Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Erster Abschn. III. B. Die juristische Oekonomie. hafte, noch nachtheilige. Der legislative Zweck, der jenem Se-natsbeschluß vorschwebte, war Unabhängigkeit des Universal- fideicommisses vom Belieben der bloß der Form wegen vorge- schobenen Person des Erben. Für diesen Zweck wären verschie- dene Formen denkbar gewesen, die einfachste und natürlichste die: die fideicommissarische Substitution wird im Fall grundloser Weigerung des Erben in Ergänzung des muthmaßlichen Willens des Erblassers in eine directe verwandelt, d. h. der Fideicom- missar wird als eventuell eingesetzter Erbe behandelt. Die spätere römische Jurisprudenz würde vor dieser Behandlungsweise schwerlich zurückgeschreckt sein, wenigstens hat sie keinen Anstand genommen, die beiden Formen der Substitution in doppelter Weise mit einander zu vertauschen, eine ungültige directe Sub- stitution als gültige fideicommissarische aufrecht zu erhalten und umgekehrt, 378) zu jener Zeit war die Jurisprudenz noch nicht bis zu dieser Freiheit der Auffassungsweise vorgeschritten. Eine andere, dem technischen Standpunkt der damaligen Zeit minder fern liegende Möglichkeit wäre die gesetzliche Aufstellung der Fiction gewesen, daß die grundlose Weigerung des Erben als Antretung und Restitution der Erbschaft angesehen werden solle. Der Weg, den jenes Gesetz wirklich einschlug, hatte allerdings den Vorzug, daß er sich am engsten an das bisherige Recht an- schloß -- an dem Erforderniß der Antretung der Erbschaft wird nicht das Mindeste geändert -- im Uebrigen aber war er keines- wegs ein ganz glücklicher. 379) Daß der Erbe hier ein reiner Fi- gurant ist, ich möchte sagen: lediglich als Constructionsapparat 378) Die fideicommissarische gegen die directe: L. 13 §. 4 L. 14 de test. mil. (29. 1), die directe gegen die fideicommissarische: L. 76 ad SC. Treb. (36. 1) L. 15 de subst. (28. 6) L. 41 pr. de test. mil. (29. 1). 379) Denn wie, wenn der Fiduciar vorher verstarb, wenn er in der Ferne
war, sich absichtlich nicht betreffen ließ? Die römische Jurisprudenz wußte sich hier nicht Raths, wenigstens dauerten die Zweifel bis auf Justinian (L. 7 §. 1 ad SC. Trebell. 6. 49) fort, und Ulpian sah, wie letzterer berichtet, keinen andern Ausweg, als den einer gesetzlichen Entscheidung. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie. hafte, noch nachtheilige. Der legislative Zweck, der jenem Se-natsbeſchluß vorſchwebte, war Unabhängigkeit des Univerſal- fideicommiſſes vom Belieben der bloß der Form wegen vorge- ſchobenen Perſon des Erben. Für dieſen Zweck wären verſchie- dene Formen denkbar geweſen, die einfachſte und natürlichſte die: die fideicommiſſariſche Subſtitution wird im Fall grundloſer Weigerung des Erben in Ergänzung des muthmaßlichen Willens des Erblaſſers in eine directe verwandelt, d. h. der Fideicom- miſſar wird als eventuell eingeſetzter Erbe behandelt. Die ſpätere römiſche Jurisprudenz würde vor dieſer Behandlungsweiſe ſchwerlich zurückgeſchreckt ſein, wenigſtens hat ſie keinen Anſtand genommen, die beiden Formen der Subſtitution in doppelter Weiſe mit einander zu vertauſchen, eine ungültige directe Sub- ſtitution als gültige fideicommiſſariſche aufrecht zu erhalten und umgekehrt, 378) zu jener Zeit war die Jurisprudenz noch nicht bis zu dieſer Freiheit der Auffaſſungsweiſe vorgeſchritten. Eine andere, dem techniſchen Standpunkt der damaligen Zeit minder fern liegende Möglichkeit wäre die geſetzliche Aufſtellung der Fiction geweſen, daß die grundloſe Weigerung des Erben als Antretung und Reſtitution der Erbſchaft angeſehen werden ſolle. Der Weg, den jenes Geſetz wirklich einſchlug, hatte allerdings den Vorzug, daß er ſich am engſten an das bisherige Recht an- ſchloß — an dem Erforderniß der Antretung der Erbſchaft wird nicht das Mindeſte geändert — im Uebrigen aber war er keines- wegs ein ganz glücklicher. 379) Daß der Erbe hier ein reiner Fi- gurant iſt, ich möchte ſagen: lediglich als Conſtructionsapparat 378) Die fideicommiſſariſche gegen die directe: L. 13 §. 4 L. 14 de test. mil. (29. 1), die directe gegen die fideicommiſſariſche: L. 76 ad SC. Treb. (36. 1) L. 15 de subst. (28. 6) L. 41 pr. de test. mil. (29. 1). 379) Denn wie, wenn der Fiduciar vorher verſtarb, wenn er in der Ferne
war, ſich abſichtlich nicht betreffen ließ? Die römiſche Jurisprudenz wußte ſich hier nicht Raths, wenigſtens dauerten die Zweifel bis auf Juſtinian (L. 7 §. 1 ad SC. Trebell. 6. 49) fort, und Ulpian ſah, wie letzterer berichtet, keinen andern Ausweg, als den einer geſetzlichen Entſcheidung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0278" n="262"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III. B.</hi> Die juriſtiſche Oekonomie.</fw><lb/> hafte, noch nachtheilige. Der legislative Zweck, der jenem Se-<lb/> natsbeſchluß vorſchwebte, war Unabhängigkeit des Univerſal-<lb/> fideicommiſſes vom Belieben der bloß der Form wegen vorge-<lb/> ſchobenen Perſon des Erben. Für dieſen Zweck wären verſchie-<lb/> dene Formen denkbar geweſen, die einfachſte und natürlichſte<lb/> die: die fideicommiſſariſche Subſtitution wird im Fall grundloſer<lb/> Weigerung des Erben in Ergänzung des muthmaßlichen Willens<lb/> des Erblaſſers in eine directe verwandelt, d. h. der Fideicom-<lb/> miſſar wird als eventuell eingeſetzter Erbe behandelt. Die ſpätere<lb/> römiſche Jurisprudenz würde vor dieſer Behandlungsweiſe<lb/> ſchwerlich zurückgeſchreckt ſein, wenigſtens hat ſie keinen Anſtand<lb/> genommen, die beiden Formen der Subſtitution in doppelter<lb/> Weiſe mit einander zu vertauſchen, eine ungültige directe Sub-<lb/> ſtitution als gültige fideicommiſſariſche aufrecht zu erhalten und<lb/> umgekehrt, <note place="foot" n="378)">Die fideicommiſſariſche gegen die directe: <hi rendition="#aq">L. 13 §. 4 L. 14 de test.<lb/> mil. (29. 1),</hi> die directe gegen die fideicommiſſariſche: <hi rendition="#aq">L. 76 ad SC. Treb.<lb/> (36. 1) L. 15 de subst. (28. 6) L. 41 pr. de test. mil.</hi> (29. 1).</note> zu jener Zeit war die Jurisprudenz noch nicht<lb/> bis zu dieſer Freiheit der Auffaſſungsweiſe vorgeſchritten. Eine<lb/> andere, dem techniſchen Standpunkt der damaligen Zeit minder<lb/> fern liegende Möglichkeit wäre die geſetzliche Aufſtellung der<lb/> Fiction geweſen, daß die grundloſe Weigerung des Erben als<lb/> Antretung und Reſtitution der Erbſchaft angeſehen werden ſolle.<lb/> Der Weg, den jenes Geſetz wirklich einſchlug, hatte allerdings<lb/> den Vorzug, daß er ſich am engſten an das bisherige Recht an-<lb/> ſchloß — an dem Erforderniß der Antretung der Erbſchaft wird<lb/> nicht das Mindeſte geändert — im Uebrigen aber war er keines-<lb/> wegs ein ganz glücklicher. <note place="foot" n="379)">Denn wie, wenn der Fiduciar vorher verſtarb, wenn er in der Ferne<lb/> war, ſich abſichtlich nicht betreffen ließ? Die römiſche Jurisprudenz wußte<lb/> ſich hier nicht Raths, wenigſtens dauerten die Zweifel bis auf Juſtinian (<hi rendition="#aq">L. 7<lb/> §. 1 ad SC. Trebell.</hi> 6. 49) fort, und Ulpian ſah, wie letzterer berichtet,<lb/> keinen andern Ausweg, als den einer geſetzlichen Entſcheidung.</note> Daß der Erbe hier ein reiner Fi-<lb/> gurant iſt, ich möchte ſagen: lediglich als Conſtructionsapparat<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [262/0278]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie.
hafte, noch nachtheilige. Der legislative Zweck, der jenem Se-
natsbeſchluß vorſchwebte, war Unabhängigkeit des Univerſal-
fideicommiſſes vom Belieben der bloß der Form wegen vorge-
ſchobenen Perſon des Erben. Für dieſen Zweck wären verſchie-
dene Formen denkbar geweſen, die einfachſte und natürlichſte
die: die fideicommiſſariſche Subſtitution wird im Fall grundloſer
Weigerung des Erben in Ergänzung des muthmaßlichen Willens
des Erblaſſers in eine directe verwandelt, d. h. der Fideicom-
miſſar wird als eventuell eingeſetzter Erbe behandelt. Die ſpätere
römiſche Jurisprudenz würde vor dieſer Behandlungsweiſe
ſchwerlich zurückgeſchreckt ſein, wenigſtens hat ſie keinen Anſtand
genommen, die beiden Formen der Subſtitution in doppelter
Weiſe mit einander zu vertauſchen, eine ungültige directe Sub-
ſtitution als gültige fideicommiſſariſche aufrecht zu erhalten und
umgekehrt, 378) zu jener Zeit war die Jurisprudenz noch nicht
bis zu dieſer Freiheit der Auffaſſungsweiſe vorgeſchritten. Eine
andere, dem techniſchen Standpunkt der damaligen Zeit minder
fern liegende Möglichkeit wäre die geſetzliche Aufſtellung der
Fiction geweſen, daß die grundloſe Weigerung des Erben als
Antretung und Reſtitution der Erbſchaft angeſehen werden ſolle.
Der Weg, den jenes Geſetz wirklich einſchlug, hatte allerdings
den Vorzug, daß er ſich am engſten an das bisherige Recht an-
ſchloß — an dem Erforderniß der Antretung der Erbſchaft wird
nicht das Mindeſte geändert — im Uebrigen aber war er keines-
wegs ein ganz glücklicher. 379) Daß der Erbe hier ein reiner Fi-
gurant iſt, ich möchte ſagen: lediglich als Conſtructionsapparat
378) Die fideicommiſſariſche gegen die directe: L. 13 §. 4 L. 14 de test.
mil. (29. 1), die directe gegen die fideicommiſſariſche: L. 76 ad SC. Treb.
(36. 1) L. 15 de subst. (28. 6) L. 41 pr. de test. mil. (29. 1).
379) Denn wie, wenn der Fiduciar vorher verſtarb, wenn er in der Ferne
war, ſich abſichtlich nicht betreffen ließ? Die römiſche Jurisprudenz wußte
ſich hier nicht Raths, wenigſtens dauerten die Zweifel bis auf Juſtinian (L. 7
§. 1 ad SC. Trebell. 6. 49) fort, und Ulpian ſah, wie letzterer berichtet,
keinen andern Ausweg, als den einer geſetzlichen Entſcheidung.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |