"und Hüttenwesen hinlänglich, und getrauen Sie sich wohl, "einen verrechnenden Dienst zu übernehmen?"
Stilling konnte seine herzliche Freude nicht bergen. Er antwortete: Was das Erste betrifft, ich bin unter Kohlbren- nern, Berg- und Hüttenleuten erzogen, und was mir etwa noch fehlen möchte, das kann ich diesen folgenden Winter noch einholen. Schreiben und Rechnen, daran wird wohl kein Man- gel seyn. Das Andere: ob ich treu genug seyn werde, das ist eine Frage, wo meine ganze Seele Ja dazu sagt; ich verab- scheue jede Untreue, wie den Satan selber!
Der Hofprediger erwiederte: Ja, ich glaube gern, daß es Ihnen an überflüssiger Geschicklichkeit nicht mangeln wird, davon hab' ich schon gehört, als ich im Salen'schen Lande war. Allein, Sie sind so sicher in Ansehung der Treue. Die- sen Artikel kennen Sie noch nicht. Ich gebe Ihnen zu, daß Sie jede wissentliche Untreue wie den Satan hassen; allein es ist hier eine besondere Art von kluger Treue nöthig, die können Sie nicht kennen, weil Sie keine Erfahrung davon haben. Zum Beispiel: Sie ständen in einem solchen Amt, nun ging Ihnen einmal das Geld aus, Sie hätten etwas in der Haushaltung nöthig, hätten's aber selber nicht und wüßtens auch nicht zu bekommen; würden Sie da nicht an die herrschaftliche Kasse gehen und das Nöthige herausnehmen?
Ja! sagte Stilling, das würde ich kühn thun, so lang ich noch Gehalt zu fordern hätte.
Ich geb Ihnen das einstweilen zu, versetzte Herr Schnee- berg, aber diese Gelegenheit macht endlich kühner, man wird dessen so gewohnt, man bleibt das erste Jahr zwanzig Gulden schuldig, das andere vierzig, das dritte achtzig, das vierte zwei- hundert und so fort, bis man entlaufen oder sich als einen Schel- men setzen lassen muß. Denken Sie nicht, das hat keine Noth! -- Sie sind gütig von Temperament, da kommen bald vornehme und geringe Leute, die das merken. Sie werden täg- lich mit einer Flasche Wein nicht auskommen, und blos dieser Artikel nimmt Ihnen jährlich schon hundert Gulden weg, ohne dasjenige, was noch dazu gehört, die Kleider für Sie und die
„und Huͤttenweſen hinlaͤnglich, und getrauen Sie ſich wohl, „einen verrechnenden Dienſt zu uͤbernehmen?“
Stilling konnte ſeine herzliche Freude nicht bergen. Er antwortete: Was das Erſte betrifft, ich bin unter Kohlbren- nern, Berg- und Huͤttenleuten erzogen, und was mir etwa noch fehlen moͤchte, das kann ich dieſen folgenden Winter noch einholen. Schreiben und Rechnen, daran wird wohl kein Man- gel ſeyn. Das Andere: ob ich treu genug ſeyn werde, das iſt eine Frage, wo meine ganze Seele Ja dazu ſagt; ich verab- ſcheue jede Untreue, wie den Satan ſelber!
Der Hofprediger erwiederte: Ja, ich glaube gern, daß es Ihnen an uͤberfluͤſſiger Geſchicklichkeit nicht mangeln wird, davon hab’ ich ſchon gehoͤrt, als ich im Salen’ſchen Lande war. Allein, Sie ſind ſo ſicher in Anſehung der Treue. Die- ſen Artikel kennen Sie noch nicht. Ich gebe Ihnen zu, daß Sie jede wiſſentliche Untreue wie den Satan haſſen; allein es iſt hier eine beſondere Art von kluger Treue noͤthig, die koͤnnen Sie nicht kennen, weil Sie keine Erfahrung davon haben. Zum Beiſpiel: Sie ſtaͤnden in einem ſolchen Amt, nun ging Ihnen einmal das Geld aus, Sie haͤtten etwas in der Haushaltung noͤthig, haͤtten’s aber ſelber nicht und wuͤßtens auch nicht zu bekommen; wuͤrden Sie da nicht an die herrſchaftliche Kaſſe gehen und das Noͤthige herausnehmen?
Ja! ſagte Stilling, das wuͤrde ich kuͤhn thun, ſo lang ich noch Gehalt zu fordern haͤtte.
Ich geb Ihnen das einſtweilen zu, verſetzte Herr Schnee- berg, aber dieſe Gelegenheit macht endlich kuͤhner, man wird deſſen ſo gewohnt, man bleibt das erſte Jahr zwanzig Gulden ſchuldig, das andere vierzig, das dritte achtzig, das vierte zwei- hundert und ſo fort, bis man entlaufen oder ſich als einen Schel- men ſetzen laſſen muß. Denken Sie nicht, das hat keine Noth! — Sie ſind guͤtig von Temperament, da kommen bald vornehme und geringe Leute, die das merken. Sie werden taͤg- lich mit einer Flaſche Wein nicht auskommen, und blos dieſer Artikel nimmt Ihnen jaͤhrlich ſchon hundert Gulden weg, ohne dasjenige, was noch dazu gehoͤrt, die Kleider fuͤr Sie und die
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„und Huͤttenweſen hinlaͤnglich, und getrauen Sie ſich wohl,
„einen verrechnenden Dienſt zu uͤbernehmen?“
Stilling konnte ſeine herzliche Freude nicht bergen. Er
antwortete: Was das Erſte betrifft, ich bin unter Kohlbren-
nern, Berg- und Huͤttenleuten erzogen, und was mir etwa
noch fehlen moͤchte, das kann ich dieſen folgenden Winter noch
einholen. Schreiben und Rechnen, daran wird wohl kein Man-
gel ſeyn. Das Andere: ob ich treu genug ſeyn werde, das iſt
eine Frage, wo meine ganze Seele Ja dazu ſagt; ich verab-
ſcheue jede Untreue, wie den Satan ſelber!
Der Hofprediger erwiederte: Ja, ich glaube gern, daß es
Ihnen an uͤberfluͤſſiger Geſchicklichkeit nicht mangeln wird,
davon hab’ ich ſchon gehoͤrt, als ich im Salen’ſchen Lande
war. Allein, Sie ſind ſo ſicher in Anſehung der Treue. Die-
ſen Artikel kennen Sie noch nicht. Ich gebe Ihnen zu, daß
Sie jede wiſſentliche Untreue wie den Satan haſſen; allein es
iſt hier eine beſondere Art von kluger Treue noͤthig, die koͤnnen Sie
nicht kennen, weil Sie keine Erfahrung davon haben. Zum
Beiſpiel: Sie ſtaͤnden in einem ſolchen Amt, nun ging Ihnen
einmal das Geld aus, Sie haͤtten etwas in der Haushaltung
noͤthig, haͤtten’s aber ſelber nicht und wuͤßtens auch nicht zu
bekommen; wuͤrden Sie da nicht an die herrſchaftliche Kaſſe
gehen und das Noͤthige herausnehmen?
Ja! ſagte Stilling, das wuͤrde ich kuͤhn thun, ſo lang
ich noch Gehalt zu fordern haͤtte.
Ich geb Ihnen das einſtweilen zu, verſetzte Herr Schnee-
berg, aber dieſe Gelegenheit macht endlich kuͤhner, man wird
deſſen ſo gewohnt, man bleibt das erſte Jahr zwanzig Gulden
ſchuldig, das andere vierzig, das dritte achtzig, das vierte zwei-
hundert und ſo fort, bis man entlaufen oder ſich als einen Schel-
men ſetzen laſſen muß. Denken Sie nicht, das hat keine
Noth! — Sie ſind guͤtig von Temperament, da kommen bald
vornehme und geringe Leute, die das merken. Sie werden taͤg-
lich mit einer Flaſche Wein nicht auskommen, und blos dieſer
Artikel nimmt Ihnen jaͤhrlich ſchon hundert Gulden weg, ohne
dasjenige, was noch dazu gehoͤrt, die Kleider fuͤr Sie und die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/179>, abgerufen am 21.11.2024.
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