Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
In dieser Weise pflegte man nun in alter Zeit alle und jede Zahlungen zu bewerkstelligen und so namentlich auch die beim Nexum, sowohl bei der Hingabe (nexi datio) als der Rückgabe (nexi solutio, liberatio), nur daß hier noch wegen der geschärf- ten Wirksamkeit des Geschäfts (der Statthaftigkeit der manus injectio) die Zuziehung der fünf Zeugen oder die Stellung des Geschäfts unter öffentliche Autorität erforderlich war.
Als nun das gemünzte Geld aufkam, hätte man sich die Wagschale und das Wägen ersparen können, und gewiß wird dies auch für gewöhnliche Geldzahlungen d. h. für solche, bei denen es sich nicht um die eigenthümlichen Wirkungen des Nexum handelte, wie z. B. bei dem gewöhnlichen Darlehn, Steuerzahlungen u. s. w., schnell Sitte geworden sein; bei ihnen war ja auch früher keine besondere Solennität erforder- lich. Beim Nexum hingegen als einem solennen Geschäft blieb die alte Form als residuäres Scheingeschäft bestehen. Möglich, ja wahrscheinlich, daß man noch längere Zeit hindurch fort- fuhr, ein Stück unverarbeitetes Erz wirklich zuzuwägen. In der Gestalt, in der wir diesen Act kennen, ist das Wägen überall nicht mehr erforderlich, es genügt das Schlagen der Wage mit dem Stück Erz oder dem As, in ähnlicher Weise wie bei der Vindication an die Stelle des Grundstückes die Scholle, an die des Speeres der Stab trat. Ob wirklich gezahlt war oder nicht, darauf kam es jetzt nicht weiter an, und eben dar- auf beruhte sicherlich mit die große Gefährlichkeit des Geschäfts. Dem zahlungsunfähigen Schuldner stellte man die Alternative, ein neues Nexum auf einen höheren Schuldbetrag einzugehen oder die Personalexecution zu gewärtigen -- ein wucherisches Manöver, zu dem heutigen Tages der Wechsel ein Seitenstück bieten kann, und gegen das es, abgesehen von der criminellen Bestrafung des Wuchers, kein Schutzmittel gab. Der Einwand der nicht erhaltenen Valuta fand nämlich, da es bei diesem Verhältniß nicht erst zur gerichtlichen Verhandlung, sondern so- fort zur Execution kam, wie beim Wechsel keinen Raum. Eben
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
In dieſer Weiſe pflegte man nun in alter Zeit alle und jede Zahlungen zu bewerkſtelligen und ſo namentlich auch die beim Nexum, ſowohl bei der Hingabe (nexi datio) als der Rückgabe (nexi solutio, liberatio), nur daß hier noch wegen der geſchärf- ten Wirkſamkeit des Geſchäfts (der Statthaftigkeit der manus injectio) die Zuziehung der fünf Zeugen oder die Stellung des Geſchäfts unter öffentliche Autorität erforderlich war.
Als nun das gemünzte Geld aufkam, hätte man ſich die Wagſchale und das Wägen erſparen können, und gewiß wird dies auch für gewöhnliche Geldzahlungen d. h. für ſolche, bei denen es ſich nicht um die eigenthümlichen Wirkungen des Nexum handelte, wie z. B. bei dem gewöhnlichen Darlehn, Steuerzahlungen u. ſ. w., ſchnell Sitte geworden ſein; bei ihnen war ja auch früher keine beſondere Solennität erforder- lich. Beim Nexum hingegen als einem ſolennen Geſchäft blieb die alte Form als reſiduäres Scheingeſchäft beſtehen. Möglich, ja wahrſcheinlich, daß man noch längere Zeit hindurch fort- fuhr, ein Stück unverarbeitetes Erz wirklich zuzuwägen. In der Geſtalt, in der wir dieſen Act kennen, iſt das Wägen überall nicht mehr erforderlich, es genügt das Schlagen der Wage mit dem Stück Erz oder dem As, in ähnlicher Weiſe wie bei der Vindication an die Stelle des Grundſtückes die Scholle, an die des Speeres der Stab trat. Ob wirklich gezahlt war oder nicht, darauf kam es jetzt nicht weiter an, und eben dar- auf beruhte ſicherlich mit die große Gefährlichkeit des Geſchäfts. Dem zahlungsunfähigen Schuldner ſtellte man die Alternative, ein neues Nexum auf einen höheren Schuldbetrag einzugehen oder die Perſonalexecution zu gewärtigen — ein wucheriſches Manöver, zu dem heutigen Tages der Wechſel ein Seitenſtück bieten kann, und gegen das es, abgeſehen von der criminellen Beſtrafung des Wuchers, kein Schutzmittel gab. Der Einwand der nicht erhaltenen Valuta fand nämlich, da es bei dieſem Verhältniß nicht erſt zur gerichtlichen Verhandlung, ſondern ſo- fort zur Execution kam, wie beim Wechſel keinen Raum. Eben
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Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
In dieſer Weiſe pflegte man nun in alter Zeit alle und jede
Zahlungen zu bewerkſtelligen und ſo namentlich auch die beim
Nexum, ſowohl bei der Hingabe (nexi datio) als der Rückgabe
(nexi solutio, liberatio), nur daß hier noch wegen der geſchärf-
ten Wirkſamkeit des Geſchäfts (der Statthaftigkeit der manus
injectio) die Zuziehung der fünf Zeugen oder die Stellung des
Geſchäfts unter öffentliche Autorität erforderlich war.
Als nun das gemünzte Geld aufkam, hätte man ſich die
Wagſchale und das Wägen erſparen können, und gewiß wird
dies auch für gewöhnliche Geldzahlungen d. h. für ſolche, bei
denen es ſich nicht um die eigenthümlichen Wirkungen des
Nexum handelte, wie z. B. bei dem gewöhnlichen Darlehn,
Steuerzahlungen u. ſ. w., ſchnell Sitte geworden ſein; bei
ihnen war ja auch früher keine beſondere Solennität erforder-
lich. Beim Nexum hingegen als einem ſolennen Geſchäft blieb
die alte Form als reſiduäres Scheingeſchäft beſtehen. Möglich,
ja wahrſcheinlich, daß man noch längere Zeit hindurch fort-
fuhr, ein Stück unverarbeitetes Erz wirklich zuzuwägen.
In der Geſtalt, in der wir dieſen Act kennen, iſt das Wägen
überall nicht mehr erforderlich, es genügt das Schlagen der
Wage mit dem Stück Erz oder dem As, in ähnlicher Weiſe wie
bei der Vindication an die Stelle des Grundſtückes die Scholle,
an die des Speeres der Stab trat. Ob wirklich gezahlt war
oder nicht, darauf kam es jetzt nicht weiter an, und eben dar-
auf beruhte ſicherlich mit die große Gefährlichkeit des Geſchäfts.
Dem zahlungsunfähigen Schuldner ſtellte man die Alternative,
ein neues Nexum auf einen höheren Schuldbetrag einzugehen
oder die Perſonalexecution zu gewärtigen — ein wucheriſches
Manöver, zu dem heutigen Tages der Wechſel ein Seitenſtück
bieten kann, und gegen das es, abgeſehen von der criminellen
Beſtrafung des Wuchers, kein Schutzmittel gab. Der Einwand
der nicht erhaltenen Valuta fand nämlich, da es bei dieſem
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fort zur Execution kam, wie beim Wechſel keinen Raum. Eben
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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/272>, abgerufen am 24.11.2024.
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