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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.

Wenn mehrere Miteigenthümer eine Prädial-Servitut erwer-
ben oder bestellen wollten, so mußten sie dies nach älterm Recht
gemeinsam mittelst eines Aktes thun; nach neuerm können sie
einzeln handeln. 185) Wenn mehrere Legatare gemeinschaftlich ein
Wahlrecht auszuüben haben, so verstattet das neuere Recht jedem
die abgesonderte Vornahme; daß das ältere sich dazu nicht ver-
standen haben kann, bedarf nicht der Bemerkung. Die Correal-
obligation begründet zwischen den verschiedenen Theilnehmern ein
und dasselbe Obligationsverhältniß, consequenterweise erforderte
daher die alte Jurisprudenz Begründung desselben durch einen
einzigen Akt, 186) das neuere Recht hingegen verstattet getrenntes
Handeln. Das ältere Recht verlangt, daß die Testamentszeugen
gleichzeitig fungiren, das prätorische verstattet die Vornahme des
einzigen Akts, von dem es die Bonor. poss. secundum tabulas
abhängig macht (Versiegeln) für jeden abgesondert -- eine Be-
hauptung, deren Beweis ich mir freilich für das dritte System
vorbehalten muß. Der Tutor eines Unmündigen muß seine
autoritas sofort ertheilen, also gegenwärtig sein, der Curator
eines Minderjährigen kann seine Einwilligung vorher oder nach-

185) L. 11 de S. P. R. (8. 3), L. 18 Comm. praed. (8. 4); über das
folgende Beispiel im Text s. L. 8 §. 2 de opt. leg. (33. 5). Sämmtliche
Einzeln-Akte bleiben aber so lange suspendirt, bis der letzte noch fehlende hin-
zugekommen ist, und das römische Recht verlangt daher die Fortdauer der Vor-
aussetzungen in der Person der Handelnden bis zu diesem Moment, so daß
also z. B. im erstern Fall der Tod oder die Veräußerung das Zustandekommen
des Rechtsgeschäfts hindert. Ganz dasselbe nimmt das römische Recht für alle
noch in der Entstehung begriffenen Rechtsverhältnisse an, wie ich an einem an-
dern Ort nachweisen will. Eine andere denkbare Gestaltung der Sache ist die,
daß das Verhältniß nicht bloß stückweis begründet werden darf, sondern
daß es auch stückweis fest wird; unser Handelsgesetzbuch hat sie, und wie ich
glaube, aus gutem Grunde, für den Abschluß der Verträge unter Abwesenden
adoptirt, dem römischen Recht ist sie fremd.
186) So mit Bezugnahme auf pr. I. de duob. reis (3. 16) und L. 12
pr. D. ibid.
(45. 2): Ribbentrop Correalobl. S. 112 (das neuere Recht
S. 114 das.) und Schrader ad §. 3 I. de fidejuss. (3. 20), welcher noch
auf Plautus Trinummus V. 2, 39 verweist.
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.

Wenn mehrere Miteigenthümer eine Prädial-Servitut erwer-
ben oder beſtellen wollten, ſo mußten ſie dies nach älterm Recht
gemeinſam mittelſt eines Aktes thun; nach neuerm können ſie
einzeln handeln. 185) Wenn mehrere Legatare gemeinſchaftlich ein
Wahlrecht auszuüben haben, ſo verſtattet das neuere Recht jedem
die abgeſonderte Vornahme; daß das ältere ſich dazu nicht ver-
ſtanden haben kann, bedarf nicht der Bemerkung. Die Correal-
obligation begründet zwiſchen den verſchiedenen Theilnehmern ein
und daſſelbe Obligationsverhältniß, conſequenterweiſe erforderte
daher die alte Jurisprudenz Begründung deſſelben durch einen
einzigen Akt, 186) das neuere Recht hingegen verſtattet getrenntes
Handeln. Das ältere Recht verlangt, daß die Teſtamentszeugen
gleichzeitig fungiren, das prätoriſche verſtattet die Vornahme des
einzigen Akts, von dem es die Bonor. poss. secundum tabulas
abhängig macht (Verſiegeln) für jeden abgeſondert — eine Be-
hauptung, deren Beweis ich mir freilich für das dritte Syſtem
vorbehalten muß. Der Tutor eines Unmündigen muß ſeine
autoritas ſofort ertheilen, alſo gegenwärtig ſein, der Curator
eines Minderjährigen kann ſeine Einwilligung vorher oder nach-

185) L. 11 de S. P. R. (8. 3), L. 18 Comm. praed. (8. 4); über das
folgende Beiſpiel im Text ſ. L. 8 §. 2 de opt. leg. (33. 5). Sämmtliche
Einzeln-Akte bleiben aber ſo lange ſuspendirt, bis der letzte noch fehlende hin-
zugekommen iſt, und das römiſche Recht verlangt daher die Fortdauer der Vor-
ausſetzungen in der Perſon der Handelnden bis zu dieſem Moment, ſo daß
alſo z. B. im erſtern Fall der Tod oder die Veräußerung das Zuſtandekommen
des Rechtsgeſchäfts hindert. Ganz daſſelbe nimmt das römiſche Recht für alle
noch in der Entſtehung begriffenen Rechtsverhältniſſe an, wie ich an einem an-
dern Ort nachweiſen will. Eine andere denkbare Geſtaltung der Sache iſt die,
daß das Verhältniß nicht bloß ſtückweis begründet werden darf, ſondern
daß es auch ſtückweis feſt wird; unſer Handelsgeſetzbuch hat ſie, und wie ich
glaube, aus gutem Grunde, für den Abſchluß der Verträge unter Abweſenden
adoptirt, dem römiſchen Recht iſt ſie fremd.
186) So mit Bezugnahme auf pr. I. de duob. reis (3. 16) und L. 12
pr. D. ibid.
(45. 2): Ribbentrop Correalobl. S. 112 (das neuere Recht
S. 114 daſ.) und Schrader ad §. 3 I. de fidejuss. (3. 20), welcher noch
auf Plautus Trinummus V. 2, 39 verweiſt.
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[146/0162] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. Wenn mehrere Miteigenthümer eine Prädial-Servitut erwer- ben oder beſtellen wollten, ſo mußten ſie dies nach älterm Recht gemeinſam mittelſt eines Aktes thun; nach neuerm können ſie einzeln handeln. 185) Wenn mehrere Legatare gemeinſchaftlich ein Wahlrecht auszuüben haben, ſo verſtattet das neuere Recht jedem die abgeſonderte Vornahme; daß das ältere ſich dazu nicht ver- ſtanden haben kann, bedarf nicht der Bemerkung. Die Correal- obligation begründet zwiſchen den verſchiedenen Theilnehmern ein und daſſelbe Obligationsverhältniß, conſequenterweiſe erforderte daher die alte Jurisprudenz Begründung deſſelben durch einen einzigen Akt, 186) das neuere Recht hingegen verſtattet getrenntes Handeln. Das ältere Recht verlangt, daß die Teſtamentszeugen gleichzeitig fungiren, das prätoriſche verſtattet die Vornahme des einzigen Akts, von dem es die Bonor. poss. secundum tabulas abhängig macht (Verſiegeln) für jeden abgeſondert — eine Be- hauptung, deren Beweis ich mir freilich für das dritte Syſtem vorbehalten muß. Der Tutor eines Unmündigen muß ſeine autoritas ſofort ertheilen, alſo gegenwärtig ſein, der Curator eines Minderjährigen kann ſeine Einwilligung vorher oder nach- 185) L. 11 de S. P. R. (8. 3), L. 18 Comm. praed. (8. 4); über das folgende Beiſpiel im Text ſ. L. 8 §. 2 de opt. leg. (33. 5). Sämmtliche Einzeln-Akte bleiben aber ſo lange ſuspendirt, bis der letzte noch fehlende hin- zugekommen iſt, und das römiſche Recht verlangt daher die Fortdauer der Vor- ausſetzungen in der Perſon der Handelnden bis zu dieſem Moment, ſo daß alſo z. B. im erſtern Fall der Tod oder die Veräußerung das Zuſtandekommen des Rechtsgeſchäfts hindert. Ganz daſſelbe nimmt das römiſche Recht für alle noch in der Entſtehung begriffenen Rechtsverhältniſſe an, wie ich an einem an- dern Ort nachweiſen will. Eine andere denkbare Geſtaltung der Sache iſt die, daß das Verhältniß nicht bloß ſtückweis begründet werden darf, ſondern daß es auch ſtückweis feſt wird; unſer Handelsgeſetzbuch hat ſie, und wie ich glaube, aus gutem Grunde, für den Abſchluß der Verträge unter Abweſenden adoptirt, dem römiſchen Recht iſt ſie fremd. 186) So mit Bezugnahme auf pr. I. de duob. reis (3. 16) und L. 12 pr. D. ibid. (45. 2): Ribbentrop Correalobl. S. 112 (das neuere Recht S. 114 daſ.) und Schrader ad §. 3 I. de fidejuss. (3. 20), welcher noch auf Plautus Trinummus V. 2, 39 verweiſt.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/162>, abgerufen am 24.11.2024.