchen Perſon und dem Vermögen.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/100>, abgerufen am 13.05.2024.