Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Zweiter Abschnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie. Species, dieses Sachindividuum mit dieser seiner Vergangen-heit. 451) Wie verschieden sich nun auch bei den einzelnen Rechten das 451) Beispiele in L. 36 de bon. lib. (38. 2) praedia, in quibus ma- jorum sepulcra ... mancipium, quod non pretio, sed affectu aestimandum. Berücksichtigung dieses Interesses im Recht: actiones arbi- trariae zum Zweck der Erlangung der bestimmten Sache statt des Geldwer- thes -- Verbot der Veräußerung der Mündelgüter des bloßen Vortheils we- gen -- L. 36 cit. 452) So z. B. sollten die Klagen aus Spiel und Wetten völlig aufge-
hoben werden; für den Verkehr haben diese Verträge gar kein Interesse, das gesellige Leben gehört nicht vor das Gericht, wer spielt und wettet, möge zu- sehen, mit wem er es thut. Der einzige Grund, der sich für ihre Klagbarkeit anführen läßt, ist das obige (S. 315) Dogma von der abstract verbindenden Kraft der Berträge -- damit könnte man aber auch eine Klage auf den ersten Walzer begründen! Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie. Species, dieſes Sachindividuum mit dieſer ſeiner Vergangen-heit. 451) Wie verſchieden ſich nun auch bei den einzelnen Rechten das 451) Beiſpiele in L. 36 de bon. lib. (38. 2) praedia, in quibus ma- jorum sepulcra … mancipium, quod non pretio, sed affectu aestimandum. Berückſichtigung dieſes Intereſſes im Recht: actiones arbi- trariae zum Zweck der Erlangung der beſtimmten Sache ſtatt des Geldwer- thes — Verbot der Veräußerung der Mündelgüter des bloßen Vortheils we- gen — L. 36 cit. 452) So z. B. ſollten die Klagen aus Spiel und Wetten völlig aufge-
hoben werden; für den Verkehr haben dieſe Verträge gar kein Intereſſe, das geſellige Leben gehört nicht vor das Gericht, wer ſpielt und wettet, möge zu- ſehen, mit wem er es thut. Der einzige Grund, der ſich für ihre Klagbarkeit anführen läßt, iſt das obige (S. 315) Dogma von der abſtract verbindenden Kraft der Berträge — damit könnte man aber auch eine Klage auf den erſten Walzer begründen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0336" n="320"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie.</fw><lb/> Species, dieſes Sachindividuum mit dieſer ſeiner Vergangen-<lb/> heit. <note place="foot" n="451)">Beiſpiele in <hi rendition="#aq">L. 36 de bon. lib. (38. 2) praedia, in quibus ma-<lb/> jorum <hi rendition="#g">sepulcra</hi> … mancipium, quod non pretio, sed <hi rendition="#g">affectu</hi><lb/> aestimandum.</hi> Berückſichtigung dieſes Intereſſes im Recht: <hi rendition="#aq">actiones arbi-<lb/> trariae</hi> zum Zweck der Erlangung der beſtimmten Sache ſtatt des Geldwer-<lb/> thes — Verbot der Veräußerung der Mündelgüter des bloßen Vortheils we-<lb/> gen — <hi rendition="#aq">L. 36 cit.</hi></note></p><lb/> <p>Wie verſchieden ſich nun auch bei den einzelnen Rechten das<lb/> Intereſſe beſtimme, ſo enthält doch jedes in Theſi zugelaſſene<lb/> Recht den Ausdruck eines vom Geſetzgeber nach dem Stand-<lb/> punkt <hi rendition="#g">ſeiner</hi> Zeit für ſchutzfähig und für ſchutzbedürftig aner-<lb/> kannten Intereſſes. Mit den Intereſſen wechſeln daher auch die<lb/> Rechte, zwiſchen beiden findet bis zu einem gewiſſen Grade ein<lb/> hiſtoriſcher Parallelismus Statt — nicht ſchlechthin, weil manche<lb/> Intereſſen ihrer Natur nach dem mechaniſchen Zwange des Rechts<lb/> widerſtreben. Für die ſcurrilen Witze, welche das Mittelalter<lb/> in die Form von Rechten zu kleiden pflegte, fehlt uns heutzu-<lb/> tage der Sinn, unſer Intereſſenmaßſtab im Recht iſt ein ſtrenge-<lb/> rer geworden, obſchon in dieſer Beziehung immer noch genug<lb/> zu thun übrig bleibt. <note place="foot" n="452)">So z. B. ſollten die Klagen aus Spiel und Wetten völlig aufge-<lb/> hoben werden; für den Verkehr haben dieſe Verträge gar kein Intereſſe, das<lb/> geſellige Leben gehört nicht vor das Gericht, wer ſpielt und wettet, möge zu-<lb/> ſehen, mit wem er es thut. Der einzige Grund, der ſich für ihre Klagbarkeit<lb/> anführen läßt, iſt das obige (S. 315) Dogma von der abſtract verbindenden<lb/> Kraft der Berträge — damit könnte man aber auch eine Klage auf den erſten<lb/> Walzer begründen!</note> Das römiſche Recht hat, wie bereits<lb/> oben S. 316 bemerkt, dieſen Geſichtspunkt des Intereſſes klar<lb/> ausgeſprochen und conſequent durchgeführt, mit der Form des<lb/> Rechts: der <hi rendition="#g">Klage</hi> iſt es von jeher ſehr ſparſam geweſen und<lb/> hat aus gutem Grunde in dieſer Beziehung eher zu wenig, als<lb/> zu viel gethan. Die Rechtsformen, die es aufſtellt, entſprechen<lb/> ſämmtlich einem ernſten Zweck des Verkehrs oder einem gerecht-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [320/0336]
Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie.
Species, dieſes Sachindividuum mit dieſer ſeiner Vergangen-
heit. 451)
Wie verſchieden ſich nun auch bei den einzelnen Rechten das
Intereſſe beſtimme, ſo enthält doch jedes in Theſi zugelaſſene
Recht den Ausdruck eines vom Geſetzgeber nach dem Stand-
punkt ſeiner Zeit für ſchutzfähig und für ſchutzbedürftig aner-
kannten Intereſſes. Mit den Intereſſen wechſeln daher auch die
Rechte, zwiſchen beiden findet bis zu einem gewiſſen Grade ein
hiſtoriſcher Parallelismus Statt — nicht ſchlechthin, weil manche
Intereſſen ihrer Natur nach dem mechaniſchen Zwange des Rechts
widerſtreben. Für die ſcurrilen Witze, welche das Mittelalter
in die Form von Rechten zu kleiden pflegte, fehlt uns heutzu-
tage der Sinn, unſer Intereſſenmaßſtab im Recht iſt ein ſtrenge-
rer geworden, obſchon in dieſer Beziehung immer noch genug
zu thun übrig bleibt. 452) Das römiſche Recht hat, wie bereits
oben S. 316 bemerkt, dieſen Geſichtspunkt des Intereſſes klar
ausgeſprochen und conſequent durchgeführt, mit der Form des
Rechts: der Klage iſt es von jeher ſehr ſparſam geweſen und
hat aus gutem Grunde in dieſer Beziehung eher zu wenig, als
zu viel gethan. Die Rechtsformen, die es aufſtellt, entſprechen
ſämmtlich einem ernſten Zweck des Verkehrs oder einem gerecht-
451) Beiſpiele in L. 36 de bon. lib. (38. 2) praedia, in quibus ma-
jorum sepulcra … mancipium, quod non pretio, sed affectu
aestimandum. Berückſichtigung dieſes Intereſſes im Recht: actiones arbi-
trariae zum Zweck der Erlangung der beſtimmten Sache ſtatt des Geldwer-
thes — Verbot der Veräußerung der Mündelgüter des bloßen Vortheils we-
gen — L. 36 cit.
452) So z. B. ſollten die Klagen aus Spiel und Wetten völlig aufge-
hoben werden; für den Verkehr haben dieſe Verträge gar kein Intereſſe, das
geſellige Leben gehört nicht vor das Gericht, wer ſpielt und wettet, möge zu-
ſehen, mit wem er es thut. Der einzige Grund, der ſich für ihre Klagbarkeit
anführen läßt, iſt das obige (S. 315) Dogma von der abſtract verbindenden
Kraft der Berträge — damit könnte man aber auch eine Klage auf den erſten
Walzer begründen!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |