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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
würden wir in diesem Act einen Ausfluß des unten mitgetheil-
ten Gesetzes der Correspondenz der Form erhalten: eine Repe-
tition der Hand bei der Begründung und Geltendmachung des
Rechts.

Man möchte noch einen Anwendungsfall der Hand ver-
missen. Bedarf es nicht eines Entlassens aus der Hand von
Seiten dessen, der das Eigenthum überträgt oder aufgibt? Hier
greift die bereits früher (B. 1 S. 107) erörterte Auffassung des
alten Rechts über den Charakter der Eigenthumsübertragung
ein. Der Nachdruck ruht bei letzterer auf dem Nehmen, nicht
auf dem Geben, eine active Thätigkeit wird nur von Seiten
des Erwerbers verlangt, für den Geber genügt ein passives
Verhalten: das Dulden des Nehmens. Nur in einem Fall
bedarf es, eben weil kein Nehmer auf der andern Seite gegen-
über steht, als Zeichen der Aufgabe des Rechts eines Loslassens
aus der Hand (e manu mittere) nämlich bei der Manumissio.
Indem der Herr des Sklaven die solenne Formel spricht, muß
er die Hand an ihm halten zum Zeichen, daß er noch ihm ge-
höre, nachdem er sie gesprochen, läßt er die Hand los zum Zei-
chen, daß er jetzt seine Macht aufgegeben habe. 784)

Dieser letzte Act liefert uns zugleich einen Beleg für die
obige Behauptung, daß die Hand nicht bloß ein Mittel zur Be-
gründung
der rechtlichen Herrschaft, sondern ein Symbol

784) Fest: Manumitti ... caput aut aliud membrum tenens
dicebat .... et emittebat.
Wie bei der Vindication (und ursprünglich
sicher auch der Abtretung vor Gericht) kehrt auch hier die Auflegung der Vin-
dicta wieder. Ueber die symbolische Bedeutung des Schlages, den der Sklav
erhält (Unterholzner in der Zeitsch. für geschichtl. Rechtsw. B. 2 Abh. V
Anm. 20, 25, 29) kann man verschiedener Ansicht sein. Das Herumdrehen
des Freizulassenden -- ein Act, der auch bei der Emancipation vorkam, s.
z. B. L. 6 Cod. de emanc. lib. (8. 49): circumductiones -- ist bereits
früher (S. 535) von mir zu erklären versucht. Uebrigens will ich nicht ver-
schweigen, daß derselbe Act sich auch in einer Anwendung wiederholt, in der
eine andere Deutung nothwendig wird, nämlich bei der Anbetung der Gott-
heit, s. die Stellen bei Brissonius I c. 58.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
würden wir in dieſem Act einen Ausfluß des unten mitgetheil-
ten Geſetzes der Correſpondenz der Form erhalten: eine Repe-
tition der Hand bei der Begründung und Geltendmachung des
Rechts.

Man möchte noch einen Anwendungsfall der Hand ver-
miſſen. Bedarf es nicht eines Entlaſſens aus der Hand von
Seiten deſſen, der das Eigenthum überträgt oder aufgibt? Hier
greift die bereits früher (B. 1 S. 107) erörterte Auffaſſung des
alten Rechts über den Charakter der Eigenthumsübertragung
ein. Der Nachdruck ruht bei letzterer auf dem Nehmen, nicht
auf dem Geben, eine active Thätigkeit wird nur von Seiten
des Erwerbers verlangt, für den Geber genügt ein paſſives
Verhalten: das Dulden des Nehmens. Nur in einem Fall
bedarf es, eben weil kein Nehmer auf der andern Seite gegen-
über ſteht, als Zeichen der Aufgabe des Rechts eines Loslaſſens
aus der Hand (e manu mittere) nämlich bei der Manumissio.
Indem der Herr des Sklaven die ſolenne Formel ſpricht, muß
er die Hand an ihm halten zum Zeichen, daß er noch ihm ge-
höre, nachdem er ſie geſprochen, läßt er die Hand los zum Zei-
chen, daß er jetzt ſeine Macht aufgegeben habe. 784)

Dieſer letzte Act liefert uns zugleich einen Beleg für die
obige Behauptung, daß die Hand nicht bloß ein Mittel zur Be-
gründung
der rechtlichen Herrſchaft, ſondern ein Symbol

784) Fest: Manumitti … caput aut aliud membrum tenens
dicebat .... et emittebat.
Wie bei der Vindication (und urſprünglich
ſicher auch der Abtretung vor Gericht) kehrt auch hier die Auflegung der Vin-
dicta wieder. Ueber die ſymboliſche Bedeutung des Schlages, den der Sklav
erhält (Unterholzner in der Zeitſch. für geſchichtl. Rechtsw. B. 2 Abh. V
Anm. 20, 25, 29) kann man verſchiedener Anſicht ſein. Das Herumdrehen
des Freizulaſſenden — ein Act, der auch bei der Emancipation vorkam, ſ.
z. B. L. 6 Cod. de emanc. lib. (8. 49): circumductiones — iſt bereits
früher (S. 535) von mir zu erklären verſucht. Uebrigens will ich nicht ver-
ſchweigen, daß derſelbe Act ſich auch in einer Anwendung wiederholt, in der
eine andere Deutung nothwendig wird, nämlich bei der Anbetung der Gott-
heit, ſ. die Stellen bei Brissonius I c. 58.
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[602/0308] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. würden wir in dieſem Act einen Ausfluß des unten mitgetheil- ten Geſetzes der Correſpondenz der Form erhalten: eine Repe- tition der Hand bei der Begründung und Geltendmachung des Rechts. Man möchte noch einen Anwendungsfall der Hand ver- miſſen. Bedarf es nicht eines Entlaſſens aus der Hand von Seiten deſſen, der das Eigenthum überträgt oder aufgibt? Hier greift die bereits früher (B. 1 S. 107) erörterte Auffaſſung des alten Rechts über den Charakter der Eigenthumsübertragung ein. Der Nachdruck ruht bei letzterer auf dem Nehmen, nicht auf dem Geben, eine active Thätigkeit wird nur von Seiten des Erwerbers verlangt, für den Geber genügt ein paſſives Verhalten: das Dulden des Nehmens. Nur in einem Fall bedarf es, eben weil kein Nehmer auf der andern Seite gegen- über ſteht, als Zeichen der Aufgabe des Rechts eines Loslaſſens aus der Hand (e manu mittere) nämlich bei der Manumissio. Indem der Herr des Sklaven die ſolenne Formel ſpricht, muß er die Hand an ihm halten zum Zeichen, daß er noch ihm ge- höre, nachdem er ſie geſprochen, läßt er die Hand los zum Zei- chen, daß er jetzt ſeine Macht aufgegeben habe. 784) Dieſer letzte Act liefert uns zugleich einen Beleg für die obige Behauptung, daß die Hand nicht bloß ein Mittel zur Be- gründung der rechtlichen Herrſchaft, ſondern ein Symbol 784) Fest: Manumitti … caput aut aliud membrum tenens dicebat .... et emittebat. Wie bei der Vindication (und urſprünglich ſicher auch der Abtretung vor Gericht) kehrt auch hier die Auflegung der Vin- dicta wieder. Ueber die ſymboliſche Bedeutung des Schlages, den der Sklav erhält (Unterholzner in der Zeitſch. für geſchichtl. Rechtsw. B. 2 Abh. V Anm. 20, 25, 29) kann man verſchiedener Anſicht ſein. Das Herumdrehen des Freizulaſſenden — ein Act, der auch bei der Emancipation vorkam, ſ. z. B. L. 6 Cod. de emanc. lib. (8. 49): circumductiones — iſt bereits früher (S. 535) von mir zu erklären verſucht. Uebrigens will ich nicht ver- ſchweigen, daß derſelbe Act ſich auch in einer Anwendung wiederholt, in der eine andere Deutung nothwendig wird, nämlich bei der Anbetung der Gott- heit, ſ. die Stellen bei Brissonius I c. 58.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/308>, abgerufen am 22.11.2024.