Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.I. Substant. Moment des Rechts. -- Interessenmaßstab. §. 60. fertigten ethischen Interesse, für Scherze, Späße, individuelleLaunen und Liebhabereien bieten sie keinen Raum. Daß auch in Rom der Interessenmaßstab mit der wirth- 453) Daß sie die ältesten Arten waren, geht daraus hervor, daß sie allein zu den res mancipi gehören. 454) Dieser allmählige Fortschritt ist in der Art, wie die römischen Ju- risten sich über einzelne dieser Servituten äußern, noch deutlich zu erkennen, man vergleiche z. B. L. 7 de Serv. (8. 1) L. 3 de S. P. U. (8. 2) L. 1 §. 1, L. 3 pr., L. 6 §. 1, L. 9 de S. P. R. (8. 3) L. 2 Comm. praed. (8. 4). Charakteristisch für die Auffassung zu Justinians Zeit ist es, daß in den Pandekten die Urbanalservituten vor den Rusticalservituten behandelt wer- den -- zugleich ein schlagender Beleg dafür, wie wenig die Reihenfolge, in der Justinians Compilatoren gewisse Materien behandeln, mit Hugo zu Schlüssen auf die historische Priorität berechtigt. Jhering, Geist d. röm. Rechts. III. 21
I. Subſtant. Moment des Rechts. — Intereſſenmaßſtab. §. 60. fertigten ethiſchen Intereſſe, für Scherze, Späße, individuelleLaunen und Liebhabereien bieten ſie keinen Raum. Daß auch in Rom der Intereſſenmaßſtab mit der wirth- 453) Daß ſie die älteſten Arten waren, geht daraus hervor, daß ſie allein zu den res mancipi gehören. 454) Dieſer allmählige Fortſchritt iſt in der Art, wie die römiſchen Ju- riſten ſich über einzelne dieſer Servituten äußern, noch deutlich zu erkennen, man vergleiche z. B. L. 7 de Serv. (8. 1) L. 3 de S. P. U. (8. 2) L. 1 §. 1, L. 3 pr., L. 6 §. 1, L. 9 de S. P. R. (8. 3) L. 2 Comm. praed. (8. 4). Charakteriſtiſch für die Auffaſſung zu Juſtinians Zeit iſt es, daß in den Pandekten die Urbanalſervituten vor den Ruſticalſervituten behandelt wer- den — zugleich ein ſchlagender Beleg dafür, wie wenig die Reihenfolge, in der Juſtinians Compilatoren gewiſſe Materien behandeln, mit Hugo zu Schlüſſen auf die hiſtoriſche Priorität berechtigt. Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. III. 21
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I. Subſtant. Moment des Rechts. — Intereſſenmaßſtab. §. 60.
fertigten ethiſchen Intereſſe, für Scherze, Späße, individuelle
Launen und Liebhabereien bieten ſie keinen Raum.
Daß auch in Rom der Intereſſenmaßſtab mit der wirth-
ſchaftlichen, geiſtigen und ſocialen Entwicklung des Volks ſich
veränderte, davon legt die Rechtsgeſchichte vielfach Zeugniß ab.
Es möge genügen, hier ein Beiſpiel anzuführen, die übrigen
will ich dem dritten Syſtem vorbehalten. Daſſelbe betrifft die
Entwicklung des Rechts der Prädialſervituten; in ihr prägt ſich
der Fortſchritt der Intereſſen in anſchaulichſter Weiſe aus. Die-
ſelbe beginnt mit denjenigen Servituten, welche bereits auf der
niederſten Stufe der Landwirthſchaft ein Intereſſe haben: den
Weg- und Waſſergerechtigkeiten. 453) Für ſie hatte der altrömi-
ſche Bauer ein Verſtändniß; den Werth einer durch eine servi-
tus ne prospectui officiatur geſicherten ſchönen Ausſicht dürfte
er ſchwerlich hoch angeſchlagen haben! Der Fortſchritt der Land-
wirthſchaft und die Veränderung in den Verhältniſſen des Wei-
delandes (ager publicus) brachte ſodann die übrigen Ruſtical-
ſervituten, die Entwicklung des ſtädtiſchen Lebens, das gedrängte
Wohnen, der Aufſchwung der Baukunſt, der Luxus und die
Verfeinerung des Geſchmacks die Urbanalſervituten zum Vor-
ſchein. 454) Letztere verdanken ihren Urſprung nicht einer Er-
weiterung des juriſtiſchen Denkens, des geiſtigen Blicks, ſondern
dem Drang der Intereſſen und Bedürfniſſe, ihre Zulaſſung war
eine vom Leben der Jurisprudenz abgenöthigte Conceſſion, das
453) Daß ſie die älteſten Arten waren, geht daraus hervor, daß ſie allein
zu den res mancipi gehören.
454) Dieſer allmählige Fortſchritt iſt in der Art, wie die römiſchen Ju-
riſten ſich über einzelne dieſer Servituten äußern, noch deutlich zu erkennen,
man vergleiche z. B. L. 7 de Serv. (8. 1) L. 3 de S. P. U. (8. 2) L. 1
§. 1, L. 3 pr., L. 6 §. 1, L. 9 de S. P. R. (8. 3) L. 2 Comm. praed.
(8. 4). Charakteriſtiſch für die Auffaſſung zu Juſtinians Zeit iſt es, daß in
den Pandekten die Urbanalſervituten vor den Ruſticalſervituten behandelt wer-
den — zugleich ein ſchlagender Beleg dafür, wie wenig die Reihenfolge, in
der Juſtinians Compilatoren gewiſſe Materien behandeln, mit Hugo zu
Schlüſſen auf die hiſtoriſche Priorität berechtigt.
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