Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
der letzteren selbst sei. Daß sie für letztere auch den Namen
hat hergeben müssen, ist bereits früher (B. 1 S. 112) bemerkt,
und beschränke ich mich hier auf eine Zusammenstellung sämmt-
licher Ausdrücke: res mancipi, mancipatio (Eigenthum), eman-
cipatio
(väterliche Gewalt), manumissio, mancipium (Sklaverei
und Mancipium), Manus (im engern, später technischen Sinn
eheherrliche Gewalt), mandare (Voll macht geben), manubiae
(Erlös der Beute).

2. Das Wort.

Das so eben erörterte Element der formellen Geschäfte steht,
wie bereits bemerkt, hinter dem gegenwärtigen weit zurück. Wir
können das historische Verhältniß beider im allgemeinen dahin
angeben, daß jenes seinen Ursprung und seine Gestaltung mehr
dem Leben und der Sitte, dieses den seinigen mehr der Ju-
risprudenz
verdankte. Darin liegt eine doppelte Differenz
beider. Zuerst die ihrer juristisch-künstlerischen Gestaltung und
Durchbildung -- das Formelwesen ist der Culminations-
punkt der juristischen Kunst, jedes Wort fast verräth die Hand
des Juristen. Und sodann die Differenz ihrer juristischen Gel-
tung
. Viele der oben mitgetheilten Handlungen und Gebräuche
waren rechtlich keineswegs nothwendig, sondern ein decorativer
Zusatz, den der Verkehr aus freiem Antriebe den Rechtsgeschäf-
ten hinzufügte. Die Worte und Formeln hingegen, die wir im
Folgenden kennen lernen werden, waren absolut obligater Na-
tur; der Nichtgebrauch derselben machte das ganze Geschäft
nichtig.

Es ist oben (S. 468) der hervorragenden Rolle gedacht, die
das Wort im alten Recht spielt, und von den zwei Richtungen,
nach denen sich dieselbe erstreckt (S. 469), die eine: das Requisit
des bestimmten directen wörtlichen Ausdrucks des concreten Ge-
schäftsinhalts, an jener Stelle erörtert worden. Wir wenden
uns hier der zweiten zu: dem Requisit des Gebrauchs gewisser
ein für alle Mal bestimmter d. i. solenner Worte. Daß beide

Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
der letzteren ſelbſt ſei. Daß ſie für letztere auch den Namen
hat hergeben müſſen, iſt bereits früher (B. 1 S. 112) bemerkt,
und beſchränke ich mich hier auf eine Zuſammenſtellung ſämmt-
licher Ausdrücke: res mancipi, mancipatio (Eigenthum), eman-
cipatio
(väterliche Gewalt), manumissio, mancipium (Sklaverei
und Mancipium), Manus (im engern, ſpäter techniſchen Sinn
eheherrliche Gewalt), mandare (Voll macht geben), manubiae
(Erlös der Beute).

2. Das Wort.

Das ſo eben erörterte Element der formellen Geſchäfte ſteht,
wie bereits bemerkt, hinter dem gegenwärtigen weit zurück. Wir
können das hiſtoriſche Verhältniß beider im allgemeinen dahin
angeben, daß jenes ſeinen Urſprung und ſeine Geſtaltung mehr
dem Leben und der Sitte, dieſes den ſeinigen mehr der Ju-
risprudenz
verdankte. Darin liegt eine doppelte Differenz
beider. Zuerſt die ihrer juriſtiſch-künſtleriſchen Geſtaltung und
Durchbildung — das Formelweſen iſt der Culminations-
punkt der juriſtiſchen Kunſt, jedes Wort faſt verräth die Hand
des Juriſten. Und ſodann die Differenz ihrer juriſtiſchen Gel-
tung
. Viele der oben mitgetheilten Handlungen und Gebräuche
waren rechtlich keineswegs nothwendig, ſondern ein decorativer
Zuſatz, den der Verkehr aus freiem Antriebe den Rechtsgeſchäf-
ten hinzufügte. Die Worte und Formeln hingegen, die wir im
Folgenden kennen lernen werden, waren abſolut obligater Na-
tur; der Nichtgebrauch derſelben machte das ganze Geſchäft
nichtig.

Es iſt oben (S. 468) der hervorragenden Rolle gedacht, die
das Wort im alten Recht ſpielt, und von den zwei Richtungen,
nach denen ſich dieſelbe erſtreckt (S. 469), die eine: das Requiſit
des beſtimmten directen wörtlichen Ausdrucks des concreten Ge-
ſchäftsinhalts, an jener Stelle erörtert worden. Wir wenden
uns hier der zweiten zu: dem Requiſit des Gebrauchs gewiſſer
ein für alle Mal beſtimmter d. i. ſolenner Worte. Daß beide

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0309" n="603"/><fw place="top" type="header">Haften an der Aeußerlichkeit. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Formalismus. §. 47.</fw><lb/>
der letzteren &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ei. Daß &#x017F;ie für letztere auch den <hi rendition="#g">Namen</hi><lb/>
hat hergeben mü&#x017F;&#x017F;en, i&#x017F;t bereits früher (B. 1 S. 112) bemerkt,<lb/>
und be&#x017F;chränke ich mich hier auf eine Zu&#x017F;ammen&#x017F;tellung &#x017F;ämmt-<lb/>
licher Ausdrücke: <hi rendition="#aq">res mancipi, mancipatio</hi> (Eigenthum), <hi rendition="#aq">eman-<lb/>
cipatio</hi> (väterliche Gewalt), <hi rendition="#aq">manumissio, mancipium</hi> (Sklaverei<lb/>
und Mancipium), <hi rendition="#aq">Manus</hi> (im engern, &#x017F;päter techni&#x017F;chen Sinn<lb/>
eheherrliche Gewalt), <hi rendition="#aq">mandare</hi> (Voll <hi rendition="#g">macht</hi> geben), <hi rendition="#aq">manubiae</hi><lb/>
(Erlös der Beute).</p>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>2. <hi rendition="#g">Das Wort</hi>.</head><lb/>
                      <p>Das &#x017F;o eben erörterte Element der formellen Ge&#x017F;chäfte &#x017F;teht,<lb/>
wie bereits bemerkt, hinter dem gegenwärtigen weit zurück. Wir<lb/>
können das hi&#x017F;tori&#x017F;che Verhältniß beider im allgemeinen dahin<lb/>
angeben, daß jenes &#x017F;einen Ur&#x017F;prung und &#x017F;eine Ge&#x017F;taltung mehr<lb/>
dem <hi rendition="#g">Leben</hi> und der <hi rendition="#g">Sitte</hi>, die&#x017F;es den &#x017F;einigen mehr der <hi rendition="#g">Ju-<lb/>
risprudenz</hi> verdankte. Darin liegt eine doppelte Differenz<lb/>
beider. Zuer&#x017F;t die ihrer juri&#x017F;ti&#x017F;ch-kün&#x017F;tleri&#x017F;chen Ge&#x017F;taltung und<lb/><hi rendition="#g">Durchbildung</hi> &#x2014; das Formelwe&#x017F;en i&#x017F;t der Culminations-<lb/>
punkt der juri&#x017F;ti&#x017F;chen Kun&#x017F;t, jedes Wort fa&#x017F;t verräth die Hand<lb/>
des Juri&#x017F;ten. Und &#x017F;odann die Differenz ihrer juri&#x017F;ti&#x017F;chen <hi rendition="#g">Gel-<lb/>
tung</hi>. Viele der oben mitgetheilten Handlungen und Gebräuche<lb/>
waren rechtlich keineswegs nothwendig, &#x017F;ondern ein decorativer<lb/>
Zu&#x017F;atz, den der Verkehr aus freiem Antriebe den Rechtsge&#x017F;chäf-<lb/>
ten hinzufügte. Die Worte und Formeln hingegen, die wir im<lb/>
Folgenden kennen lernen werden, waren ab&#x017F;olut obligater Na-<lb/>
tur; der Nichtgebrauch der&#x017F;elben machte das ganze Ge&#x017F;chäft<lb/><hi rendition="#g">nichtig</hi>.</p><lb/>
                      <p>Es i&#x017F;t oben (S. 468) der hervorragenden Rolle gedacht, die<lb/>
das Wort im alten Recht &#x017F;pielt, und von den zwei Richtungen,<lb/>
nach denen &#x017F;ich die&#x017F;elbe er&#x017F;treckt (S. 469), die eine: das Requi&#x017F;it<lb/>
des be&#x017F;timmten directen wörtlichen Ausdrucks des concreten Ge-<lb/>
&#x017F;chäftsinhalts, an jener Stelle erörtert worden. Wir wenden<lb/>
uns hier der zweiten zu: dem Requi&#x017F;it des Gebrauchs gewi&#x017F;&#x017F;er<lb/>
ein für alle Mal be&#x017F;timmter d. i. <hi rendition="#g">&#x017F;olenner</hi> Worte. Daß beide<lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[603/0309] Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. der letzteren ſelbſt ſei. Daß ſie für letztere auch den Namen hat hergeben müſſen, iſt bereits früher (B. 1 S. 112) bemerkt, und beſchränke ich mich hier auf eine Zuſammenſtellung ſämmt- licher Ausdrücke: res mancipi, mancipatio (Eigenthum), eman- cipatio (väterliche Gewalt), manumissio, mancipium (Sklaverei und Mancipium), Manus (im engern, ſpäter techniſchen Sinn eheherrliche Gewalt), mandare (Voll macht geben), manubiae (Erlös der Beute). 2. Das Wort. Das ſo eben erörterte Element der formellen Geſchäfte ſteht, wie bereits bemerkt, hinter dem gegenwärtigen weit zurück. Wir können das hiſtoriſche Verhältniß beider im allgemeinen dahin angeben, daß jenes ſeinen Urſprung und ſeine Geſtaltung mehr dem Leben und der Sitte, dieſes den ſeinigen mehr der Ju- risprudenz verdankte. Darin liegt eine doppelte Differenz beider. Zuerſt die ihrer juriſtiſch-künſtleriſchen Geſtaltung und Durchbildung — das Formelweſen iſt der Culminations- punkt der juriſtiſchen Kunſt, jedes Wort faſt verräth die Hand des Juriſten. Und ſodann die Differenz ihrer juriſtiſchen Gel- tung. Viele der oben mitgetheilten Handlungen und Gebräuche waren rechtlich keineswegs nothwendig, ſondern ein decorativer Zuſatz, den der Verkehr aus freiem Antriebe den Rechtsgeſchäf- ten hinzufügte. Die Worte und Formeln hingegen, die wir im Folgenden kennen lernen werden, waren abſolut obligater Na- tur; der Nichtgebrauch derſelben machte das ganze Geſchäft nichtig. Es iſt oben (S. 468) der hervorragenden Rolle gedacht, die das Wort im alten Recht ſpielt, und von den zwei Richtungen, nach denen ſich dieſelbe erſtreckt (S. 469), die eine: das Requiſit des beſtimmten directen wörtlichen Ausdrucks des concreten Ge- ſchäftsinhalts, an jener Stelle erörtert worden. Wir wenden uns hier der zweiten zu: dem Requiſit des Gebrauchs gewiſſer ein für alle Mal beſtimmter d. i. ſolenner Worte. Daß beide

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/309
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/309>, abgerufen am 22.11.2024.