Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Erster Abschn. III. B. Die juristische Oekonomie. juristische Nothlügen. Allerdings mögen manche derselbenimmerhin aus ursprünglich simulirten Geschäften des Lebens hervorgegangen sein. Als zuerst eine Frau auf die Idee kam, eine Scheinehe einzugehen, um einen der Zwecke zu erzielen, zu denen die coemptio fiduciae causa diente (s. u.), war dies ein simulirtes Geschäft; als die Einschlagung dieses Weges all- gemein geworden und gewohnheitsrechtliche Sanction erhalten hatte, war es ein Scheingeschäft. Aber durch diese historische Berührung beider, die sich übrigens auch nicht bei allen wieder- holt, wird ihr begrifflicher Unterschied eben so wenig alterirt, als dadurch, daß manche Gewohnheit im Laufe der Zeit zu einem Gewohnheitsrechte führt, der Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen. Der Verlauf unseres Werkes hat uns bereits mannigfache 384) Gelegentlich bereits berührt, B. 2 S. 162, 570, 645; bei der Ge-
schichte des römischen Obligationsbegriffs werde ich auf sie zurückkommen. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie. juriſtiſche Nothlügen. Allerdings mögen manche derſelbenimmerhin aus urſprünglich ſimulirten Geſchäften des Lebens hervorgegangen ſein. Als zuerſt eine Frau auf die Idee kam, eine Scheinehe einzugehen, um einen der Zwecke zu erzielen, zu denen die coemptio fiduciae causa diente (ſ. u.), war dies ein ſimulirtes Geſchäft; als die Einſchlagung dieſes Weges all- gemein geworden und gewohnheitsrechtliche Sanction erhalten hatte, war es ein Scheingeſchäft. Aber durch dieſe hiſtoriſche Berührung beider, die ſich übrigens auch nicht bei allen wieder- holt, wird ihr begrifflicher Unterſchied eben ſo wenig alterirt, als dadurch, daß manche Gewohnheit im Laufe der Zeit zu einem Gewohnheitsrechte führt, der Unterſchied zwiſchen dieſen beiden Begriffen. Der Verlauf unſeres Werkes hat uns bereits mannigfache 384) Gelegentlich bereits berührt, B. 2 S. 162, 570, 645; bei der Ge-
ſchichte des römiſchen Obligationsbegriffs werde ich auf ſie zurückkommen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0282" n="266"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III. B.</hi> Die juriſtiſche Oekonomie.</fw><lb/><hi rendition="#g">juriſtiſche Nothlügen</hi>. Allerdings mögen manche derſelben<lb/> immerhin aus urſprünglich ſimulirten Geſchäften des Lebens<lb/> hervorgegangen ſein. Als zuerſt eine Frau auf die Idee kam,<lb/> eine Scheinehe einzugehen, um einen der Zwecke zu erzielen, zu<lb/> denen die <hi rendition="#aq">coemptio fiduciae causa</hi> diente (ſ. u.), war dies ein<lb/><hi rendition="#g">ſimulirtes</hi> Geſchäft; als die Einſchlagung dieſes Weges all-<lb/> gemein geworden und gewohnheitsrechtliche Sanction erhalten<lb/> hatte, war es ein <hi rendition="#g">Scheingeſchäft</hi>. Aber durch dieſe hiſtoriſche<lb/> Berührung beider, die ſich übrigens auch nicht bei allen wieder-<lb/> holt, wird ihr begrifflicher Unterſchied eben ſo wenig alterirt, als<lb/> dadurch, daß manche Gewohnheit im Laufe der Zeit zu einem<lb/> Gewohnheitsrechte führt, der Unterſchied zwiſchen dieſen beiden<lb/> Begriffen.</p><lb/> <p>Der Verlauf unſeres Werkes hat uns bereits mannigfache<lb/> Beiſpiele der Scheingeſchäfte und damit einen Theil des<lb/> Materials geliefert, deſſen wir für die folgende Unterſuchung<lb/> benöthigt ſind. Dahin gehören: die <hi rendition="#aq">mancipatio</hi> (Bd. 2<lb/> S. 554 fl.), ſelbſt in Anwendung auf ihren urſprünglichen<lb/> Anwendungskreis: die <hi rendition="#aq">res mancipi,</hi> ein Scheingeſchäft, in An-<lb/> wendung auf das Teſtament aber ein Scheingeſchäft in zweiter<lb/> Potenz (daſ. S. 554); die Hingabe des Hauskindes ins Man-<lb/> cipium zur Vorbereitung der Emancipation und Adoption (daſ.<lb/> S. 190); die <hi rendition="#aq">in jure cessio</hi> (daſ. S. 579 fl.) und die <hi rendition="#aq">sponsio<lb/> praejudicialis</hi> (daſ. S. 85 und 556). Außerdem verdienen<lb/> noch genannt zu werden das <hi rendition="#aq">nexum</hi> und die <hi rendition="#aq">nexi liberatio,</hi><lb/> d. i. die Begründung und Aufhebung einer Geldſchuld durch<lb/> eine ſolenne, vor 5 Zeugen und dem Libripens vorgenommene<lb/> Scheinzahlung,<note place="foot" n="384)">Gelegentlich bereits berührt, B. 2 S. 162, 570, 645; bei der Ge-<lb/> ſchichte des römiſchen Obligationsbegriffs werde ich auf ſie zurückkommen.</note> die <hi rendition="#aq">coemptio fiduciae causa</hi> und zwei proble-<lb/> matiſche Fälle der Scheinadoption. Die Betrachtung der letztern<lb/> ſetze ich aus, bis uns die folgende Unterſuchung einen ſichern<lb/> Maßſtab für die Beurtheilung ihrer Scheingeſchäftsnatur ver-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [266/0282]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie.
juriſtiſche Nothlügen. Allerdings mögen manche derſelben
immerhin aus urſprünglich ſimulirten Geſchäften des Lebens
hervorgegangen ſein. Als zuerſt eine Frau auf die Idee kam,
eine Scheinehe einzugehen, um einen der Zwecke zu erzielen, zu
denen die coemptio fiduciae causa diente (ſ. u.), war dies ein
ſimulirtes Geſchäft; als die Einſchlagung dieſes Weges all-
gemein geworden und gewohnheitsrechtliche Sanction erhalten
hatte, war es ein Scheingeſchäft. Aber durch dieſe hiſtoriſche
Berührung beider, die ſich übrigens auch nicht bei allen wieder-
holt, wird ihr begrifflicher Unterſchied eben ſo wenig alterirt, als
dadurch, daß manche Gewohnheit im Laufe der Zeit zu einem
Gewohnheitsrechte führt, der Unterſchied zwiſchen dieſen beiden
Begriffen.
Der Verlauf unſeres Werkes hat uns bereits mannigfache
Beiſpiele der Scheingeſchäfte und damit einen Theil des
Materials geliefert, deſſen wir für die folgende Unterſuchung
benöthigt ſind. Dahin gehören: die mancipatio (Bd. 2
S. 554 fl.), ſelbſt in Anwendung auf ihren urſprünglichen
Anwendungskreis: die res mancipi, ein Scheingeſchäft, in An-
wendung auf das Teſtament aber ein Scheingeſchäft in zweiter
Potenz (daſ. S. 554); die Hingabe des Hauskindes ins Man-
cipium zur Vorbereitung der Emancipation und Adoption (daſ.
S. 190); die in jure cessio (daſ. S. 579 fl.) und die sponsio
praejudicialis (daſ. S. 85 und 556). Außerdem verdienen
noch genannt zu werden das nexum und die nexi liberatio,
d. i. die Begründung und Aufhebung einer Geldſchuld durch
eine ſolenne, vor 5 Zeugen und dem Libripens vorgenommene
Scheinzahlung, 384) die coemptio fiduciae causa und zwei proble-
matiſche Fälle der Scheinadoption. Die Betrachtung der letztern
ſetze ich aus, bis uns die folgende Unterſuchung einen ſichern
Maßſtab für die Beurtheilung ihrer Scheingeſchäftsnatur ver-
384) Gelegentlich bereits berührt, B. 2 S. 162, 570, 645; bei der Ge-
ſchichte des römiſchen Obligationsbegriffs werde ich auf ſie zurückkommen.
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