Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. Auch ohne diese Andeutung von seiner Seite würde uns der Zu-sammenhang des ältern Rechts zu dieser Annahme drängen (s. u.). Ebenso verhält es sich mit der Abtretung vor Gericht. Für sie ergibt sich dies Erforderniß daraus, daß es bei der Vindication, deren Nachbildung sie ist, nöthig war. So ferner: bei der Er- greifung der zum Vestadienst bestimmten Jungfrau von Seiten des Pontifex Maximus (B. 1 S. 110) -- worin sich unsere Idee wohl am hellsten abspiegelt -- und auch bei dem Raub der Braut von Seiten des Bräutigams bei der Hochzeit. 778) Rücksichtlich der Tradition bedarf es keiner Bemerkung. Da- gegen ist das Volk, wenn es Eigenthum erwirbt oder gewährt, an dieses Requisit nicht gebunden (Abs. IV), denn der Wille des Volks besitzt, auch ohne daß er sich reel bethätigt, die nö- thige Macht und Kraft in sich, das beabsichtigte Verhältniß ins Leben zu rufen. Daher geht z. B. durch Addiction, Assignation und auch, weil es sich ursprünglich auf eine lex des Volks stützte, durch das Testament (Erbschaft und Legat) das Eigen- thum ohne äußere Bemächtigung der Sache über. Daß es bei Obligationen der Thätigkeit der Hand nicht bedarf, hat darin seinen Grund, daß es sich bei ihnen weder um eine Herrschaft an einer Person, noch an einer Sache handelt; das substantielle Element des Willens liegt hier in etwas anderem. 779) Kömmt es jedoch zur Personalexekution, durch welche sich der Anspruch gegen oder an die Person in ein Recht an der Person verwan- delt, so ist hier consequenter Weise wiederum die Hand erfor- derlich (manus injectio). Ebenso erscheint sie wiederum in dem manum conserere des Vindicationsprocesses. Der Vindicant und nach ihm in derselben Weise der Contravindicant ergreift mit der einen Hand die Sache, mit der andern die Vindicta und berührt mit ihr die Sache, indem er dabei die solennen Worte sit, unde etiam mancipatio dicitur, quia manu res capitur, praedia vero absentia solent mancipari. 778) Roßbach a. a. O. S. 328. 779) S. die Theorie des subj. Willens.
Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. Auch ohne dieſe Andeutung von ſeiner Seite würde uns der Zu-ſammenhang des ältern Rechts zu dieſer Annahme drängen (ſ. u.). Ebenſo verhält es ſich mit der Abtretung vor Gericht. Für ſie ergibt ſich dies Erforderniß daraus, daß es bei der Vindication, deren Nachbildung ſie iſt, nöthig war. So ferner: bei der Er- greifung der zum Veſtadienſt beſtimmten Jungfrau von Seiten des Pontifex Maximus (B. 1 S. 110) — worin ſich unſere Idee wohl am hellſten abſpiegelt — und auch bei dem Raub der Braut von Seiten des Bräutigams bei der Hochzeit. 778) Rückſichtlich der Tradition bedarf es keiner Bemerkung. Da- gegen iſt das Volk, wenn es Eigenthum erwirbt oder gewährt, an dieſes Requiſit nicht gebunden (Abſ. IV), denn der Wille des Volks beſitzt, auch ohne daß er ſich reel bethätigt, die nö- thige Macht und Kraft in ſich, das beabſichtigte Verhältniß ins Leben zu rufen. Daher geht z. B. durch Addiction, Aſſignation und auch, weil es ſich urſprünglich auf eine lex des Volks ſtützte, durch das Teſtament (Erbſchaft und Legat) das Eigen- thum ohne äußere Bemächtigung der Sache über. Daß es bei Obligationen der Thätigkeit der Hand nicht bedarf, hat darin ſeinen Grund, daß es ſich bei ihnen weder um eine Herrſchaft an einer Perſon, noch an einer Sache handelt; das ſubſtantielle Element des Willens liegt hier in etwas anderem. 779) Kömmt es jedoch zur Perſonalexekution, durch welche ſich der Anſpruch gegen oder an die Perſon in ein Recht an der Perſon verwan- delt, ſo iſt hier conſequenter Weiſe wiederum die Hand erfor- derlich (manus injectio). Ebenſo erſcheint ſie wiederum in dem manum conserere des Vindicationsproceſſes. Der Vindicant und nach ihm in derſelben Weiſe der Contravindicant ergreift mit der einen Hand die Sache, mit der andern die Vindicta und berührt mit ihr die Sache, indem er dabei die ſolennen Worte sit, unde etiam mancipatio dicitur, quia manu res capitur, praedia vero absentia solent mancipari. 778) Roßbach a. a. O. S. 328. 779) S. die Theorie des ſubj. Willens.
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Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
Auch ohne dieſe Andeutung von ſeiner Seite würde uns der Zu-
ſammenhang des ältern Rechts zu dieſer Annahme drängen (ſ. u.).
Ebenſo verhält es ſich mit der Abtretung vor Gericht. Für ſie
ergibt ſich dies Erforderniß daraus, daß es bei der Vindication,
deren Nachbildung ſie iſt, nöthig war. So ferner: bei der Er-
greifung der zum Veſtadienſt beſtimmten Jungfrau von Seiten
des Pontifex Maximus (B. 1 S. 110) — worin ſich unſere
Idee wohl am hellſten abſpiegelt — und auch bei dem Raub
der Braut von Seiten des Bräutigams bei der Hochzeit. 778)
Rückſichtlich der Tradition bedarf es keiner Bemerkung. Da-
gegen iſt das Volk, wenn es Eigenthum erwirbt oder gewährt,
an dieſes Requiſit nicht gebunden (Abſ. IV), denn der Wille
des Volks beſitzt, auch ohne daß er ſich reel bethätigt, die nö-
thige Macht und Kraft in ſich, das beabſichtigte Verhältniß ins
Leben zu rufen. Daher geht z. B. durch Addiction, Aſſignation
und auch, weil es ſich urſprünglich auf eine lex des Volks
ſtützte, durch das Teſtament (Erbſchaft und Legat) das Eigen-
thum ohne äußere Bemächtigung der Sache über. Daß es bei
Obligationen der Thätigkeit der Hand nicht bedarf, hat darin
ſeinen Grund, daß es ſich bei ihnen weder um eine Herrſchaft
an einer Perſon, noch an einer Sache handelt; das ſubſtantielle
Element des Willens liegt hier in etwas anderem. 779) Kömmt
es jedoch zur Perſonalexekution, durch welche ſich der Anſpruch
gegen oder an die Perſon in ein Recht an der Perſon verwan-
delt, ſo iſt hier conſequenter Weiſe wiederum die Hand erfor-
derlich (manus injectio). Ebenſo erſcheint ſie wiederum in dem
manum conserere des Vindicationsproceſſes. Der Vindicant
und nach ihm in derſelben Weiſe der Contravindicant ergreift
mit der einen Hand die Sache, mit der andern die Vindicta und
berührt mit ihr die Sache, indem er dabei die ſolennen Worte
777)
778) Roßbach a. a. O. S. 328.
779) S. die Theorie des ſubj. Willens.
777) sit, unde etiam mancipatio dicitur, quia manu res capitur,
praedia vero absentia solent mancipari.
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