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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
lichen Reise bedurfte? Die Prätoren hätten, um dieser Bestim-
mung zu genügen, ihre sonstigen Pflichten vernachlässigen müs-
sen. Wie wir wissen, waren sie verständig genug, sich über jene
Vorschrift hinwegzusetzen. 932) Ebenso machten es die übrigen
Beamten. Der Feldherr reiste nicht mehr eigens nach Rom zu-
rück, um dort die Auspicien zu erneuern, der Consul nicht, um
dort den Dictator zu ernennen, 933) die Fetialen nicht mehr in
Feindes Land, um den Speer hinüber zu werfen. Sie halfen
sich in ächtrömischer Weise durch repräsentative Nachbildung des
erforderlichen Grund und Bodens, wenigstens ist dies in drei
Fällen ausdrücklich bezeugt. 934)

932) Was Gell. XX, 10 von diesem Fall bemerkt, paßt für alle fol-
gende: Sed postquam praetores propagatis Italiae finibus datis juris-
dictionibus negotiis occupati proficisci vindiciarum dicendarum
causa in longinquas res gravabantur, institutum est contra
XII tabulas tacito consensu etc.
933) In früherer Zeit ward er von dem Senat zu diesem Zweck nach
Rom berufen Liv. VII, 19. XXIII, 22, späterhin ward ihm bloß aufgegeben
ut dictatorem in agro Romano diceret (s. folg. Note) Liv. XXVII, 29.
Warum mußte der Dictator in der Stadt ernannt werden? Weil er für die
Stadt ernannt ward (Princip der Präsenz). Im Felde hatte er vor dem
Consul nichts voraus, hier war das imperium beider gleich, dagegen war das
der Consuln innerhalb der Stadt durch das Interventionsrecht der Tribunen
und die Provocation an die Volksversammlung beschränkt, und diese Be-
schränkungen hinwegzuräumen war der Zweck und Vorzug der Dictatur. Seit
Ausdehnung des Provocationsrechts über die Bannmeile hinaus erhielt eben
damit die (dasselbe ausschließende) Dictatur dieselbe Ausdehnung.
934) B. 1 S. 326 Note 250, 251. Für den in der vorigen Note be-
sprochenen Fall fehlt es an einem Zeugniß. Liegt vielleicht in dem "in agro
Romano"
der Formel eine Aufforderung zu einer künstlichen Herstellung des
ager Romanus, oder ist der Begriff ähnlich wie der des Grundeigenthums
von vornherein ein elastischer gewesen, d. h. bezeichnete er das der römi-
schen
Herrschaft zur Zeit unterworfene Land, so daß er mithin mit letzterer
gleichen Schritt hielt? Für beide Begriffe bildete Italien die Gränze, nur daß
der Begriff des Grundeigenthums (praedium in italico solo) sich durch Ver-
leihung des jus italicum auch auf die Provinzen übertragen ließ, während
dies für den ager Romanus ausgeschlossen war. Liv. XXVII, 5: agrum
Romanum .. Italia terminari.
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Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
lichen Reiſe bedurfte? Die Prätoren hätten, um dieſer Beſtim-
mung zu genügen, ihre ſonſtigen Pflichten vernachläſſigen müſ-
ſen. Wie wir wiſſen, waren ſie verſtändig genug, ſich über jene
Vorſchrift hinwegzuſetzen. 932) Ebenſo machten es die übrigen
Beamten. Der Feldherr reiſte nicht mehr eigens nach Rom zu-
rück, um dort die Auſpicien zu erneuern, der Conſul nicht, um
dort den Dictator zu ernennen, 933) die Fetialen nicht mehr in
Feindes Land, um den Speer hinüber zu werfen. Sie halfen
ſich in ächtrömiſcher Weiſe durch repräſentative Nachbildung des
erforderlichen Grund und Bodens, wenigſtens iſt dies in drei
Fällen ausdrücklich bezeugt. 934)

932) Was Gell. XX, 10 von dieſem Fall bemerkt, paßt für alle fol-
gende: Sed postquam praetores propagatis Italiae finibus datis juris-
dictionibus negotiis occupati proficisci vindiciarum dicendarum
causa in longinquas res gravabantur, institutum est contra
XII tabulas tacito consensu etc.
933) In früherer Zeit ward er von dem Senat zu dieſem Zweck nach
Rom berufen Liv. VII, 19. XXIII, 22, ſpäterhin ward ihm bloß aufgegeben
ut dictatorem in agro Romano diceret (ſ. folg. Note) Liv. XXVII, 29.
Warum mußte der Dictator in der Stadt ernannt werden? Weil er für die
Stadt ernannt ward (Princip der Präſenz). Im Felde hatte er vor dem
Conſul nichts voraus, hier war das imperium beider gleich, dagegen war das
der Conſuln innerhalb der Stadt durch das Interventionsrecht der Tribunen
und die Provocation an die Volksverſammlung beſchränkt, und dieſe Be-
ſchränkungen hinwegzuräumen war der Zweck und Vorzug der Dictatur. Seit
Ausdehnung des Provocationsrechts über die Bannmeile hinaus erhielt eben
damit die (daſſelbe ausſchließende) Dictatur dieſelbe Ausdehnung.
934) B. 1 S. 326 Note 250, 251. Für den in der vorigen Note be-
ſprochenen Fall fehlt es an einem Zeugniß. Liegt vielleicht in dem „in agro
Romano“
der Formel eine Aufforderung zu einer künſtlichen Herſtellung des
ager Romanus, oder iſt der Begriff ähnlich wie der des Grundeigenthums
von vornherein ein elaſtiſcher geweſen, d. h. bezeichnete er das der römi-
ſchen
Herrſchaft zur Zeit unterworfene Land, ſo daß er mithin mit letzterer
gleichen Schritt hielt? Für beide Begriffe bildete Italien die Gränze, nur daß
der Begriff des Grundeigenthums (praedium in italico solo) ſich durch Ver-
leihung des jus italicum auch auf die Provinzen übertragen ließ, während
dies für den ager Romanus ausgeſchloſſen war. Liv. XXVII, 5: agrum
Romanum .. Italia terminari.
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[691/0397] Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. lichen Reiſe bedurfte? Die Prätoren hätten, um dieſer Beſtim- mung zu genügen, ihre ſonſtigen Pflichten vernachläſſigen müſ- ſen. Wie wir wiſſen, waren ſie verſtändig genug, ſich über jene Vorſchrift hinwegzuſetzen. 932) Ebenſo machten es die übrigen Beamten. Der Feldherr reiſte nicht mehr eigens nach Rom zu- rück, um dort die Auſpicien zu erneuern, der Conſul nicht, um dort den Dictator zu ernennen, 933) die Fetialen nicht mehr in Feindes Land, um den Speer hinüber zu werfen. Sie halfen ſich in ächtrömiſcher Weiſe durch repräſentative Nachbildung des erforderlichen Grund und Bodens, wenigſtens iſt dies in drei Fällen ausdrücklich bezeugt. 934) 932) Was Gell. XX, 10 von dieſem Fall bemerkt, paßt für alle fol- gende: Sed postquam praetores propagatis Italiae finibus datis juris- dictionibus negotiis occupati proficisci vindiciarum dicendarum causa in longinquas res gravabantur, institutum est contra XII tabulas tacito consensu etc. 933) In früherer Zeit ward er von dem Senat zu dieſem Zweck nach Rom berufen Liv. VII, 19. XXIII, 22, ſpäterhin ward ihm bloß aufgegeben ut dictatorem in agro Romano diceret (ſ. folg. Note) Liv. XXVII, 29. Warum mußte der Dictator in der Stadt ernannt werden? Weil er für die Stadt ernannt ward (Princip der Präſenz). Im Felde hatte er vor dem Conſul nichts voraus, hier war das imperium beider gleich, dagegen war das der Conſuln innerhalb der Stadt durch das Interventionsrecht der Tribunen und die Provocation an die Volksverſammlung beſchränkt, und dieſe Be- ſchränkungen hinwegzuräumen war der Zweck und Vorzug der Dictatur. Seit Ausdehnung des Provocationsrechts über die Bannmeile hinaus erhielt eben damit die (daſſelbe ausſchließende) Dictatur dieſelbe Ausdehnung. 934) B. 1 S. 326 Note 250, 251. Für den in der vorigen Note be- ſprochenen Fall fehlt es an einem Zeugniß. Liegt vielleicht in dem „in agro Romano“ der Formel eine Aufforderung zu einer künſtlichen Herſtellung des ager Romanus, oder iſt der Begriff ähnlich wie der des Grundeigenthums von vornherein ein elaſtiſcher geweſen, d. h. bezeichnete er das der römi- ſchen Herrſchaft zur Zeit unterworfene Land, ſo daß er mithin mit letzterer gleichen Schritt hielt? Für beide Begriffe bildete Italien die Gränze, nur daß der Begriff des Grundeigenthums (praedium in italico solo) ſich durch Ver- leihung des jus italicum auch auf die Provinzen übertragen ließ, während dies für den ager Romanus ausgeſchloſſen war. Liv. XXVII, 5: agrum Romanum .. Italia terminari. 44*

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/397>, abgerufen am 24.11.2024.