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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.

Ich wende mich jetzt den drei oben bezeichneten Rechts-
geschäften zu.

Die mancipatio, der solenne Verkauf 705) einer res mancipi
per aes et libram,
beruht auf der gleichzeitigen Darstellung der
beiden Elemente des Kaufs: der Leistung der Sache und der
Zahlung des Kaufpreises, und zwar ist diese Darstellung in
der Gestalt, in der uns diese Form überliefert ist, nach beiden
Seiten hin zu einer bloßen Förmlichkeit geworden. Die Zah-
lung
-- denn das äußere Gepränge derselben: die Wagschale
mit dem Libripens, der sie hält, deutet auf die Vornahme der-
selben in ältester Gestalt durch Zuwägen hin, es wird aber nicht
wirklich gewogen, sondern statt dessen nur ein Stück Erz oder
eine Kupfermünze an die Wagschale geschlagen. Ob außerdem,
sei es vorher oder nachher, eine wirkliche oder, wie bei der
Schenkung, gar keine Zahlung erfolgt, ist völlig gleichgültig.
Die Leistung -- denn die Sache braucht nicht übergeben zu
werden, sondern sie wird nur ergriffen (daher res mancipi
d. i. manu captae), sie kann also immerhin im Besitz des Ge-
bers verbleiben. Dieser beiden Elemente des Acts hat die For-
mel, die der Empfänger zu sprechen hat, zu gedenken, des einen
mit den Worten: hunc ego hominem (fundum u. s. w.) ex
jure Quiritium ajo meum esse,
des anderen mit den Worten:
isque mihi emptus est 706) hoc aere aeneaque libra.

705) Gaj. I, 113 imaginaria venditio.
706) In dieser Fassung mit est, nicht esto wird die Formel von drei
verschiedenen Gewährsmännern angegeben: Gaj. I, 119 und mit ausdrück-
licher Bezugnahme auf ihn von Boethius ad Cic. Top. c. 5. (Orell. 322)
und Paulus in den Vat. fr. §. 50. Schon dieser Umstand hätte Huschke
Nexum S. 23 abhalten sollen, diese Lesart zu verdächtigen und wegen
Gaj. II, 102 (wo das esto vielleicht mit der imperativischen Form der Testa-
mente zusammenhängt) und III, 167 (wo das esto vielleicht aus est hoc
entstanden, die Abweichung von der gewöhnlichen Form aber zur Noth auch
durch die Besonderheit des Falls motivirt sein könnte) das esto in jene an-
dern Stellen hineinzuemendiren. Das für die Kritik des Gajus so wichtige
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.

Ich wende mich jetzt den drei oben bezeichneten Rechts-
geſchäften zu.

Die mancipatio, der ſolenne Verkauf 705) einer res mancipi
per aes et libram,
beruht auf der gleichzeitigen Darſtellung der
beiden Elemente des Kaufs: der Leiſtung der Sache und der
Zahlung des Kaufpreiſes, und zwar iſt dieſe Darſtellung in
der Geſtalt, in der uns dieſe Form überliefert iſt, nach beiden
Seiten hin zu einer bloßen Förmlichkeit geworden. Die Zah-
lung
— denn das äußere Gepränge derſelben: die Wagſchale
mit dem Libripens, der ſie hält, deutet auf die Vornahme der-
ſelben in älteſter Geſtalt durch Zuwägen hin, es wird aber nicht
wirklich gewogen, ſondern ſtatt deſſen nur ein Stück Erz oder
eine Kupfermünze an die Wagſchale geſchlagen. Ob außerdem,
ſei es vorher oder nachher, eine wirkliche oder, wie bei der
Schenkung, gar keine Zahlung erfolgt, iſt völlig gleichgültig.
Die Leiſtung — denn die Sache braucht nicht übergeben zu
werden, ſondern ſie wird nur ergriffen (daher res mancipi
d. i. manu captae), ſie kann alſo immerhin im Beſitz des Ge-
bers verbleiben. Dieſer beiden Elemente des Acts hat die For-
mel, die der Empfänger zu ſprechen hat, zu gedenken, des einen
mit den Worten: hunc ego hominem (fundum u. ſ. w.) ex
jure Quiritium ajo meum esse,
des anderen mit den Worten:
isque mihi emptus est 706) hoc aere aeneaque libra.

705) Gaj. I, 113 imaginaria venditio.
706) In dieſer Faſſung mit est, nicht esto wird die Formel von drei
verſchiedenen Gewährsmännern angegeben: Gaj. I, 119 und mit ausdrück-
licher Bezugnahme auf ihn von Boethius ad Cic. Top. c. 5. (Orell. 322)
und Paulus in den Vat. fr. §. 50. Schon dieſer Umſtand hätte Huſchke
Nexum S. 23 abhalten ſollen, dieſe Lesart zu verdächtigen und wegen
Gaj. II, 102 (wo das esto vielleicht mit der imperativiſchen Form der Teſta-
mente zuſammenhängt) und III, 167 (wo das esto vielleicht aus est hoc
entſtanden, die Abweichung von der gewöhnlichen Form aber zur Noth auch
durch die Beſonderheit des Falls motivirt ſein könnte) das esto in jene an-
dern Stellen hineinzuemendiren. Das für die Kritik des Gajus ſo wichtige
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[564/0270] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. Ich wende mich jetzt den drei oben bezeichneten Rechts- geſchäften zu. Die mancipatio, der ſolenne Verkauf 705) einer res mancipi per aes et libram, beruht auf der gleichzeitigen Darſtellung der beiden Elemente des Kaufs: der Leiſtung der Sache und der Zahlung des Kaufpreiſes, und zwar iſt dieſe Darſtellung in der Geſtalt, in der uns dieſe Form überliefert iſt, nach beiden Seiten hin zu einer bloßen Förmlichkeit geworden. Die Zah- lung — denn das äußere Gepränge derſelben: die Wagſchale mit dem Libripens, der ſie hält, deutet auf die Vornahme der- ſelben in älteſter Geſtalt durch Zuwägen hin, es wird aber nicht wirklich gewogen, ſondern ſtatt deſſen nur ein Stück Erz oder eine Kupfermünze an die Wagſchale geſchlagen. Ob außerdem, ſei es vorher oder nachher, eine wirkliche oder, wie bei der Schenkung, gar keine Zahlung erfolgt, iſt völlig gleichgültig. Die Leiſtung — denn die Sache braucht nicht übergeben zu werden, ſondern ſie wird nur ergriffen (daher res mancipi d. i. manu captae), ſie kann alſo immerhin im Beſitz des Ge- bers verbleiben. Dieſer beiden Elemente des Acts hat die For- mel, die der Empfänger zu ſprechen hat, zu gedenken, des einen mit den Worten: hunc ego hominem (fundum u. ſ. w.) ex jure Quiritium ajo meum esse, des anderen mit den Worten: isque mihi emptus est 706) hoc aere aeneaque libra. 705) Gaj. I, 113 imaginaria venditio. 706) In dieſer Faſſung mit est, nicht esto wird die Formel von drei verſchiedenen Gewährsmännern angegeben: Gaj. I, 119 und mit ausdrück- licher Bezugnahme auf ihn von Boethius ad Cic. Top. c. 5. (Orell. 322) und Paulus in den Vat. fr. §. 50. Schon dieſer Umſtand hätte Huſchke Nexum S. 23 abhalten ſollen, dieſe Lesart zu verdächtigen und wegen Gaj. II, 102 (wo das esto vielleicht mit der imperativiſchen Form der Teſta- mente zuſammenhängt) und III, 167 (wo das esto vielleicht aus est hoc entſtanden, die Abweichung von der gewöhnlichen Form aber zur Noth auch durch die Beſonderheit des Falls motivirt ſein könnte) das esto in jene an- dern Stellen hineinzuemendiren. Das für die Kritik des Gajus ſo wichtige

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/270>, abgerufen am 16.07.2024.