Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46. Von diesen beiden Elementen, die hier zu einem einzigen Vor Einführung des gemünzten Geldes blieb für die Be- Zeugniß von Boethius hat er freilich ganz übersehen. Ueber die innere Un- wahrscheinlichkeit seiner Conjectur s. den folgenden §. 707) Der verstorbene J. Christiansen hat mit großer Hartnäckigkeit daran festgehalten, daß das Schlagen des Erzes an die Wagschale nur ein Zeichen der Perfection des Vertrages gewesen sei. S. dessen Wissenschaft der röm. Rechtsgesch. B. 1 S. 147 fl. und Institutionen S. 566 fl. Als ob man darum erst hätte eine Wagschale requiriren sollen! In der That es ist zu leicht, diese Grille zu persifliren, als daß ich mich der Versuchung hingeben möchte. Ueber die vermeintliche Unerklärlichkeit des libram percutere aere hätte ihm auch unser heutiges Leben Aufklärung geben können. Wer hätte es nicht schon gesehen, daß man Geldstücke zweifelhafter Aechtheit am Klange, also durch ein percutere prüft! 708) Fest. Rodus. Raudusculum hieß, wie Festus hier bemerkt, un-
verarbeitetes Metall, und der Ausdruck ward in bekannter römischer Weise auch dann noch beibehalten, als man sich statt dessen der Bequemlichkeit wegen eines Asses bediente. Daß der Libripens sprechen mußte, ist für die Testamentserrichtung dadurch bezeugt, daß er nicht stumm sein durfte Ulp. XX, 7. Wir werden schwerlich fehlgreifen, wenn wir ihm jene Aufforderung in den Mund legen. Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46. Von dieſen beiden Elementen, die hier zu einem einzigen Vor Einführung des gemünzten Geldes blieb für die Be- Zeugniß von Boethius hat er freilich ganz überſehen. Ueber die innere Un- wahrſcheinlichkeit ſeiner Conjectur ſ. den folgenden §. 707) Der verſtorbene J. Chriſtianſen hat mit großer Hartnäckigkeit daran feſtgehalten, daß das Schlagen des Erzes an die Wagſchale nur ein Zeichen der Perfection des Vertrages geweſen ſei. S. deſſen Wiſſenſchaft der röm. Rechtsgeſch. B. 1 S. 147 fl. und Inſtitutionen S. 566 fl. Als ob man darum erſt hätte eine Wagſchale requiriren ſollen! In der That es iſt zu leicht, dieſe Grille zu perſifliren, als daß ich mich der Verſuchung hingeben möchte. Ueber die vermeintliche Unerklärlichkeit des libram percutere aere hätte ihm auch unſer heutiges Leben Aufklärung geben können. Wer hätte es nicht ſchon geſehen, daß man Geldſtücke zweifelhafter Aechtheit am Klange, alſo durch ein percutere prüft! 708) Fest. Rodus. Raudusculum hieß, wie Feſtus hier bemerkt, un-
verarbeitetes Metall, und der Ausdruck ward in bekannter römiſcher Weiſe auch dann noch beibehalten, als man ſich ſtatt deſſen der Bequemlichkeit wegen eines Aſſes bediente. Daß der Libripens ſprechen mußte, iſt für die Teſtamentserrichtung dadurch bezeugt, daß er nicht ſtumm ſein durfte Ulp. XX, 7. Wir werden ſchwerlich fehlgreifen, wenn wir ihm jene Aufforderung in den Mund legen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <pb facs="#f0271" n="565"/> <fw place="top" type="header">Haften an der Aeußerlichkeit. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Formalismus. §. 46.</fw><lb/> <p>Von dieſen beiden Elementen, die hier zu einem einzigen<lb/> Geſchäft zuſammengeſchmolzen ſind, kömmt das eine, die Dar-<lb/> ſtellung einer Zahlung <hi rendition="#aq">per aes et libram,</hi> auch ſelbſtändig vor,<lb/> nämlich bei dem Nexum, und zur richtigen Auffaſſung deſſelben<lb/> iſt es nöthig auch dieſen Anwendungsfall deſſelben mit in die<lb/> Betrachtung zu ziehen.</p><lb/> <p>Vor Einführung des gemünzten Geldes blieb für die Be-<lb/> ſchaffung einer Geldzahlung nichts übrig, als das Metall zu<lb/> wägen, und daß man dazu, da es ſich nicht bloß um das <hi rendition="#g">Hal-<lb/> ten</hi> der Wage, ſondern um <hi rendition="#g">genaues, richtiges Abwä-<lb/> gen</hi> handelte, einen dritten Unpartheiiſchen (<hi rendition="#aq">libripens</hi>) zuzog,<lb/> daß man ſodann das Metall nicht bloß wog, ſondern auch an<lb/> Ton und Klang ſeine Aechtheit darthat <note place="foot" n="707)">Der verſtorbene J. Chriſtianſen hat mit großer Hartnäckigkeit<lb/> daran feſtgehalten, daß das Schlagen des Erzes an die Wagſchale nur ein<lb/> Zeichen der Perfection des Vertrages geweſen ſei. S. deſſen Wiſſenſchaft der<lb/> röm. Rechtsgeſch. B. 1 S. 147 fl. und Inſtitutionen S. 566 fl. Als ob<lb/> man darum erſt hätte eine Wagſchale requiriren ſollen! In der That es iſt<lb/> zu leicht, dieſe Grille zu perſifliren, als daß ich mich der Verſuchung hingeben<lb/> möchte. Ueber die vermeintliche Unerklärlichkeit des <hi rendition="#aq">libram percutere aere</hi><lb/> hätte ihm auch unſer heutiges Leben Aufklärung geben können. Wer hätte es<lb/> nicht ſchon geſehen, daß man Geldſtücke zweifelhafter Aechtheit am Klange,<lb/> alſo durch ein <hi rendition="#aq">percutere</hi> prüft!</note> (<hi rendition="#aq">aere percutere<lb/> libram</hi>), wozu der Zahlende durch die Formel: <hi rendition="#aq">raudusculo<lb/> libram ferito</hi> <note place="foot" n="708)"><hi rendition="#aq">Fest. Rodus. Raudusculum</hi> hieß, wie Feſtus hier bemerkt, un-<lb/> verarbeitetes Metall, und der Ausdruck ward in bekannter römiſcher Weiſe<lb/> auch dann noch beibehalten, als man ſich ſtatt deſſen der Bequemlichkeit<lb/> wegen eines Aſſes bediente. Daß der Libripens <hi rendition="#g">ſprechen</hi> mußte, iſt für<lb/> die <hi rendition="#g">Teſtamentserrichtung</hi> dadurch bezeugt, daß er nicht ſtumm ſein<lb/> durfte <hi rendition="#aq">Ulp. XX,</hi> 7. Wir werden ſchwerlich fehlgreifen, wenn wir <hi rendition="#g">ihm</hi> jene<lb/> Aufforderung in den Mund legen.</note> aufgefordert ward — das, ſage ich, iſt ſo<lb/> einfach und natürlich, daß es eben darum vielleicht den Wider-<lb/> ſpruch herausgefordert hat.</p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_25_2" prev="#seg2pn_25_1" place="foot" n="706)">Zeugniß von Boethius hat er freilich ganz überſehen. Ueber die innere Un-<lb/> wahrſcheinlichkeit ſeiner Conjectur ſ. den folgenden §.</note> </p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [565/0271]
Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 46.
Von dieſen beiden Elementen, die hier zu einem einzigen
Geſchäft zuſammengeſchmolzen ſind, kömmt das eine, die Dar-
ſtellung einer Zahlung per aes et libram, auch ſelbſtändig vor,
nämlich bei dem Nexum, und zur richtigen Auffaſſung deſſelben
iſt es nöthig auch dieſen Anwendungsfall deſſelben mit in die
Betrachtung zu ziehen.
Vor Einführung des gemünzten Geldes blieb für die Be-
ſchaffung einer Geldzahlung nichts übrig, als das Metall zu
wägen, und daß man dazu, da es ſich nicht bloß um das Hal-
ten der Wage, ſondern um genaues, richtiges Abwä-
gen handelte, einen dritten Unpartheiiſchen (libripens) zuzog,
daß man ſodann das Metall nicht bloß wog, ſondern auch an
Ton und Klang ſeine Aechtheit darthat 707) (aere percutere
libram), wozu der Zahlende durch die Formel: raudusculo
libram ferito 708) aufgefordert ward — das, ſage ich, iſt ſo
einfach und natürlich, daß es eben darum vielleicht den Wider-
ſpruch herausgefordert hat.
706)
707) Der verſtorbene J. Chriſtianſen hat mit großer Hartnäckigkeit
daran feſtgehalten, daß das Schlagen des Erzes an die Wagſchale nur ein
Zeichen der Perfection des Vertrages geweſen ſei. S. deſſen Wiſſenſchaft der
röm. Rechtsgeſch. B. 1 S. 147 fl. und Inſtitutionen S. 566 fl. Als ob
man darum erſt hätte eine Wagſchale requiriren ſollen! In der That es iſt
zu leicht, dieſe Grille zu perſifliren, als daß ich mich der Verſuchung hingeben
möchte. Ueber die vermeintliche Unerklärlichkeit des libram percutere aere
hätte ihm auch unſer heutiges Leben Aufklärung geben können. Wer hätte es
nicht ſchon geſehen, daß man Geldſtücke zweifelhafter Aechtheit am Klange,
alſo durch ein percutere prüft!
708) Fest. Rodus. Raudusculum hieß, wie Feſtus hier bemerkt, un-
verarbeitetes Metall, und der Ausdruck ward in bekannter römiſcher Weiſe
auch dann noch beibehalten, als man ſich ſtatt deſſen der Bequemlichkeit
wegen eines Aſſes bediente. Daß der Libripens ſprechen mußte, iſt für
die Teſtamentserrichtung dadurch bezeugt, daß er nicht ſtumm ſein
durfte Ulp. XX, 7. Wir werden ſchwerlich fehlgreifen, wenn wir ihm jene
Aufforderung in den Mund legen.
706) Zeugniß von Boethius hat er freilich ganz überſehen. Ueber die innere Un-
wahrſcheinlichkeit ſeiner Conjectur ſ. den folgenden §.
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