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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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B. Das Rechtsgeschäft. Concentration desselben. §. 53.
trenntes Handeln. Will das Recht den Grundsatz der Einheit
des Akts, so muß es zugleich den der Einheit des Raums auf-
stellen. Letzteres ist aber nur da durchführbar, wo der Raum,
auf dem der Verkehr sich bewegt, ein engbegränzter ist, so daß
die Contrahenten ohne beträchtlichen Zeitverlust und große Un-
bequemlichkeiten sich zu einander verfügen können, es wird aber
unmöglich, sobald der Verkehr eine so beträchtliche geographische
Ausdehnung gewonnen hat, daß die handelnden Personen nicht
selten durch Meere und ganze Länder geschieden sind. So stellt sich
also der Grundsatz der Einheit der Zeit und des Raumes dar als
wesentlich bedingt durch den geographischen Umfang der Handels-
und Verkehrsbewegung, und es wird jetzt nicht minder begreiflich
erscheinen, daß das ältere Rom bei seinem kleinen Stadtgebiet
jenen Grundsatz aufstellen und durchführen, als daß das spätere
Rom sich von ihm lossagen mußte. Das alte Rechtsgeschäft
und das alte Staatsgebiet standen in engster Beziehung;
als letzteres sich mehr und mehr erweiterte, mußte das Rechts-
geschäft ihm nach, es hatte in seiner Weise sich ebenso von der
Schranke des Raumes frei zu machen, wie dies der Handel in
der seinigen gethan hatte. Die althergebrachten Geschäfte des
Civilrechts waren aber bereits zu sehr erstarrt, um dem entspre-
chend ihre ganze Structur ändern zu können; was ihnen abge-
rungen wurde, bestand nur in einzelnen Concessionen, die ich,
weil sie durch ihren Gegensatz das alte Recht zu erläutern ver-
mögen, schon an dieser Stelle mittheilen will.

Eine principielle Anerkennung hingegen fand jene Forderung
bei den Verträgen des jus gentium, die uns ja das eigentliche
Handelsrecht des römischen internationalen Verkehrs darstellen,
und es gehört zu ihrer Signatur im Gegensatz zu denen des
eigentlichen jus civile, daß sie den Gedanken der Emancipation
vom Raum verwirklicht haben. Ihre Betrachtung liegt jenseits
der Gränzen unserer Aufgabe, da ihre Entwickelung zu selbständi-
gen, der Stipulation zu ihrer Klagbarkeit nicht mehr bedürftigen
Contracten der dritten Periode anheimfällt.

Jhering, Geist d. röm. Rechts. III. 10

B. Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53.
trenntes Handeln. Will das Recht den Grundſatz der Einheit
des Akts, ſo muß es zugleich den der Einheit des Raums auf-
ſtellen. Letzteres iſt aber nur da durchführbar, wo der Raum,
auf dem der Verkehr ſich bewegt, ein engbegränzter iſt, ſo daß
die Contrahenten ohne beträchtlichen Zeitverluſt und große Un-
bequemlichkeiten ſich zu einander verfügen können, es wird aber
unmöglich, ſobald der Verkehr eine ſo beträchtliche geographiſche
Ausdehnung gewonnen hat, daß die handelnden Perſonen nicht
ſelten durch Meere und ganze Länder geſchieden ſind. So ſtellt ſich
alſo der Grundſatz der Einheit der Zeit und des Raumes dar als
weſentlich bedingt durch den geographiſchen Umfang der Handels-
und Verkehrsbewegung, und es wird jetzt nicht minder begreiflich
erſcheinen, daß das ältere Rom bei ſeinem kleinen Stadtgebiet
jenen Grundſatz aufſtellen und durchführen, als daß das ſpätere
Rom ſich von ihm losſagen mußte. Das alte Rechtsgeſchäft
und das alte Staatsgebiet ſtanden in engſter Beziehung;
als letzteres ſich mehr und mehr erweiterte, mußte das Rechts-
geſchäft ihm nach, es hatte in ſeiner Weiſe ſich ebenſo von der
Schranke des Raumes frei zu machen, wie dies der Handel in
der ſeinigen gethan hatte. Die althergebrachten Geſchäfte des
Civilrechts waren aber bereits zu ſehr erſtarrt, um dem entſpre-
chend ihre ganze Structur ändern zu können; was ihnen abge-
rungen wurde, beſtand nur in einzelnen Conceſſionen, die ich,
weil ſie durch ihren Gegenſatz das alte Recht zu erläutern ver-
mögen, ſchon an dieſer Stelle mittheilen will.

Eine principielle Anerkennung hingegen fand jene Forderung
bei den Verträgen des jus gentium, die uns ja das eigentliche
Handelsrecht des römiſchen internationalen Verkehrs darſtellen,
und es gehört zu ihrer Signatur im Gegenſatz zu denen des
eigentlichen jus civile, daß ſie den Gedanken der Emancipation
vom Raum verwirklicht haben. Ihre Betrachtung liegt jenſeits
der Gränzen unſerer Aufgabe, da ihre Entwickelung zu ſelbſtändi-
gen, der Stipulation zu ihrer Klagbarkeit nicht mehr bedürftigen
Contracten der dritten Periode anheimfällt.

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[145/0161] B. Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53. trenntes Handeln. Will das Recht den Grundſatz der Einheit des Akts, ſo muß es zugleich den der Einheit des Raums auf- ſtellen. Letzteres iſt aber nur da durchführbar, wo der Raum, auf dem der Verkehr ſich bewegt, ein engbegränzter iſt, ſo daß die Contrahenten ohne beträchtlichen Zeitverluſt und große Un- bequemlichkeiten ſich zu einander verfügen können, es wird aber unmöglich, ſobald der Verkehr eine ſo beträchtliche geographiſche Ausdehnung gewonnen hat, daß die handelnden Perſonen nicht ſelten durch Meere und ganze Länder geſchieden ſind. So ſtellt ſich alſo der Grundſatz der Einheit der Zeit und des Raumes dar als weſentlich bedingt durch den geographiſchen Umfang der Handels- und Verkehrsbewegung, und es wird jetzt nicht minder begreiflich erſcheinen, daß das ältere Rom bei ſeinem kleinen Stadtgebiet jenen Grundſatz aufſtellen und durchführen, als daß das ſpätere Rom ſich von ihm losſagen mußte. Das alte Rechtsgeſchäft und das alte Staatsgebiet ſtanden in engſter Beziehung; als letzteres ſich mehr und mehr erweiterte, mußte das Rechts- geſchäft ihm nach, es hatte in ſeiner Weiſe ſich ebenſo von der Schranke des Raumes frei zu machen, wie dies der Handel in der ſeinigen gethan hatte. Die althergebrachten Geſchäfte des Civilrechts waren aber bereits zu ſehr erſtarrt, um dem entſpre- chend ihre ganze Structur ändern zu können; was ihnen abge- rungen wurde, beſtand nur in einzelnen Conceſſionen, die ich, weil ſie durch ihren Gegenſatz das alte Recht zu erläutern ver- mögen, ſchon an dieſer Stelle mittheilen will. Eine principielle Anerkennung hingegen fand jene Forderung bei den Verträgen des jus gentium, die uns ja das eigentliche Handelsrecht des römiſchen internationalen Verkehrs darſtellen, und es gehört zu ihrer Signatur im Gegenſatz zu denen des eigentlichen jus civile, daß ſie den Gedanken der Emancipation vom Raum verwirklicht haben. Ihre Betrachtung liegt jenſeits der Gränzen unſerer Aufgabe, da ihre Entwickelung zu ſelbſtändi- gen, der Stipulation zu ihrer Klagbarkeit nicht mehr bedürftigen Contracten der dritten Periode anheimfällt. Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. III. 10

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/161>, abgerufen am 22.05.2024.