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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Die Aufgabe -- Antheil der juristischen Logik am Recht. §. 59.
griffs; was jene geschaffen und hervorgebracht, gibt sie für
ihr Werk aus, indem sie, je nachdem es positiver oder nega-
tiver Art ist, das eine als logisch nothwendig, das andere
als logisch unmöglich deducirt. Die Stellvertretung und
die Uebertragung bei Obligationen ist ausgeschlossen, weil der
Begriff der Obligation sie nicht verstattet,427) der Erblasser
kann nicht zum Theil aus dem Testament, zum Theil nach In-
testaterbrecht beerbt werden, weil die testamentarische und In-
testaterbfolge logisch incompatible Begriffe sind,428) die Specifi-
cation muß Eigenthum geben und die bona oder mala fides
darauf ohne Einfluß sein, weil der Begriff dies verlangt, und
selbst der Eigenthumserwerb an der insula in flumine nata und
am alveus derelictus ist durch zwingende begriffliche Gründe
ins Leben gerufen.429)

Alle diese und ähnliche Sätze wären also bloß der Logik
wegen adoptirt? Wie nun, wenn es einem neuern Gesetzgeber
gefiele, gerade das Gegentheil festzusetzen? Dann würde er sich
gefallen lassen müssen, daß wir ihn der "Willkür" bezüchtigten
und seine Begriffe als "monströse" bezeichneten.430) Die directe

427) Puchta, Pandekten §. 273 .. "nicht in einer Singularität des
römischen Rechts, sondern im Wesen der Obligationen gegründet." §. 280.
428) Ueber den praktischen Grund dieses Satzes habe ich mich schon
oben S. 141 ausgesprochen.
429) Ueber die beiden letzten Beispiele s. Puchta §. 154, 165. In
Puchta zählt die oben geschilderte Richtung ihren namhaftesten Repräsen-
tanten und, wenn ich nach eigner Erfahrung urtheilen darf, so hat gerade
sein Beispiel auf Manche einen bestimmenden Einfluß ausgeübt. Wir dürfen
hoffen, daß diese ungesunde Richtung -- ich kann sie nicht anders bezeich-
nen --, dieser Götzencultus des Logischen ihren Höhenpunkt bereits erreicht
hat, wenigstens möchte es schwer sein, die in dieser Richtung begangenen
Excesse noch zu überbieten. Dieselben haben aber doch das Gute gehabt,
daß sie Jedem, der seine Augen noch nicht völlig verloren hat, dieselben ge-
öffnet haben.
430) Puchta a. a. O. §. 135 Note c. §. 202 Note l. Die Bestim-
mung des kanonischen Rechts, die Puchta an der ersten Stelle so hart tadelt

Die Aufgabe — Antheil der juriſtiſchen Logik am Recht. §. 59.
griffs; was jene geſchaffen und hervorgebracht, gibt ſie für
ihr Werk aus, indem ſie, je nachdem es poſitiver oder nega-
tiver Art iſt, das eine als logiſch nothwendig, das andere
als logiſch unmöglich deducirt. Die Stellvertretung und
die Uebertragung bei Obligationen iſt ausgeſchloſſen, weil der
Begriff der Obligation ſie nicht verſtattet,427) der Erblaſſer
kann nicht zum Theil aus dem Teſtament, zum Theil nach In-
teſtaterbrecht beerbt werden, weil die teſtamentariſche und In-
teſtaterbfolge logiſch incompatible Begriffe ſind,428) die Specifi-
cation muß Eigenthum geben und die bona oder mala fides
darauf ohne Einfluß ſein, weil der Begriff dies verlangt, und
ſelbſt der Eigenthumserwerb an der insula in flumine nata und
am alveus derelictus iſt durch zwingende begriffliche Gründe
ins Leben gerufen.429)

Alle dieſe und ähnliche Sätze wären alſo bloß der Logik
wegen adoptirt? Wie nun, wenn es einem neuern Geſetzgeber
gefiele, gerade das Gegentheil feſtzuſetzen? Dann würde er ſich
gefallen laſſen müſſen, daß wir ihn der „Willkür“ bezüchtigten
und ſeine Begriffe als „monſtröſe“ bezeichneten.430) Die directe

427) Puchta, Pandekten §. 273 .. „nicht in einer Singularität des
römiſchen Rechts, ſondern im Weſen der Obligationen gegründet.“ §. 280.
428) Ueber den praktiſchen Grund dieſes Satzes habe ich mich ſchon
oben S. 141 ausgeſprochen.
429) Ueber die beiden letzten Beiſpiele ſ. Puchta §. 154, 165. In
Puchta zählt die oben geſchilderte Richtung ihren namhafteſten Repräſen-
tanten und, wenn ich nach eigner Erfahrung urtheilen darf, ſo hat gerade
ſein Beiſpiel auf Manche einen beſtimmenden Einfluß ausgeübt. Wir dürfen
hoffen, daß dieſe ungeſunde Richtung — ich kann ſie nicht anders bezeich-
nen —, dieſer Götzencultus des Logiſchen ihren Höhenpunkt bereits erreicht
hat, wenigſtens möchte es ſchwer ſein, die in dieſer Richtung begangenen
Exceſſe noch zu überbieten. Dieſelben haben aber doch das Gute gehabt,
daß ſie Jedem, der ſeine Augen noch nicht völlig verloren hat, dieſelben ge-
öffnet haben.
430) Puchta a. a. O. §. 135 Note c. §. 202 Note l. Die Beſtim-
mung des kanoniſchen Rechts, die Puchta an der erſten Stelle ſo hart tadelt
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[301/0317] Die Aufgabe — Antheil der juriſtiſchen Logik am Recht. §. 59. griffs; was jene geſchaffen und hervorgebracht, gibt ſie für ihr Werk aus, indem ſie, je nachdem es poſitiver oder nega- tiver Art iſt, das eine als logiſch nothwendig, das andere als logiſch unmöglich deducirt. Die Stellvertretung und die Uebertragung bei Obligationen iſt ausgeſchloſſen, weil der Begriff der Obligation ſie nicht verſtattet, 427) der Erblaſſer kann nicht zum Theil aus dem Teſtament, zum Theil nach In- teſtaterbrecht beerbt werden, weil die teſtamentariſche und In- teſtaterbfolge logiſch incompatible Begriffe ſind, 428) die Specifi- cation muß Eigenthum geben und die bona oder mala fides darauf ohne Einfluß ſein, weil der Begriff dies verlangt, und ſelbſt der Eigenthumserwerb an der insula in flumine nata und am alveus derelictus iſt durch zwingende begriffliche Gründe ins Leben gerufen. 429) Alle dieſe und ähnliche Sätze wären alſo bloß der Logik wegen adoptirt? Wie nun, wenn es einem neuern Geſetzgeber gefiele, gerade das Gegentheil feſtzuſetzen? Dann würde er ſich gefallen laſſen müſſen, daß wir ihn der „Willkür“ bezüchtigten und ſeine Begriffe als „monſtröſe“ bezeichneten. 430) Die directe 427) Puchta, Pandekten §. 273 .. „nicht in einer Singularität des römiſchen Rechts, ſondern im Weſen der Obligationen gegründet.“ §. 280. 428) Ueber den praktiſchen Grund dieſes Satzes habe ich mich ſchon oben S. 141 ausgeſprochen. 429) Ueber die beiden letzten Beiſpiele ſ. Puchta §. 154, 165. In Puchta zählt die oben geſchilderte Richtung ihren namhafteſten Repräſen- tanten und, wenn ich nach eigner Erfahrung urtheilen darf, ſo hat gerade ſein Beiſpiel auf Manche einen beſtimmenden Einfluß ausgeübt. Wir dürfen hoffen, daß dieſe ungeſunde Richtung — ich kann ſie nicht anders bezeich- nen —, dieſer Götzencultus des Logiſchen ihren Höhenpunkt bereits erreicht hat, wenigſtens möchte es ſchwer ſein, die in dieſer Richtung begangenen Exceſſe noch zu überbieten. Dieſelben haben aber doch das Gute gehabt, daß ſie Jedem, der ſeine Augen noch nicht völlig verloren hat, dieſelben ge- öffnet haben. 430) Puchta a. a. O. §. 135 Note c. §. 202 Note l. Die Beſtim- mung des kanoniſchen Rechts, die Puchta an der erſten Stelle ſo hart tadelt

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/317>, abgerufen am 21.11.2024.