Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Die künstlichen Mittel. §. 58. Stücke des früheren Rechts, denen nur die historische Vis inertiäein äußerliches Scheindasein gefristet hat. Der Ausdruck: Schein- geschäft bezieht sich daher im Folgenden lediglich auf die erst- genannte Art. Das Scheingeschäft in diesem engern Sinne hat eine große 383) Bei der sachlichen Verschiedenheit beider sind auch verschiedene Namen
nöthig -- ein Bedürfniß das die Römer freilich nicht gefühlt haben, indem sie für beide dieselben Ausdrücke: imaginarius (bei Liv. 40, 8: imagines juris), simulatus, fictus, dicis causa u. a. benutzen, s. das Material bei Dirksen Manuale unter den genannten Worten. Die künſtlichen Mittel. §. 58. Stücke des früheren Rechts, denen nur die hiſtoriſche Vis inertiäein äußerliches Scheindaſein gefriſtet hat. Der Ausdruck: Schein- geſchäft bezieht ſich daher im Folgenden lediglich auf die erſt- genannte Art. Das Scheingeſchäft in dieſem engern Sinne hat eine große 383) Bei der ſachlichen Verſchiedenheit beider ſind auch verſchiedene Namen
nöthig — ein Bedürfniß das die Römer freilich nicht gefühlt haben, indem ſie für beide dieſelben Ausdrücke: imaginarius (bei Liv. 40, 8: imagines juris), simulatus, fictus, dicis causa u. a. benutzen, ſ. das Material bei Dirkſen Manuale unter den genannten Worten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0281" n="265"/><fw place="top" type="header">Die künſtlichen Mittel. §. 58.</fw><lb/> Stücke des früheren Rechts, denen nur die hiſtoriſche Vis inertiä<lb/> ein äußerliches Scheindaſein gefriſtet hat. Der Ausdruck: Schein-<lb/> geſchäft bezieht ſich daher im Folgenden lediglich auf die erſt-<lb/> genannte Art.</p><lb/> <p>Das Scheingeſchäft in dieſem engern Sinne hat eine große<lb/> Aehnlichkeit mit gewiſſen Scheinhandlungen des gewöhnlichen<lb/> Lebens, die ich früher mit dem Ausdruck: <hi rendition="#g">ſimulirte Geſchäfte</hi><lb/> bezeichnet habe.<note place="foot" n="383)">Bei der ſachlichen Verſchiedenheit beider ſind auch verſchiedene Namen<lb/> nöthig — ein Bedürfniß das die Römer freilich nicht gefühlt haben, indem ſie<lb/> für beide dieſelben Ausdrücke: <hi rendition="#aq">imaginarius</hi> (bei <hi rendition="#aq">Liv.</hi> 40, 8: <hi rendition="#aq">imagines juris),<lb/> simulatus, fictus, dicis causa</hi> u. a. benutzen, ſ. das Material bei Dirkſen<lb/><hi rendition="#aq">Manuale</hi> unter den genannten Worten.</note> Bei beiden iſt der vorgenommene Akt ein<lb/> reiner Scheinakt, dem die innere Abſicht nicht entſpricht, aber<lb/> die Scheingeſchäfte ſind <hi rendition="#g">Rechtsformen</hi>, wie alle andern, nur<lb/> mit eigenthümlich zugeſchnittener Form, die ſimulirten Geſchäfte<lb/> hingegen ſind einzelne Handlungen, jene gehören dem <hi rendition="#g">Rechte</hi><lb/> an, haben eine <hi rendition="#g">abſtracte</hi>, dieſe lediglich <hi rendition="#g">concrete</hi> Exiſtenz.<lb/> Ein fernerer Unterſchied iſt der, daß jedes ſimulirte Geſchäft eine<lb/> Täuſchung beabſichtigt. Die wahre Geſtalt des Geſchäfts ſoll<lb/> den Blicken Dritter oder der Obrigkeit entzogen werden, zu dem<lb/> Ende hängt man ihm ein falſches Gewand über, z. B. der<lb/> Schenkung das des Kaufs. Der Zweck dieſer Täuſchung kann<lb/> in der Verhüllung eines <hi rendition="#g">rechtswidrigen</hi> Handelns beſtehen,<lb/> er kann aber auch lediglich dahin gehen, ein durchaus erlaubtes<lb/> Geſchäft vor der unberufenen Neugierde unbetheiligter Dritter<lb/> ſicher zu ſtellen. Auf eine ſolche Verſchleierung iſt es bei dem<lb/><hi rendition="#g">Scheingeſchäft</hi> durchaus nicht abgeſehen. Jeder weiß, was<lb/> es bedeutet, auch die Obrigkeit, wo ſie, wie z. B. bei der rö-<lb/> miſchen <hi rendition="#aq">in jure cessio,</hi> ihre Hand dazu bietet. Der Zweck des<lb/> Scheingeſchäfts iſt rein techniſcher Art: Erreichung eines vom<lb/> Recht ſelber gebilligten Zweckes durch etwas gewaltſame An-<lb/> wendung der vorhandenen Mittel, die Scheingeſchäfte waren<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [265/0281]
Die künſtlichen Mittel. §. 58.
Stücke des früheren Rechts, denen nur die hiſtoriſche Vis inertiä
ein äußerliches Scheindaſein gefriſtet hat. Der Ausdruck: Schein-
geſchäft bezieht ſich daher im Folgenden lediglich auf die erſt-
genannte Art.
Das Scheingeſchäft in dieſem engern Sinne hat eine große
Aehnlichkeit mit gewiſſen Scheinhandlungen des gewöhnlichen
Lebens, die ich früher mit dem Ausdruck: ſimulirte Geſchäfte
bezeichnet habe. 383) Bei beiden iſt der vorgenommene Akt ein
reiner Scheinakt, dem die innere Abſicht nicht entſpricht, aber
die Scheingeſchäfte ſind Rechtsformen, wie alle andern, nur
mit eigenthümlich zugeſchnittener Form, die ſimulirten Geſchäfte
hingegen ſind einzelne Handlungen, jene gehören dem Rechte
an, haben eine abſtracte, dieſe lediglich concrete Exiſtenz.
Ein fernerer Unterſchied iſt der, daß jedes ſimulirte Geſchäft eine
Täuſchung beabſichtigt. Die wahre Geſtalt des Geſchäfts ſoll
den Blicken Dritter oder der Obrigkeit entzogen werden, zu dem
Ende hängt man ihm ein falſches Gewand über, z. B. der
Schenkung das des Kaufs. Der Zweck dieſer Täuſchung kann
in der Verhüllung eines rechtswidrigen Handelns beſtehen,
er kann aber auch lediglich dahin gehen, ein durchaus erlaubtes
Geſchäft vor der unberufenen Neugierde unbetheiligter Dritter
ſicher zu ſtellen. Auf eine ſolche Verſchleierung iſt es bei dem
Scheingeſchäft durchaus nicht abgeſehen. Jeder weiß, was
es bedeutet, auch die Obrigkeit, wo ſie, wie z. B. bei der rö-
miſchen in jure cessio, ihre Hand dazu bietet. Der Zweck des
Scheingeſchäfts iſt rein techniſcher Art: Erreichung eines vom
Recht ſelber gebilligten Zweckes durch etwas gewaltſame An-
wendung der vorhandenen Mittel, die Scheingeſchäfte waren
383) Bei der ſachlichen Verſchiedenheit beider ſind auch verſchiedene Namen
nöthig — ein Bedürfniß das die Römer freilich nicht gefühlt haben, indem ſie
für beide dieſelben Ausdrücke: imaginarius (bei Liv. 40, 8: imagines juris),
simulatus, fictus, dicis causa u. a. benutzen, ſ. das Material bei Dirkſen
Manuale unter den genannten Worten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |